Berlin/München. Jérôme Boateng wehrt sich gegen das Urteil, wonach er eine Ex-Freundin geschlagen habe. Kann er seinen angekratzten Ruf retten?

Sein größter Triumph ist acht Jahre her. 2014 reckte Jérôme Boateng den goldenen WM-Pokal in den brasilianischen Abendhimmel, die deutsche Mannschaft hatte im Finale von Rio de Janeiro Argentinien bezwungen – und der gebürtige Berliner war mittendrin.

Seitdem geht es rapide bergab. Sein Ruf ist nach medialen Enthüllungen über sein Privatleben und den mutmaßlichen Freitod einer Ex-Freundin (†25), die sich von ihm bedrängt fühlte, beschädigt. Bei Bayern München, seinem langjährigen Verein, wollten sie den extravaganten Fußballstar mit Vorliebe für modische Experimente im Sommer 2021 nicht mehr haben.

Bei seinem aktuellen Club Olympique Lyon steht er ebenfalls auf dem Abstellgleis – französische Zeitungen berichten von handgreiflichen Auseinandersetzungen Boatengs mit Teamkollegen. Nun muss der 34-Jährige erneut vor Gericht. Er will dort um sein Ansehen kämpfen. Und um jede Menge Geld.

Jérôme Boateng sieht sich im Recht

Am Donnerstag kehrt Boateng in seine frühere Wahlheimat zurück. Vor dem Landgericht München I beginnt sein Berufungsprozess wegen des Vorwurfs der Körperverletzung. Ausgerechnet in jenem Saal im Münchner Strafjustizzentrum, in dem das Amtsgericht ihn im September 2021 zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt hatte.

Der Richter sah es damals als erwiesen an, dass Boateng der Mutter seiner Zwillingsmädchen bei einem gemeinsamen Luxusurlaub in der Karibik im Jahr 2018 ins Gesicht geschlagen hatte. Sowohl der Leistungssportler als auch die Staatsanwaltschaft und seine Ex-Partnerin (32), die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftritt, haben gegen das Urteil aus dem vergangenen Jahr Berufung eingelegt.

Jérôme Boateng (r.) mit seinem Anwalt im September 2021.
Jérôme Boateng (r.) mit seinem Anwalt im September 2021. © AFP | Christof Stache

„Wir sind optimistisch, dass es in wesentlichen Fragen zu neuen Erkenntnissen kommen wird“, sagt Boatengs Verteidiger Norman Nathan Gelbart. Das Amtsgericht hatte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30.000 Euro verhängt. 30.000 Euro sind zwar die höchstmögliche Rate, Boateng ist damit aber nicht vorbestraft – das wäre er erst ab 90 Tagessätzen.

„Die Verteidigung vertritt die Auffassung, dass in dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht München wichtige Herrn Boateng entlastende Umstände nicht beziehungsweise nicht ausreichend gewürdigt wurden“, so Gelbart.

Jérôme Boateng und die On-Off-Beziehung

Boateng will nicht als Frauenschläger dastehen. Doch der Gerichtstermin birgt aus seiner Sicht das Risiko, dass genau dieser Eindruck untermauert wird. Das Bild, das die Ex-Freundin vor Gericht von ihrem früheren Partner zeichnete, war das eines gewalttätigen Mannes.

„Mit dem Daumen hat er mein Auge so gegriffen“, sagte die Frau vor einem Jahr. „Er hat an meinen Haaren gerissen, mir dann in den Kopf gebissen.“ Angespuckt habe er sie. Schließlich habe er ihr so stark „in die Niere geboxt“, dass sie keine Luft mehr bekommen habe. Der Eklat sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen, sagte sie – aber der heftigste.

Jérôme Boateng war jahrelang ein Verteidiger von Weltklasseformat. Doch sein Ansehen bröckelt.
Jérôme Boateng war jahrelang ein Verteidiger von Weltklasseformat. Doch sein Ansehen bröckelt. © Sven Simon | imago sport

Boateng stellt den Urlaubsstreit anders dar. Dass es damals in der Ferienanlage auf den Turks- und Caicosinseln mit Privatpool und Bediensteten eine Eskalation gab, räumte er vor Gericht ein. Geschlagen, so betonte er, habe er seine Ex-Freundin jedoch nie. Das Paar, sagten beide, führte seit 2007 eine „On-Off-Beziehung“.

Hat Jérôme Boateng die Mutter seiner Kinder ausspioniert?

Zuletzt war Boateng im Zuge von gemeinsamen Recherchen von „Correctiv“ und „Süddeutscher Zeitung“ unter Druck geraten. Den Berichten zufolge legen Fotos, Zeugenaussagen und Dokumente nahe, dass die Ex-Partnerin mit Überwachungstechnik ausgespäht worden sein könnte. So sei in der damaligen Wohnung der Frau eine Abhörwanze gefunden worden.

Eine direkte Verbindung zu Boateng, dem die Wohnung gehörte, habe die Polizei nicht nachweisen lassen. Doch „Correctiv“ und „SZ“ berichten von privaten Nachrichten, die den Redaktionen vorliegen. Darin soll Boateng gegenüber seiner Ex-Partnerin selbst den Eindruck erwecken, dass er sie belausche.

Der Fall ist noch nicht vorbei. Der Prozess wird zeigen, ob es Boateng gelingt, sich zu rehabilitieren.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.