Rom. Der 86-Jährige will bei der neuen rechtspopulistischen Regierung ein entscheidendes Wort mitreden. Doch wie viel Macht hat er noch?

Erstmals seit seinem blamablen Ausschluss aus dem Parlament vor neun Jahren nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs feiert Silvio Berlusconi seine politische Wiedergeburt. Der vielfach totgesagte Ex-Ministerpräsident ist als Senator nicht nur im italienischen Parlament zurück.

Als Chef der Koalitionspartei Forza Italia führt der TV-Zar gerade Verhandlungen für die Regierungsbildung in Rom. Doch im Vergleich zu 2013 hat sich die Lage tiefgreifend geändert.

Italien: Berlusconi als Steigbügelhalter Melonis

Berlusconi ist nicht mehr der strahlende Milliardär, der Wladimir Putin in seiner Villa auf Sardinien traf und die Welt mit seinen Sexaffären im Bann hielt. Heute ist der 86-jährige Medienunternehmer ein gesundheitlich angeschlagener Mann im Winter seines Lebens, der nur mit Beistand den Weg zu seinem Parlamentariersessel findet. Es ist wie in einem schlechten Film – eine politische Mumie als Steigbügelhalter für eine Rechtspopulistin, die er in jungen Jahren gefördert hatte.

Im Senat wirkt Berlusconi hilflos, einsam und angeschlagen. Auch politisch ist er nicht mehr der Alleinherrscher im italienischen Mitte-rechts-Lager, wie er es noch bis vor zehn Jahren war. Denn jetzt hat die um 41 Jahre jüngere Populistin Giorgia Meloni das Zepter in der Hand und Berlusconi muss klein beigeben. Zwar versteht sich Berlusconi selbst immer noch als Königsmacher, doch in seinem Rechtsblock hat jetzt die beinharte Meloni das Sagen.

Italien: Berlusconi will das letzt Wort behalten

Bei den Parlamentswahlen am 25. September eroberte Melonis neofaschistische Partei „Brüder Italiens“ im Bündnis mit Matteo Salvinis Lega und Berlusconis Forza Italia die absolute Stimmenmehrheit im Parlament. Die Lega und die Berlusconi-Partei mussten mit nur rund acht Prozent schwere Stimmenverluste hinnehmen. Meloni siegte mit 26 Prozent, drei Mal so viel wie ihre Verbündeten.

Kein Wunder, dass sie jetzt bei den Koalitionsverhandlungen das letzte Wort haben will. Das ärgert Berlusconi zutiefst, denn schließlich zählte er zu den größten Förderer der Wahlsiegerin, die er 2008 als 31-Jährige zur Jugendministerin in seiner damaligen Regierung machte. Damit kam Melonis politische Karriere erst richtig in Schwung.

Absagen von Frauen ist der Ex-Ministerpräsident nicht gewohnt

Berlusconi ist Absagen nicht gewohnt, jedenfalls nicht von Frauen. In der neuen Regierung will er wie gewohnt seine treuesten Weggefährten platzieren. Antonio Tajani, Parteivize und ehemaliger Vorsitzender des Europaparlaments, soll neuer Außenminister werden. Berlusconi verlangt außerdem das Justizressort, ausgerechnet in einer Phase, in der gegen ihn noch ein Prozess wegen Zeugenbestechung im Zusammenhang mit Partys und minderjährigen Frauen läuft.

Auch für das Gesundheitsministerium hat Berlusconi einen Namen parat: Licia Ronzulli. Die 47-jährige Mailänder Senatorin gilt als allertreueste Beraterin des TV-Tycoons und steht seit Jahren an seiner Seite. Sie soll Berlusconi im Juli überredet haben, mit seiner Forza Italia aus der Mehrparteienkoalition auszutreten, die das Kabinett von Mario Draghi unterstützte, was die Regierungskoalition in Rom auflöste.

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Berlusconi findet, Meloni sei „überheblich“

Die einstige Krankenpflegerin wäre laut Berlusconi für das Gesundheitsministerium geeignet, doch die unnachgiebige Meloni will von Ronzulli nichts wissen, was Berlusconi erzürnte. Auf einem Zettel, den ein Fotograf auf der Pressetribüne so nahe heranzoomte, dass die Worte darauf gut lesbar waren, kritzelte Berlusconi Notizen mit herablassenden Bemerkungen über die Wahlsiegerin, die er als „arrogant, überheblich und verletzend“ bezeichnete. Meloni sei „eine, mit der man sich nicht einigen kann“. Meloni antwortete darauf süffisant, sie sei eben „nicht erpressbar“.

Das Showdown löste Bedenken über die Risse in der Rechtskoalition aus, die noch diese Woche eine neue Regierung auf die Beine stellen sollte. Es gab Befürchtungen, die Forza Italia würde Melonis Koalition verlassen, wodurch sich die Regierungsbildung verzögert hätte.

Bittgang zu Meloni

Lega-Chef Salvini und sogar Berlusconis beide Kinder aus erster Ehe, Marina und Pier Silvio, traten als Mediatoren auf, um die Wogen zu glätten. So wurde Berlusconi zu einem klärenden Gespräch in Melonis Parteizentrale in Rom eingeladen, was für den Medienzaren als kleiner Bittgang galt. Dabei kam es zu einem versöhnenden Gespräch.

„Fratelli d’Italia und Forza Italia setzen sich dafür ein, dass Italien so bald wie möglich eine starke, geschlossene und profilierte Regierung erhält, die sich sofort an die Arbeit macht, um die dringenden Probleme anzugehen“, hieß es in einer Presseerklärung am Ende des Treffens.

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Berlusconi stützt die erste Premierministerin in Italiens Geschichte

Meloni und Berlusconi diskutierten die dringlichsten wirtschaftlichen Themen, beginnend mit der Energiekrise, einem Thema, das unter anderem im Mittelpunkt des bevorstehenden Europäischen Rates stehen wird. Meloni willigte angeblich ein, Tajani das Außenministerium anzuvertrauen. Die Ex-Senatspräsidentin und Anwältin Maria Elisabetta Casellati, die der Berlusconi-Partei angehört, soll zur Reformenministerin aufrücken.

Die bei Meloni unbeliebte Ronzulli muss aber verzichten – im Namen der Staatsräson. Denn Italien braucht rasch ein funktionsfähiges Kabinett, das die vielen Probleme des Landes, angefangen von den explodierenden Gas- und Strompreisen in Angriff nimmt. Staatschef Sergio Mattarella will keine Zeit verlieren. Schon Anfang nächster Woche soll es zur Vereidigung der Regierung kommen. Damit rückt Meloni zur ersten Premierministerin in Italiens Geschichte auf - gestützt von Berlusconi.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.