Wien. In Österreich steigt die Kurve der Corona-Neuinfektionen, doch die Zahl wirft Fragen auf. Die Regierung beschränkt sich auf Appelle.

Mit den Corona-Zahlen ist das in Österreich so eine Sache. Da sind die Daten, da sind vor allem aber Indikatoren, die die Daten in Frage stellen. Die Daten sagen: Die Inzidenz liegt bei 1067. Die Indikatoren hingegen lassen vermuten: Diese Zahl liegt wohl weit darüber. In Wien befinden sich zum Beispiel mehr als 1000 Lehrer im Krankenstand.

In anderen Regionen, wie etwa Kärnten, gibt es wegen Ausfällen beim Lehrpersonal bereits Notbetrieb an Schulen. Und der Peak dürfte noch nicht erreicht sein. Der Höhepunkt der Welle wird erst für die kommende Woche erwartet. Von politischer Seite aber heißt es: Man befinde sich im „Beobachtungsmodus“. Man bleibt bei Appellen. So mahnte Gesundheitsminister Johannes Rauch zuletzt: „Wir müssen die Menschen überzeugen: Tragt Masken in besonderen Settings.“

Corona-Politik in Österreich: Weniger Tests, gelockerte Quarantäneregeln

Der Appell ist also die Ausweichroute rund um die Pandemie-Maßnahmen. Grund dafür ist wohl nicht zuletzt das Fiasko der österreichischen Bundesregierung im vergangenen Winter: Die Impfpflicht. Beschlossen war die schnell, lange gerungen wurde dann aber um die administrative Durchführbarkeit, und schließlich ließ man sie aufgrund unüberwindbarer technischer wie bürokratischer Hürden leise sterben – all das begleitet von Corona-Protesten.

Das zuvor dichte Netz an Tests wurde massiv zurückgefahren. An den Schulen wurde bis Mai jede Woche mehrmals getestet. Diese Flächentests wurden komplett eingestellt, die Quarantäne- oder Absonderungsregelungen gelockert. Es wirkt, als habe die Regierung in Sachen Corona den Kopf in den Sand gesteckt und schrecke zurück vor eventuell unpopulären Schritten.

Lesen Sie auch: Corona und Grippe – EU und WHO fürchten schlimme Doppelwelle

Corona: Steigende Infektionskurve ruft Maßnahmen-Befürworter auf den Plan

Denn diese Regierung agiert auf sehr dünnem Eis: Laut Umfragen käme die Kanzlerpartei ÖVP je nach Umfrageinstitut auf 21 bis 22 Prozent. Die Grünen stünden bei rund 10 Prozent. Die ÖVP-Grüne Koalition hätte damit nicht einmal mehr annähernd eine Mehrheit. Die stärkste Partei ist demnach die SPÖ mit 28 bis 30 Prozent. Und auf Platz zwei in den Umfragen liegt die rechtspopulistische FPÖ mit rund 23 Prozent. Vor allem auch die FPÖ hatte hinter den Protesten gegen Corona-Maßnahmen im Frühjahr gestanden. Und bei den Gründen für die Frustration liegt die Pandemie-Politik ganz oben, mit der knapp 70 Prozent der Österreicher nicht zufrieden sind.

Die jetzt nach wie vor nach oben laufende Infektionskurve lässt nun allerdings auch die Maßnahmen-Befürworter auf den Plan treten. So verwies etwa das Covid-Prognosekonsortium sachte auf mangelndes Datenmaterial zur Dunkelziffer der Infektionen. Und weil eben viel weniger getestet wird, als zuvor, bleiben nur Indikatoren zur Einschätzung. Siehe: Schulen. Vor allem aber auch: Die Spitäler.

Auch interessant: Long Covid: Betroffene setzen Hoffnung auf Blutwäsche

Corona-Verordnung in Österreich: Im Oktober laufen die Regeln aus

Die Zahl der wegen Covid-19 behandelten Patienten steigt rasant – und wird das laut Prognosen auch zwei Wochen lang noch tun. Derzeit liegt man in etwa auf dem Stand des Peaks der November-Welle vom vergangenen Jahr. Allerdings: Die Zahl der Intensivpatienten steigt zwar, liegt aber nach wie vor auf einem eher niedrigen Niveau. Problematisch ist allerdings die Personallage durch Ausfälle – nicht zuletzt auch wegen einer Grippewelle, für die Maßnahmenbefürworter die mangelnde Maskendisziplin verantwortlich machen.

Am 23. Oktober sollen die Corona-Regeln neu evaluiert werden. An diesem Tag läuft die aktuelle Maßnahmen-Verordnung aus.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.