Berlin. Selten gab Reinhold Messner derart Einblick in sein Liebesleben. Im Interview erzählt er über das, was ihm bei einer Frau wichtig ist.

Der Sinn des Lebens – für einen wie Reinhold Messner (78), Südtiroler Extrembergsteiger, liegt der irgendwo oben auf dem Berg. Das zumindest hat er Jahrzehnte erklärt. In dem Buch „Sinnbilder“ (Fischer-Verlag, 22 Euro, Erscheinungsdatum 28. September) aber zeigt Messner andere Seiten.

Zusammen mit seiner Frau Diane Messner, die 35 Jahren jünger ist als er, spricht er so offen wie selten über sein Privatleben.

Herr Messner, Ihr neues Buch, das Sie mit Ihrer Frau geschrieben haben, trägt den Titel „Sinnbilder“. Darin schreiben Sie, dass es wichtig ist, allem, was man tut, einen Sinn zu geben. Welchen Sinn hat das Extrembergsteigen für einen wie Reinhold Messner?

Reinhold Messner: Weil das Extrembergsteigen so gefährlich und nutzlos ist, muss man ihm einen Sinn geben, sonst ist es nicht machbar.

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Reicht das als Sinngebung, um sein Leben zu riskieren?

Reinhold Messner: Nein. Die Sinnfrage war – teilweise ist sie es noch immer – in unserer Kultur eine religiöse Frage. Denn bis vor rund 200 Jahren hat die Kirche postuliert, dass der Sinn von oben kommt. Während meiner Volksschulzeit war der Sinn des Lebens in den Himmel zu kommen. Und dann kam da so ein junger Bursche daher und fragte: „In welchen Himmel?“ Das war damals eine Revolte in einem Südtiroler Bauerntal!

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten als das Bergsteigen, um gegen Bevormundung zu protestieren.

Reinhold Messner: Natürlich. Die Sinnstiftung ist eine ganz individuelle Angelegenheit. Es liegt an mir, welchem Tun ich Sinn einhauche. Die Kirche sagt: Gott hat uns die Seele eingehaucht. Ich habe mir durchs Klettern selber Sinn eingehaucht, eine Protesthaltung gegen jede Bevormundung.

Reinhold und Diane Messner, seit vier Jahren ein Paar.
Reinhold und Diane Messner, seit vier Jahren ein Paar. © Christopher Conin

Frau Messner, Sie haben Ihren heutigen Mann vor vier Jahren zufällig in einem seiner Museen kennengelernt. Wie haben Sie sich in einen 35 Jahre älteren Mann verliebt?

Diane Messner: So wie sich jeder andere Mensch auch verliebt.

Der Altersunterschied ist zumindest ungewöhnlich.

Diane Messner: Das ist Interpretationssache.

Welche Rolle spielt der Altersunterschied in Ihrer Beziehung?

Diane Messner: Wir merken ihn nicht wirklich. Optisch natürlich schon, aber vom Wesen her nicht.

Reinhold Messner: Diane übernimmt ganz andere Aufgaben als ich. Ich verstehe nichts vom Internet, sie ist da total fit, und sie ist eine großartige Organisatorin.

Diane Messner: Ich organisiere wahnsinnig gerne. Es ist nicht so, dass ich mich in diese Rolle gedrängt fühle.

War es Liebe auf den ersten Blick?

Diane Messner: Ich glaube nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Ich kann jemanden als attraktiv wahrnehmen, aber um ihn sympathisch zu finden, oder um mich gar zu verlieben, muss nicht nur das Äußere stimmen, sondern auch der Intellekt. Wenn das nicht zusammenpasst, bleibt das Gegenüber für mich unattraktiv. Als wir uns kennengelernt haben, war uns beiden schon nach den ersten Sätzen klar, dass wir... Reinhold Messner: Dass wir, was?
Diane Messner: ... die gleiche Wellenlänge haben. Sonst hättest Du Dich damals niemals weiter mit mir unterhalten. Das weiß ich genau, schließlich kenne ich Dich ja mittlerweile seit vier Jahren. Wir konnten uns von Anfang an über die alpine Geschichte unterhalten. Ich hatte dazu viel gelesen und habe selbst viele Touren in der Schweiz gemacht. Das hat Dich neugierig gemacht. Und dann haben wir uns für ein erstes Treffen verabredet.

Reinhold Messner (l) und sein Sohn Simon Messner.
Reinhold Messner (l) und sein Sohn Simon Messner. © dpa | Breuel-Bild

Wie war das erste Date?

Diane Messner: Noch bevor das Essen serviert wurde, hat er mich gefragt: „Kannst Du kochen?“

Reinhold Messner: „Können Sie kochen?“, habe ich gefragt.

Diane Messner: Nein, wir waren immerhin schon beim Du. Trotzdem: Nachdem Du mich als erstes gefragt hast, ob ich kochen kann, habe ich wirklich überlegt, ob ich aufstehe und gehe. Rückblickend verstehe ich seine Frage und wir schmunzeln darüber.

Herr Messner, warum haben Sie gleich beim ersten romantischen Dinner gefragt, ob Diane kochen kann?
Reinhold Messner: Ich wollte es einfach wissen!

Um abzuklären, ob Diane als Ehefrau in Frage kommt?

Reinhold Messner: Ich kann überhaupt nicht kochen. Ich kann mir nicht vorstellen, die nächsten zehn Jahre für mich selbst zu kochen. Wenn es etwas für den Rest des Lebens werden sollte, war es eine Grundvoraussetzung, dass Diane kochen kann.

Und: Können Sie kochen?
Diane Messner: Ja, ich kann gut kochen. Im Nachhinein muss ich sagen: Reinhold war einfach sehr ehrlich. Zu Beginn einer Beziehung zeigen Menschen sich meist von ihrer besten Seite, verstellen sich vielleicht sogar. Später erst zeigen sie ihr ehrliches Wesen. Reinhold hingegen präsentierte sich auf eine authentische und recht forsche Art. Er meinte: Es sei nicht einfach an seiner Seite. Es gehe eigentlich immer nur um ihn und dass er sehr viel unterwegs sei.

Reinhold Messner: Ich habe mich nur realistisch dargestellt.

Mittlerweile sind Sie seit fast vier Jahren ein Paar. Ist es schwierig, mit Reinhold Messner zusammen zu sein, Frau Messner?

Diane Messner: Die Anfangszeit war schwierig, weil wir beide noch in einer Trennungsphase steckten und Enttäuschungen verarbeiten mussten. Mühsam ist das Zusammenleben mit Reinhold längst nicht mehr, wir haben eine gemeinsame Sprache gefunden. Ich finde es sehr angenehm an seiner Seite. Und ich glaube er auch an meiner.

Reinhold Messner: Ja.

Herr Messner, Sie haben als Bergsteiger und Abenteurer viele Solotouren unternommen. Aber nachdem die Beziehung zu Ihrer zweiten Frau nach vielen Jahren in die Brüche ging, sind Sie schnell mit Diane zusammengekommen.

Reinhold Messner: Allzu lange hätte es bei mir nicht dauern dürfen. (Lacht!) Ich war 75 Jahre alt, als ich plötzlich alleine dastand.

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Hatten Sie Angst davor, im Alter allein zu sein?

Reinhold Messner: Nein. Ich war ein dreiviertel Jahr Single, und es gefiel mir. Ich habe gestaunt, wie gut ich das hingekriegt habe: Kochen – oder sagen wir mal lieber, etwas zu essen zu machen – einkaufen. Ich bin ja früher nie einkaufen gegangen! Aber hätte ich es bis an mein Lebensende machen müssen, hätte ich das wohl auch hingekriegt.

Sie waren also nicht aktiv auf der Suche? Sie waren nicht in Datingportalen unterwegs?

Reinhold Messner: Nein, das hätte ich schon rein technisch nicht hingekriegt. (Lacht!) Ich kann mit meinem Telefon nur telefonieren. Als ich Diane kennengelernt und sie nach ihrer Telefonnummer gefragt habe, musste sie ihre Nummer in mein Telefon eingeben. Ich weiß gar nicht, wie man das macht.

Frau Messner, Sie schreiben in Ihrem gemeinsamen Buch „Unachtsamkeit und Gutgläubigkeit ließen es immer wieder zu, dass sich toxische Menschen in unser Leben und Zusammenleben mischten. Wir gaben ihnen zu viel Raum.“ Wer muss sich damit angesprochen fühlen?

Diane Messner: Einige Menschen aus unserem unmittelbaren Umfeld und unserer Familie.

Die Expartner?

Diane Messner: Wir haben und hatten keinen Kontakt zu Reinholds Exfrau. Zu meinem Ex-Mann haben wir ein entspanntes Verhältnis. Mein Sohn Reto wohnt bei ihm. Aber es gab auch Menschen aus Reinholds engem Umfeld, die uns unser Zusammensein nicht gönnten.

Neid?

Reinhold Messner: Es gab bestimmte Menschen, die nicht akzeptieren konnten, dass wir zusammen das weitere Leben gestalten wollten. Sie wollten es verhindern.

Diane Messner: Es gibt einfach Menschen, die toxisch sind, die negativ sind, die absichtlich verletzen, um sich selbst aufzuwerten. Sie leiden aus unterschiedlichsten Gründen – Bedürfnisse, die nicht erfüllt werden oder Unzufriedenheit – und sie möchten, dass man mitleidet. Sie handeln aus ihrer negativen Emotion heraus. Sie hätten nichts dagegen gehabt, wenn unsere Beziehung gescheitert wäre. Diesen Menschen haben wir peu à peu Grenzen gesetzt, da sie nichts zu einem, unserem gelingenden Leben beisteuern.

Was waren die Motive dieser Menschen?

Diane Messner: Menschen mögen generell keine Veränderung. Motive sind meist emotional gesteuert und gehen weit zurück auf Enttäuschungen, die viele bereits im Kindesalter erlebt haben. Sie wollten Reinhold weiterhin kontrollieren. Es fiel diesen Menschen schwer zu akzeptieren, dass Reinhold jetzt nicht mehr nach ihrer gewohnten Vorstellung funktionierte, wie er lange funktioniert hat, jetzt war jemand Neues an seiner Seite, Reinhold zeigte sich offener und spontaner und war wieder motiviert neue Herausforderungen anzunehmen. Zum Glück gibt es in unserem Leben nur wenige toxische Menschen. Auf der anderen Seite haben wir großartige Menschen und Freunde an unserer Seite, die uns mittlerweile über diese unheilsamen Personen hinwegschauen lassen.

Reinhold Messner: Diane und ich haben vor zwei Jahren das Startup Messner Mountain Heritage gegründet. Wir planen zusammen eine letzte große Expedition. Mit der Final Expedition wollen wir mit Festivals, Vorträgen, Filmen und Diskussionen Menschen auf der ganzen Welt das große Abenteuer des traditionellen Alpinismus näherbringen. Heute gehen zwar viel mehr Menschen klettern als früher, aber 90, wenn nicht 99 Prozent von ihnen klettern in der Halle, nicht in der Wildnis. Darum habe ich Sorge, dass das traditionelle Bergsteigen untergeht, einfach in Vergessenheit gerät. Mit der Final Expedition wollen wir gegensteuern. Das werden wir tun, so lange meine Gesundheit es zulässt und Diane mich herumkutschieren kann. Ohne Diane würde es all das nicht geben. Ich wäre in den nächsten Jahren wahrscheinlich ein bisschen von einem meiner Museen zum nächsten gezogen, hätte mit den Leuten mal einen Kaffee getrunken, mal einen kleinen Vortrag gehalten, mal eine Wanderung gemacht und wäre weitestgehend im Umfeld geblieben, das ich mir mit meinen Museen selber geschaffen habe.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.