Berlin. EU-Verträge untersagen Anbau und Verkauf von Cannabis europaweit. Deutschland müsste bei der geplanten Legalisierung Alleingang wagen.

Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach soll die Legalisierung von Cannabis ein "Kurswechsel" in der Drogenpolitik werden. Und jetzt, nach Ende der Sommerpause, sollte dieses prestigereiche Projekt eigentlich in ein Eckpunktepapier gegossen werden – der erste Schritt auf dem Weg zum legalen Cannabis-Konsum in Deutschland.

Die Ampel-Koalition hatte zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt, eine "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Doch vieles ist rechtlich noch unklar. Etwa die Frage, ob die Apotheken oder besondere Ausgabestellen die Droge ausgeben – und ab welcher Altersstufe Cannabis dann legal geraucht werden darf.

Auch die Frage, ob und bis zu welchem Cannabis-Wert im Blut ein Mensch noch Auto fahren darf, ist ungeklärt.

Legalisierung von Cannabis: EU-Gesetze machen Projekt schwierig

Das alles betrifft deutsches Recht. Doch noch etwas könnte die Pläne der Bundesregierung durchkreuzen: EU-Gesetze. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags verstößt eine Legalisierung gegen zwei EU-Verträge.

Der sogenannte EU-Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2004 sieht vor, dass das "Herstellen", das "Zubereiten", aber auch das "Verkaufen und Liefern" von Drogen in jedem EU-Staat strafrechtlich verfolgt werden müsse. 1971 legte die EU fest, welche Stoffe als Drogen definiert werden. Darunter fällt auch Cannabis.

Der Beschluss schreibt zudem vor, dass jedes Mitgliedsland Verstöße mit "wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen" ahnden müsse. Die Auswertung des Wissenschaftlichen Dienstes liegt unserer Redaktion vor. Das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" hatte zuerst darüber berichtet.

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    Cannabis-Legalisierung: Das könnte Lauterbachs Problem werden

    Lauterbachs Problem ist also: Selbst wenn er die deutschen Gesetze ändert und Cannabis legal in bestimmten Abgabestellen ausgibt – es zeigt sich immer noch ein Konflikt mit dem EU-Recht. Die Analyse ist für die Regierung heikel. Denn das Recht der Europäischen Union steht über nationalem Recht. Diesen Grundsatz hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2007 in einem Urteil noch einmal bekräftigt.

    Noch etwas dürfte den Bundesgesundheitsminister beunruhigen: 2019 hatte eben dieser Gerichtshof in Luxemburg die deutsche Regelung zur Pkw-Maut auf Autobahnen gekippt – und damit ein Projekt der damaligen Regierung von Union und SPD endgültig politisch begraben.

    Laut dem Gutachten verweisen Fachleute beim Thema Cannabis-Legalisierung auch auf das Schengen-Abkommen, das in Europa den Grenzverkehr regelt. Darin hätten sich die Vertragsländer, zu denen auch Deutschland gehört, verpflichtet, "die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkte sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden".

    Scheitert Cannabis-Legalisierung, bevor sie anfängt?

    "Die Cannabis-Legalisierung zu Genusszwecken – so wie es die Ampelregierung im Koalitionsvertrag festgehalten hat – ist gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat", sagte der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger. Wolle Minister Lauterbach die "gesundheitsgefährdende Cannabislegalisierung" durchsetzen, müsse er "wenigstens eine rechtlich korrekte gesamteuropäische Lösung in Brüssel finden", sagte der CSU-Politiker.

    Das Gesundheitsministerium hebt auf Nachfrage hervor, man werde eine "rechtssichere" Lösung finden. Interessant ist ein Detail: In der Analyse der Juristinnen und Juristen des Bundestags heißt es auch, dass der Anbau, der Besitz und Handel mit Cannabis vor allem dann strafrechtlich verfolgt werden müsse, sofern dies "ohne entsprechende Berechtigung" passiere. Es bleibt daher offen, ob nationale Regelungen durch die Bundesregierung diese Berechtigungen auch im Sinne des EU-Rechts darstellen können.

    Legalisierung von Cannabis: Bisherige Drogenpolitik unwirksam

    Die Bundesregierung sieht laut Gesundheitsministerium die bisherige Drogenpolitik als gescheitert an. Der illegale Konsum steige, die Drogenkartelle werden mächtiger und haben Handelsrouten quer durch Europa etabliert, und Cannabis auf dem deutschen Markt sei zunehmend verunreinigt, so die Regierung. Mit Abgabestellen will die Koalition den illegalen Markt zurückdrängen.

    Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen und Innenexpertin, Irene Mihalic, hebt gegenüber unserer Redaktion hervor: "Die Ampel-Koalition hat sich gemeinsam zum Ziel gesetzt eine Legalisierung von Cannabis unter strengen Rahmenbedingungen vorzunehmen. Das dies rechtskonform geschieht, ist natürlich die Grundvoraussetzung." Es werde "bereits mit Hochdruck an Gesetzentwurf gearbeitet", sagt Mihalic.

    Allerdings ist aus der Bundesregierung bereits zu hören, wie rechtlich komplex ein neues Drogenrecht ist: Es betrifft nicht nur Strafgesetze, sondern auch Handelsrichtlinien, Verkehrsrecht und Gesundheitspolitik. Und eben EU-Recht. All das abzustimmen – das dauert.

    Die Fragen zur Cannabis-Legalisierung drehen sich nicht nur um deutsches Strafrecht
    Die Fragen zur Cannabis-Legalisierung drehen sich nicht nur um deutsches Strafrecht © Christophe Gateau/dpa/Symbolbild

    Cannabis-Legalisierung: Niederlande nicht mehr Vorbild

    Details der Pläne nannte die Bundesregierung bisher nicht. Klar ist für Fachleute, dass die Niederlande bei der Drogenpolitik nicht mehr als Vorbild gelten. Dort gilt laut des Gutachtens aus dem Bundestag noch immer das "Opiumgesetz". Es stellt Anbau und Verkauf sowie den Besitz unter Strafe. Und doch tolerieren die Behörden seit vielen Jahren Besitz und Verkauf zumindest kleinerer Mengen Cannabis.

    Nur: Weil der Anbau illegal ist, sind die Händler auf organisierte Kriminelle angewiesen, um die hohe Nachfrage nach Cannabis zu decken. Ein Geschäft, das boomt. Trotz und gerade aufgrund der niederländischen Drogenpolitik.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.