Berlin. Der britische Premierminister ritt sein Land in den Brexit – und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Die Bürger zahlen die Quittung.

Auch in der Stunde seines Abschieds bleibt sich Boris Johnson treu. Schnoddrig und an den Mühen der Ebene nicht wirklich interessiert wird er in wenigen Tagen Downing Street 10 den Rücken kehren. Der britische Premierminister hatte nie eine wirkliche Leidenschaft fürs Regieren. Er liebte den spektakulären Auftritt, die große politische Zirkusnummer. Er war süchtig nach Beifall, den er auf der Insel lange Zeit auch reichlich bekam.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Trotz einer äußerst mageren Bilanz wird Johnson in die Geschichte eingehen – allerdings nicht als Staatsmann oder Macher. Er hinterlässt mit seinem Parforceritt in den Brexit einen riesigen Scherbenhaufen. Sein Märchengemälde vom sagenhaften Aufstieg Großbritanniens entpuppte sich als Seifenblase – kurze Zeit bunt schillernd, aber am Ende zerplatzt.

Johnson fiel am Ende über sich selbst

Der EU-Austritt kostet das Land vier Prozent der Wirtschaftsleistung oder 100 Milliarden Pfund, zertifizierte der Rechnungshof. Ein Wust von Zoll-Formalitäten durch neue Grenzkontrollen, endlose Lkw-Schlangen und ein Exit von Fachkräften pflastern Johnsons Misere.

Das Problem: Zu lange ist eine große Mehrheit der Briten auf die Phantasie-Geschichten des Illusionisten hereingefallen. Johnson ist wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump ein Fanal dafür, was Populisten anrichten können, wenn sie nicht rechtzeitig entzaubert werden.

Johnson fiel am Ende über sich selbst – seine Machtversessenheit und seine Hybris. Weil er den Bogen überspannte, wurde er von Spitzenpolitikern seiner eigenen Partei de facto gestürzt. Bedauerlich für die Kontinentaleuropäer: Egal, wer die Nachfolge antritt – Liz Truss oder Rishi Sunak –, der Brexit-Kurs wird in London weitergehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.