Berlin. Wie Verbraucher die günstigsten Tarife für Strom und Gas finden – und welche Kostenfallen auf den Vergleichsportalen im Netz lauern.

Die Gas- und Strompreise steigen immer mehr – und mit ihnen die Klickzahlen von Vergleichsportalen wie Check24 und Verivox, auf denen die Kunden nach günstigen Alternativen zum eigenen Versorger suchen. Doch die Portale haben ihre Tücken: Sie zeigen nicht alle Tarife an und bevorzugen Anbieter, von denen sie eine Provision bekommen. Wer wirklich sparen will, muss die Fallen kennen.

Dabei scheint die Sache so einfach zu sein: Man gibt die Postleitzahl und den eigenen Verbrauch an Strom oder Gas in die Suchmaske des Portals ein – und ruckzuck erscheinen die billigsten Tarife. Die entscheidende Einschränkung: Zu sehen sind nur die Tarife, die das Portal erfasst hat und auch zeigen will. Andere können günstiger sein.

Strom- und Gastarife: Auf Vergleichsportalen genau hinsehen

Verbraucherschützer warnen seit jeher davor, den Portalen blind zu vertrauen. In der aktuellen Lage raten sie zu besonderer Vorsicht. Lesen Sie auch: Strom: Börsenpreis bricht ein – Was das für Kunden bedeutet

„Der Rechercheaufwand ist größer geworden, es kann sich lohnen, auf den Webseiten der regionalen Versorger direkt nachzusehen“, sagt etwa Julia Schröder, Energierechtsexpertin der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Ihre Kritik an den Vergleichsportalen: „Sie bilden den Markt nicht eins zu eins ab.“

Tarifvergleich: Wichtige Filter sind nicht versteckt zu finden

Durch bestimmte Voreinstellungen filtern die Portale zahlreiche Tarife trickreich heraus. „Wer es bei den Voreinstellungen belässt, bekommt nur diejenigen Tarife angezeigt, zu denen man direkt vom Portal aus wechseln kann, das müssen nicht die günstigsten sein“, erläutert Matthias Bauer, Abteilungsleiter Energie der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eine direkte Wechselmöglichkeit bedeutet: Das Portal bekommt eine Provision vom Energieversorger für den Vertragsabschluss.

Um tatsächlich alle Tarife zu sehen, die das Portal kennt, muss man eine entsprechende Einstellung vornehmen – was aber nur an versteckter Stelle möglich ist. Zuvor ist es nötig, eine erste Suche mit seinen Daten zu starten. Viele belassen es dabei, um schnell einen Tarif auswählen zu können. Ratsam aber ist, den eingebauten Filter zu entfernen. Mehr zum Thema: So hoch ist der durchschnittliche Stromverbrauch für ihren Haushalt

Filter anpassen: So geht es bei Check24 und Verivox

Nach der Suche wechselt man unter „Ihre Einstellungen“ und „Filtervoreinstellungen“ von „Empfehlung“ zu „Individuell“. Auf der sich öffnenden Pop-up-Webseite muss dann unter „Nur Tarife mit Wechselmöglichkeit“ der Button „Nein“ angeklickt werden. Voreingestellt ist jedoch der Button „Ja“.

Bei Verivox funktioniert die Umstellung so: Nach der ersten Suche den Button „Weitere Filtereinstellungen“ anklicken. Es öffnet sich eine Leiste, auf der das – voreingestellte – Häkchen bei „Direkte Wechselmöglichkeit“ entfernt werden muss. Lesen Sie auch: Stromfresser im Haushalt: Wann sich ein neues Gerät lohnt

Zu beachten ist: Die Portale geben auch bestimmte Empfehlungen ab. Sie stehen beim Tarifvergleich ganz oben und sind farblich blau unterlegt. Davon sollte sich niemand blenden lassen, weil es sich um Werbeaktionen handelt. „Es kann günstigere Tarife geben, die weiter unten stehen“, sagt Verbraucherschützer Bauer.

Er rät außerdem, die angegebenen Preise zur Sicherheit auf den Webseiten der Anbieter zu überprüfen. Der Grund: Bei den häufigen Preisänderungen kommen die Portale mit der Aktualisierung nicht immer nach.

Tarif-Vergleichsportale sind eine kluge Anlaufstelle, es kommt aber auf Details an.
Tarif-Vergleichsportale sind eine kluge Anlaufstelle, es kommt aber auf Details an. © Shutterstock / GaudiLab | GaudiLab

Vergleichsportale bilden bestimmte Tarife gar nicht ab

Auch nach der Entfernung der Filter zeigen die Portale nicht unbedingt alle auf dem Markt verfügbaren Tarife an. So fehlen die Tarife vieler sogenannter Grundversorger, die in den Vergleich aber einbezogen werden sollten. „Die Grundversorger sind lange im Geschäft und haben sich bei ihren Lieferanten eher langfristig eingedeckt, das wirkt sich jetzt günstig aus beim Preis und der Versorgungssicherheit“, sagt Fabian Fehrenbach, Referent Energierecht der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Strom und Gas: Was ist der Grundversorger?

Grundversorger ist dasjenige Unternehmen, das die meisten Haushaltskunden mit Gas oder Strom in einem Netzgebiet beliefert, oft die örtlichen Stadtwerke. Neben dem eigentlichen Grundversorgungstarif, der für Kunden gedacht ist, die keinen anderen Vertrag haben, bieten sie auch Sondertarife an.

In den Portalen erscheinen diese Tarife meist nicht, weil „die Grundversorger in der Regel nicht bereit sind, Provisionen an das Portal zu bezahlen“, erläutert Verbraucherschützer Bauer. Er rät daher selbst beim eigenen Grundversorger nach dem aktuellen Preis in der Grundversorgung und nach den Sondertarifen zu fragen. „Anschließend sollte man sich nach den Sonderverträgen der Grundversorger in den benachbarten Regionen erkundigen“, so der Experte. Auch interessant: Habeck plant Reform: Warum der Strompreis so stark steigt

Wie finde ich meinen Grundversorger für Gas und Strom heraus?

Wer den Grundversorger an seinem Wohnort nicht kennt, kann sich bei seinem Energielieferanten erkundigen oder auf der Rechnung nachsehen. Dort steht entweder der Name des Grundversorgers oder ein Code, der sich mithilfe der Webseiten bdew-codes.de (Strom) sowie codevergabe.dvgw-sc.de (Gas) entschlüsseln lässt.

Einen Vorteil hat der Grundversorgungstarif auf jeden Fall: Er kann jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden. Daher kommt auch ein nur vorübergehender Einstieg in Betracht. Dazu Verbraucherschützer Fehrenbach: „Wenn der Tarif des Grundversorgers moderat und tragbar ist, kann das eine Zwischenlösung sein, bis es einen günstigeren Sondertarif gibt.“ Lesen Sie auch: Solarstrom zum Mitnehmen: So gut sind Power Stations

Wichtig zu wissen ist: Der Gesetzgeber hat den Unternehmen kürzlich untersagt, von Neukunden höhere Preise als von Bestandskunden in der Grundversorgung zu verlangen, wie das einige Zeit zu beobachten war. Laut Verbraucherzentrale Niedersachsen müssen Verträge mit unterschiedlichen Preisen für Neu- und Bestandskunden, die bereits vor dem 28. Juli 2022 bestanden, spätestens bis Anfang November an die neue Vorschrift angepasst werden.

Pleite des Gas- und Stromversorgers: Warum es dann teuer werden kann

Bei der Tarifwahl zu beachten ist, dass Versorger pleitegehen können und manche Billiganbieter die Belieferung der Kunden auch schon einstellten, weil ihre Bezugspreise stiegen. In solchen Fällen landen die betroffenen Verbraucher automatisch bei ihrem heimischen Grundversorger, um von ihm Strom oder Gas zu beziehen. Durch ein neues Gesetz kann das nun teuer werden. Demnach rutschen die Kunden zunächst drei Monate lang in die sogenannte Ersatz- statt in die Grundversorgung. Auch interessant: Heizen ohne Gas: Was können Radiator, Heizlüfter und Co.?

Das Problem dabei: Der Versorger darf die Preise der Ersatzversorgung an den jeweils aktuellen, derzeit stark steigenden Börsenpreisen ausrichten, warnt die Verbraucherzentrale Niedersachsen. Ein Recht auf Aufnahme in die günstigere Grundversorgung bestehe erst nach drei Monaten. Der Rat der Verbraucherschützer: Die Kunden sollten fragen, ob sie schon früher in die Grundversorgung oder einen anderen günstigeren Tarif wechseln können.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.