Berlin. Die neue Generation der Corona-Vakzine steht vor der Verteilung. Wann sie kommen, wie viele Dosen geliefert werden, wie sie wirken.

  • Die an Omikron angepassten Corona-Impfstoffe von Biontech und Co. sollen endlich kommen
  • Doch wer wird jetzt zuerst geimpft? Droht wieder Impfstoff knapp zu werden?
  • Wir klären die wichtigsten Fragen zur neuen Omikron-Impfung

Es klingt, als ginge es diesmal ganz einfach: „Die neuen Impfstoffe kommen“, freute sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu Beginn der Woche auf Twitter und schickte gleich hinterher: Auslieferung wahrscheinlich am 5. September, Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Kürze. Doch gerade bei der neuen Generation der Corona-Vakzine, die an die Omikron-Variante angepasst sind, gibt es noch viele Fragezeichen. Was man jetzt wissen muss:

Biontech und Co.: Wann kommt der neue Omikron-Impfstoff in die Arztpraxen?

Lauterbach geht davon aus, dass die EU-Kommission den an die Omikron-BA.1-Variante angepassten Impfstoff von Biontech/Pfizer als auch das entsprechende Vakzin von Moderna am 1. oder 2. September zulassen wird. Ein Expertenausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hatte am Donnerstag bereits grünes Licht gegeben. Die Hersteller hätten eine sehr zügige Auslieferung zugesichert, damit bereits in der ersten Septemberwoche Impfungen mit diesen angepassten Impfstoffen erfolgen könnten.

Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollen erstmals am Montag, 5. September, die beiden BA.1-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna bestellen können. Erste Dosen sollen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) voraussichtlich noch am Donnerstag oder Freitag derselben Woche an die Praxen ausgeliefert werden, die reguläre Belieferung soll am folgenden Montag (12. September) starten.

Insgesamt geht es zunächst um 14 Millionen Impfdosen:

  • Lauterbach erwartet in den ersten beiden Septemberwochen jeweils rund fünf Millionen Dosen von Biontech/Pfizer.
  • Von Moderna sollen in der ersten Woche 1,65 Millionen Dosen und in der zweiten weitere 2,38 Millionen Dosen kommen.

Wann wird der Impfstoff gegen die BA.5-Variante zugelassen?

Anfang September geht es zunächst nur um den Impfstoff, der insbesondere gegen den BA.1-Subtyp der Omikron-Variante entwickelt wurde. In Deutschland ist mittlerweile jedoch der Subtyp BA.5 dominant.

Die Vakzine, die vor allem gegen die Subtypen BA.4 und BA.5 entwickelt wurden, sind noch nicht so weit. Biontech/Pfizer erwartet eine EU-Zulassung Ende September oder Anfang Oktober. Sollte dies der Fall sein, so Lauterbach am Montag, werde Deutschland von Biontech/Pfizer ebenfalls sehr zügig nach der Zulassung mit einer ersten Tranche von 9,5 Millionen Dosen beliefert.

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Biontech und Co.: Wer soll den BA.1-Impfstoff bekommen?

Impfungen gegen einen Subtyp, der in Deutschland kaum noch vorkommt? Viele Ärzte schütteln skeptisch den Kopf. Für Lauterbach aber ist das kein Hinderungsgrund, dennoch für den neuen BA.1-Impfstoff zu werben: „Nach den vorliegenden Studiendaten wirken die Impfstoffe deutlich besser gegen die derzeit vorherrschende BA.5-Variante als der Impfstoff der ersten Generation“, so der Minister. „Insbesondere für Hochrisikogruppen können sie ein entscheidender Faktor sein, denn wir sollten nicht vergessen, dass täglich nach wie vor rund 100 Personen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion sterben.“

Sein Appell: „Risikogruppen sollten nicht länger mit einer Impfung warten, auch wenn ein weiterer Impfstoff wahrscheinlich nur wenige Wochen später zur Verfügung stehen wird.“ Sollte der Appell verhallen, würden 14 Millionen Impfdosen eines jetzt schon veralteten Vakzins umsonst produziert worden sein.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt rät Älteren und Risikopatienten, sich jetzt zügig ein viertes Mal impfen zu lassen.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt rät Älteren und Risikopatienten, sich jetzt zügig ein viertes Mal impfen zu lassen. © dpa | Wolfgang Kumm

Unterstützung hat Lauterbach von der Bundesärztekammer: Der BA.1-Impfstoff schütze höchstwahrscheinlich besser vor Ansteckungen als die Impfstoffe der ersten Generation. Studien der Hersteller zeigten, dass das adaptierte Vakzin deutlich mehr Antikörper gegen Omikron hervorrufe und somit der Immunschutz gesteigert werden kann. „Der beste Impfstoff hilft aber nichts, wenn er liegen bleibt“, mahnte Ärztepräsident Klaus Reinhardt.

Gerade ältere Menschen und Patienten mit Immunschwäche und schweren Vorerkrankungen sollten sich zügig ein viertes Mal impfen lassen, auch wenn in einigen Wochen mit der Zulassung weiterer neuer Impfstoffe gegen die BA.4 und BA.5 Varianten zu rechnen sei.

Ob auch junge, gesunde Menschen ihren Immunschutz durch eine Impfung mit den neuen BA.1- beziehungsweise BA.4/BA.5-Vakzinen steigern sollten, müsse dagegen die Stiko beurteilen. „Mittlerweile liegt die letzte Impfung bei vielen Menschen schon einige Monate zurück“, erinnerte Reinhardt.

Omikron-Impfung: Was empfiehlt jetzt die Ständige Impfkommission?

Die Stiko empfiehlt aktuell Menschen über 60 Jahren und Risikopatienten eine vierte Auffrischungsimpfung. Dieser generelle Rat dürfte nach Informationen dieser Redaktion auch nach der Zulassung der Omikron-Vakzine zunächst weiter Bestand haben. Eine spezielle Empfehlung für die Omikron-Impfstoffe wird demnach vorerst nicht erwartet.

Das heißt: Sollten demnächst sechs Impfstoffe für Auffrischungsimpfungen auf dem Markt sein (der bisherige Typ und die beiden Omikron-Impfstoffe jeweils von Biontech/Pfizer und Moderna) müssen Arzt und Patient weitgehend allein entscheiden, welches Vakzin für die Auffrischungsimpfung verabreicht werden soll.

Das Argument dahinter: Man könne zwar sicher sein, dass die neuen Impfstoffe wirkten, heißt es aus Stiko-Kreisen. Es sei bislang aber nicht durch Studien an Geimpften erwiesen, dass die Omikron-Vakzine eine relevante zusätzliche Wirkung mit Blick auf Infektion und Krankheitsschwere gegenüber dem herkömmlichen Impfstoff hätten.

Was wünschen sich die Ärzte?

Die deutschen Kassenärzte fordern eine schnelle Empfehlung zur Anwendung der neuen Omikron-Impfstoffe: Vorausgesetzt, die Impfstoffe erreichten die Praxen in ausreichender Menge, würden die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Impfungen rasch durchführen können, sagte KBV-Chef Andreas Gassen dieser Redaktion. Eine aktualisierte Empfehlung sei jetzt wichtig, sie bilde die wissenschaftliche Richtschnur, nach der sich die Ärztinnen und Ärzte orientieren, ergänzte KBV-Vize Stephan Hofmeister.

Ob sich Menschen, die bereits viermal geimpft sind, eine fünfte Dosis mit dem Omikron-Impfstoffen holen sollten, ist umstritten. Aus Stiko-Kreisen heißt es, eine solche Empfehlung stehe aktuell nicht zur Diskussion.

Die deutschen Amtsärzte haben sich ausdrücklich für eine breite Nutzung der neuen, an BA.1 angepassten Omikron-Impfstoffe ausgesprochen. Viele Bürger stellten sich jetzt die Frage, ob sie diese Impfstoffe für eine Booster-Impfung nehmen oder besser auf die an BA.4 und BA.5 angepassten Vakzine warten sollten. Wer sich jetzt eine vierte Impfung holen wolle, sollte jedoch nicht zögern und auf weitere Impfstoffe warten, sagte Johannes Nießen, Vorsitzender des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienste (BVÖGD) unserer Redaktion. "Er macht nichts falsch, wenn er den BA.1-Impfstoff nutzt."

Nießen wies gleichzeitig darauf hin, dass man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen könne, welcher der beiden Impfstofftypen im Herbst und Winter besser schütze. Bislang fehlten dazu die nötigen Daten. "Wir wissen nicht einmal, welche Variante im Herbst und Winter dominant sein wird", so der Amtsärzte-Chef. Es könne durchaus sein, dass es wieder der BA.1-Subtyp ist. "Klar ist aber auch: Impfen hilft immer", so Nießen.

Können sich Ungeimpfte mit dem neuen Impfstoff immunisieren lassen?

Nein. Beide Impfstoffhersteller haben eine Zulassung ihres angepassten Impfstoffes nur für Auffrischimpfungen beantragt. „Die Impfstoffe können damit nicht für eine Grundimmunisierung eingesetzt werden. Hierfür stehen weiterhin die bisher eingesetzten Vakzine bereit“, heißt es bei der KBV.

Impfen gegen Omikron und Grippe – geht das zusammen?

Das ist kein Problem: Gerade Risikogruppen sollten sich nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Influenza impfen lassen, rät Ärztepräsident Reinhardt. Die Stiko habe klargestellt, dass zwischen Corona- Impfungen und Grippeschutzimpfung kein Impfabstand eingehalten werden müsse.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.