Meseberg. Die Preise steigen weiter. Der Druck auf die Regierung ist groß. Kanzler Olaf Scholz deutet an, wann das dritte Entlastungspaket steht.

Diese Tage der Entscheidung sind entscheidende Tage für die Ampel-Koalition. „Sehr intensiv und sehr sorgfältig“ werde derzeit gearbeitet, versichert Olaf Scholz. „Wir sind gerade dabei, das dritte Entlastungspaket zu schnüren.“ Die Regierung führe „sehr konstruktive, auch sehr vertrauliche“ Gespräche darüber.

Neben Scholz steht Pedro Sanchez im Barockgarten von Schloss Meseberg, Spaniens Ministerpräsident schaut den Kanzler aufmunternd von der Seite an. Danach spazieren der deutsche Sozialdemokrat und der spanische Sozialist plaudernd durch den Garten des Gästehauses der Bundesregierung am Huwenowsee in Brandenburg.

Inflation

Sanchez ist als Gast zu der zweitägigen Klausur des Bundeskabinetts im Norden von Berlin gekommen. Die Ministerinnen und Minister der Ampel-Regierung diskutieren mit ihm über eine Sicherheitsstrategie. Auf der Tagesordnung stehen zudem Gesprächsrunden über die berufliche Bildung in Zeiten des Wandels, eine Digitalstrategie und die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland.

Zum letzten Punkt hat das Kabinett den Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, eingeladen, der im Ernstfall über die Zuteilung von Gas entscheidet. Nicht offiziell auf der Agenda: das dritte Entlastungspaket.

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Kanzler Olaf Scholz und Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez beim Spaziergang.
Kanzler Olaf Scholz und Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez beim Spaziergang. © Getty Images | Sean Gallup

Doch die Frage, wie die Regierung angesichts der dramatisch hohen Energiepreise Bürger und Unternehmen unterstützt, spielt bei dem Treffen im Barockschloss eine zentrale Rolle. „Meseberg wird entscheidend“, heißt es aus Regierungskreisen. „Sehr bald“ werde das dritte Entlastungspaket vorliegen, verspricht Scholz.

Das Maßnahmenbündel soll bis weit ins nächste Jahr wirken und zur gesellschaftlichen Beruhigung beitragen. Die Erwartungen sind hoch.

Inflation: Preissteigerung im August bei fast acht Prozent

Während Scholz und sein Kabinett zusammensitzen, veröffentlicht das Statistische Bundesamt eine erste Schätzung für die Inflationsentwicklung im August: Um 7,9 Prozent sind die Verbraucherpreise gestiegen, im Juli hatte die Teuerung noch bei 7,5 Prozent gelegen.

„Die Menschen brauchen Geld, damit am Ende des Monats der Einkaufskorb nicht leer und die Wohnung nicht kalt bleibt“, sagt der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, unserer Redaktion. „Und sie brauchen die Sicherheit, dass Ihnen wegen Lieferengpässen oder fehlender Zahlungsmöglichkeiten nicht der Strom oder das Gas abgedreht wird.“

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Auch in den Bundesländern wächst die Unruhe. „Wir brauchen einen Strom- und Gaspreisdeckel“, fordert Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD). Der müsse nicht nur für Privathaushalte gelten, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen.

„Viele kleine Unternehmen wie etwa Bäckereibetriebe wissen wegen der hohen Energiepreise einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll“, sagt Bovenschulte unserer Redaktion. „Diese Betriebe haben blanke Existenzangst. Bisher sind nur die großen Konzerne im Fokus der Hilfsleistungen, aber nicht die Betriebe kleiner und mittlerer Größe.“

Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) warnt vor den Folgen der hohen Energiepreise für Kleinunternehmen wie Bäcker.
Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) warnt vor den Folgen der hohen Energiepreise für Kleinunternehmen wie Bäcker. © dpa | Swen Pförtner

Dass es eine neue Entlastungsrunde geben soll, ist in der Koalition unumstritten. Doch über das Wie herrschen unterschiedliche Ansichten. Finanzminister Christian Linder setzt vor allem auf Steuersenkungen, die SPD-Spitze reibt sich an den Positionen des FDP-Chefs und fordert rasche Einmalzahlungen sowie ab dem Jahreswechsel eine Ausweitung von Sozialleistungen. Die Grünen sind in vielen Punkten nah bei der SPD – und waren in den vergangenen Tagen doch verärgert über die Sozialdemokraten.

Gasumlage: SPD greift Habeck an - Grüne verärgert

Die mit schlechten Umfragewerten konfrontierte SPD hatte sich öffentlich den beliebten Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgeknöpft, weil die Gasumlage des Vizekanzlers mit jedem Tag mehr zum Problem wird, anstatt Teil der Lösung zu sein. Die Grünen waren empört über das Foulspiel und traten verbal zurück.

Von dem vor einem Dreivierteljahr zum Amtsantritt abgegebenen Schwur der Ampel-Koalition, sich nicht öffentlich zu beharken, sondern Konflikte intern auszutragen, war nicht mehr viel übrig, von Aufbruch keine Spur. Im Gegenteil: Der Druck der Krise droht die Koalition dauerhaft zu beschädigen.

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Zu Beginn des Treffens in Meseberg ist jedoch der Willen zu spüren, in gelockerter Atmosphäre den Streit beizulegen. „Alle wissen, dass wir uns am Riemen reißen müssen“, verlautet aus der Koalition. Scholz bemüht sich demonstrativ um das Klima in seiner Regierung.

Vor Beginn der Klausur kommt er am Morgen bereits mit Lindner und Habeck zusammen. Danach zeigt sich der Kanzler zuversichtlich: „Das wird eine Klausurtagung, wo es eine gute Stimmung und die Bereitschaft gibt, in einer ernsten Lage zum Wohl des Landes eng zusammenzuarbeiten.“

Gespräche am Rander der Kabinettsklausur: Familienministerin Lisa Paus (2.v.l., Bündnis 90/Die Grünen), Svenja Schulze (3.v.l., SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Cem Özdemir (2.v.r., Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, und Hubertus Heil (r, SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales.
Gespräche am Rander der Kabinettsklausur: Familienministerin Lisa Paus (2.v.l., Bündnis 90/Die Grünen), Svenja Schulze (3.v.l., SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Cem Özdemir (2.v.r., Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, und Hubertus Heil (r, SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales. © dpa | Kay Nietfeld

Drittes Entlastungspaket in den nächsten Tagen erwartet

In der anschließenden Sitzung des Kabinetts im Gartensaal des Schlosses sitzen Scholz, Lindner und Habeck nah beieinander: Der Kanzler in der Mitte des langen Tisches, der Vizekanzler zu seiner Rechten, der Finanzminister den beiden gegenüber. Am Mittwoch wollen die drei zentralen Figuren des Ampel-Bündnisses die Ergebnisse der Klausur gemeinsam vorstellen.

Scholz dämpft jedoch Hoffnungen, dass dann das Entlastungspaket bereits stehen könnte. Ziel der Regierung sei es, niemanden mit den Preissteigerungen alleine zu lassen, sagt der Kanzler: „Das werden wir auch im Laufe dieser Woche weiter vorantreiben, sodass wir sehr schnell in der Lage sind, die notwendigen Lösungen und Entscheidungen zu präsentieren.“

In der Koalition rechnen manche mit einer Vorstellung des Pakets zu Beginn der nächsten Woche.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de

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