Berlin. Klimawandel, Corona, Ukraine-Krieg: In den vergangenen Jahren folgte eine Krise auf die nächste. Was macht das mit jungen Menschen?

Ben Sievers ist 20 Jahre alt – ein Alter, in dem das Leben gerade erst so richtig losgeht. Eigentlich sollte der junge Student voller Zuversicht in die Zukunft blicken. Doch das Gefühl, sich in jedem Fall darauf verlassen zu können, dass seine Zukunft gut wird, hat er nicht mehr. „Ich mache mir schon viele Gedanken. Gerade im Moment denke ich häufig, dass alles gar nicht mehr so rosig aussieht“, sagt der 20-Jährige. So wie Ben geht es derzeit vielen jungen Menschen – vor allem in der Generation, die gerade erwachsen wird: der sogenannten Generation Z.

Dazu werden alle Personen gezählt, die in etwa zwischen 1995 und 2010 geboren sind. In einer im April veröffentlichten Befragung von Infratest dimap im Auftrag der Vodafone Stiftung gaben 86 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an, sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Mit 58 Prozent war außerdem über die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung, dass es zukünftigen Generationen schlechter gehen werde.

Klima, Corona, Krieg: Der „Dauerkrisenmodus“ sorgt für Verunsicherung

Ein ähnliches Bild beobachtet derzeit auch Jugendforscher Simon Schnetzer: „In den vergangenen Jahren kamen drei Krisen nacheinander – Klima, Corona, Krieg –, die bei vielen das Gefühl ausgelöst haben, dass die Krisen überhaupt nicht mehr aufhören“, sagt der Experte. Gerade dieser „Dauerkrisenmodus“ habe schließlich dazu geführt, dass junge Menschen nicht mehr darauf vertrauen würden, dass die Zukunft gut werde, so Schnetzer.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Klaus Hurrelmann untersucht der Jugendforscher seit mehreren Jahren in der Trendstudie „Jugend in Deutschland“, welche Ängste junge Menschen besonders beschäftigen. In der in diesem Frühjahr durchgeführten Studie war das allen voran der Krieg in der Ukraine: 68 Prozent der Befragten gaben an, sich deswegen Sorgen zu machen.

Der Klimawandel sorgt die junge Generation

Dieses Ergebnis hänge allerdings auch damit zusammen, dass die Studie nur kurze Zeit nach dem Beginn des Krieges durchgeführt wurde, als das Thema sehr präsent war, erklärt Schnetzer. Nun rücke ein anderes Thema in den Fokus: Der Klimawandel. 55 Prozent der Befragten gaben an, diesbezüglich Sorgen zu haben.

Und Schnetzer geht davon aus, dass das Thema in den kommenden Jahren weiter an Relevanz gewinnen wird. „Die Angst vor der Klimakrise ist nicht kleiner geworden, auch wenn sie in der vergangenen Studie von der Angst durch den Krieg in der Ukraine überholt wurde. Es sind so viele Klimakatastrophen vorprogrammiert, dass wir mit Sicherheit davon ausgehen können, dass uns das noch sehr lange beschäftigen wird“, erläutert der Jugendfoscher. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam in dieser Woche auch die Bertelsmann Stiftung in einer repräsentativen Jugendbefragung.

Auch die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen

Dass der Klimawandel von vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen als so große Bedrohung angesehen wird, hänge auch damit zusammen, wie diese Ängste erlebt würden, sagt Politikwissenschaftler Matthias Albert. „Die Angst vor dem Klimawandel ist eine Angst, die tiefer geht und als existenziell bedrohlich erlebt wird.“ Auch er geht davon aus, dass sich die Sorgen bezüglich der Klimakrise bei jungen Menschen weiter zukünftig verstärken werden.

Neben dem Ukraine-Krieg und dem Klimawandel hat auch die Corona-Pandemie bei Jugendlichen deutliche Spuren hinterlassen. „Die Pandemie hat ein Selbstverständnis für Strukturen und den sozialen Alltag zerstört“, erklärt Schnetzer. Durch die Einschränkungen hätten sich die sozialen Beziehungen junger Menschen auf einige wenige Kernbeziehungen reduziert.

Psychische Belastung der Jugendlichen nimmt zu

„Der Generation Z werden durch die Pandemie für immer zwei ganz wichtige Jahre der persönlichen Entwicklung und Orientierung fehlen“, sagt der Forscher. Das hat Folgen – unter anderem für die psychische Gesundheit junger Menschen. „Wir sehen, dass sich die psychische Belastung junger Menschen zunehmend verstärkt“, sagt Schnetzer.

In der aktuellen Trendstudie gaben 45 Prozent der befragten Jugendlichen an, aktuell Stress zu erleben. 27 Prozent erklärten sogar, unter Depressionen und Niedergeschlagenheit zu leiden.

Aus der Zukunftsangst können gesellschaftliche Probleme entstehen

Neben den psychischen Folgen hat der Krisenmodus der jungen Generation aber auch gesellschaftliche Konsequenzen. „Wenn junge Menschen den Glauben an die Zukunft verlieren, dann haben wir gesellschaftlich ein ganz großes Problem“, sagt Experte Schnetzer.

Dem stimmt auch Matthias Albert zu. „Wenn sich der schwindende Zukunftsoptimismus der jungen Generation als Trend manifestiert, dann wäre das eine äußerst bedenkliche Entwicklung“, sagt der Experte. Er weist allerdings gleichzeitig darauf hin, dass es sich bei der derzeitigen Situation nur um eine Momentaufnahme handelt.

Familie, Freunde und Partner schaffen Ausgleich

„Dass der Zukunftsoptimismus mitten in einer Pandemie und einem Krieg zurückgeht, ist vollkommen selbstverständlich“, so Albert. „Wichtig wird sein, zu sehen, wie die Situation in zwei oder drei Jahren aussieht.“ Einen Ausgleich und Sicherheit finden junge Menschen trotz zahlreicher Krisen laut Trendstudie aktuell vor allem in Beziehungen zu anderen Personen, etwa in der Familie, Freundschaften und Liebesbeziehungen, sowie durch eigene Ziele und Engagement.

So ist das auch bei Ben Sievers. „Hoffnung gibt mir vor allem, wenn ich merke, dass andere meine Sorgen teilen“, sagt er 20-Jährige. Und er ist sich sicher, dass gerade junge Menschen gemeinschaftlich viel bewirken können – auch mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.