Berlin. Die Rockband Rammstein möchte das Jahr mit einem gewaltigen Silvesterkonzert in München beschließen. In der Stadt führt das zu Streit.

In München soll das Jahr 2022 mit einem Knalleffekt enden. Auf dem Areal, auf dem unter anderem das Oktoberfest stattfindet, plant die Rockband Rammstein ein riesiges Silvesterkonzert. 145.000 Zuschauer wollen die Brachialrocker auf der Münchener Theresienwiese bespielen. Und das, obwohl gleichzeitig das Tollwood-Festival nebenan leisere Töne anschlägt. Die kurzfristige Planung weckt Zweifel, die Ausmaße sorgen für Kritik. Nun liegt die Entscheidung bei der Sicherheitsbehörde der Stadt.

Rammstein plant Silvesterkonzert in München – Politik stimmt dafür

Die ersten beiden Hürden auf dem Weg zur Genehmigung sind bereits genommen. Am Mittwoch folgte der Stadtrat der Empfehlung des städtischen Wirtschaftsreferats und gab grünes Licht für den Auftritt der Pyro-Rocker auf der Theresienwiese. SPD, CSU und FDP votierten gemeinsam für das Konzert.

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl sprach von einem Signal der "Coolness, der Lockerheit und der Weltoffenheit", während SPD-Fraktionschefin Anne Hübner betonte, man solle "nicht immer nur 1000 Bedenken ins Feld zu führen, sondern auch mal die Chancen zu sehen".

Vier Stunden lang wollen Till Lindemann und Co. am 31. Dezember ab 20.00 Uhr das neue Jahr einläuten. Dem stehen derzeit aber ungeklärte Fragen im Weg, vor allem im Hinblick auf die Sicherheit. Das geplante Silvesterkonzert sei "nicht mit dem Oktoberfest" vergleichbar, wie Tobias Kapfelsberger erklärte.

Der Pressesprecher des Kreisverwaltungsreferat (KVR) wies daraufhin, dass bei Konzert-Ende der "Abfluss von 150.000 Menschen koordiniert werden muss", während beim Oktoberfest ein kontinuierlicher Zu- und Abfluss stattfinde. Ob die Publikumszahl aus Sicherheitsgründen noch reduziert wird, "ist derzeit nicht absehbar".

Konzert von Gabalier ruft Kritiker auf den Plan – Grüne und CSU schießen Giftpfeile

Im nächsten Schritt muss der Veranstalter, die österreichische Leutgeb Group, dem für Sicherheitsfragen zuständigen KVR ein "überzeugendes Sicherheits- und Schallkonzept" vorlegen. Angesichts von nur viereinhalb Monaten Vorlauf kommen bei Grünen-Stadträtin Mona Fuchs Zweifel auf. Sie erinnert an das Konzert von Andreas Gabalier am 6. August auf dem Messegelände Riem mit "nur" 90.000 Zuschauern.

Hier monierte die Polizei das mangelhafte Sicherheitskonzept, obwohl das Konzert elf Monate vorher geplant worden war. Die finale Genehmigung erteilte der KVR erst zwei Tage vorher. Fuchs bezeichnete die Zustimmung zum Rammstein-Konzert als "unseriös, wenn nicht gar fahrlässig". Der "wahnsinnige Schnellschuss" setze die Sicherheitsbehörden unter Druck. CSU-Stadtrat Pretzl antwortete: "Vielleicht ist Grün doch das neue Spießig."

Mehr über Rammstein: Glitter, Glamour, Rammstein – So anders ist ihr neuer Song

Pyro-Shows und Ruhestörung: Rammsteinkonzert direkt neben gemütlicher Silvestergala?

KVR-Pressesprecher Kapfelsberger nannte neben Flucht- und Rettungswegen "qualifiziertes Personal" als zentralen Sicherheitsfaktor. Die Festnahme zweier Security-Mitarbeiter des Subunternehmens, das Leutgeb bei einem Konzert von Andreas Gabalier in München für die Sicherheit engagierte, nährt die Zweifel. Beiden wird vorgeworfen, während des Konzerts mit Drogen gedealt zu haben. Einer der Beschuldigten widersetzte sich der Festnahme mit körperlicher Gewalt und verletzte einen Polizisten im Einsatz.

Ein weiterer Knackpunkt könnte die Lautstärke sein. Rammstein ist für Ruhestörungen fast genauso berüchtigt wie für die explosiven Pyro-Shows. Beim Konzert im englischen Coventry hatten Anwohner noch 16 Kilometer entfernt über die Lautstärke geklagt. Die Vorsitzende des Bezirksausschuss des Ortsteils Schwanthaler Höhe Sibylle Stöhr befürchtet weiträumige Ruhestörung und bezeichnete die Theresienwiese gegenüber dem Bayerischen Rundfunk als "der falsche Platz". Auch das Umweltreferat merkte an, dass bei derartigen Großveranstaltungen Lärm-Obergrenzen "erfahrungsgemäß" verletzt würden.

Münchener Behördenchefin erinnert an Tragödie auf der Love Parade

Dass auf der Theresienwiese gleichzeitig die Silvestergala des Tollwood-Festivals stattfinden soll, macht die Sache nicht einfacher. Seit 22 Jahren wird das neue Jahr hier mit eher gemäßigten Tönen eingeläutet. Der Vorverkauf für das Traditionsevent hat bereits begonnen. Die Veranstalter zeigten sich von der Kommunikation der Stadtverwaltung irritiert. Wie sie dem Bayerischen Rundfunk sagten, hätten sie erst aus der Zeitung von den Planspielen erfahren.

Lesen Sie auch: European Championships in München: Alles zur Multi-EM

Auch das KVR sendet Zeichen der Skepsis. Behördenchefin Hanna Sammüller-Gradl warnte in einer Stellungnahme vor einer Situation wie bei der Love Parade 2010 in Duisburg, als 21 Menschen im Gedränge zu Tode getrampelt wurden. Pressesprecher Kapfelsberger wies auf die "besonderen Umstände des Silvesterabends" hin. Gefahrenpotenzial bestehe durch Schaulustige und "das unkontrollierte Zünden von Silvesterraketen".

Die Entscheidung hänge von zahlreichen Expertisen ab, etwa "von Polizei und Rettungsdienst, Münchener Verkehrsgesellschaft, Immissionsschutz". Man habe vom Veranstalter noch keine Unterlagen erhalten. " Die Zeitschiene ist derzeit nicht absehbar."

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.