Berlin. Warum die chinesischen Militärmanöver vor der taiwanesischen Küste so brandgefährlich sind – und was Deutschland damit zu tun hat.

Das Szenario vor der chinesischen Küste rund um die Insel Taiwan wirkt erschreckend bekannt. Bevor der russische Präsident Wladimir Putin seine Truppen am 24. Februar in die Ukraine einmarschieren ließ, zog er die Truppen an der Grenze zusammen und sprach von einem großen Militärmanöver. Alles nur eine Übung, hieß es. Alles eine große Lüge war es.

Seitdem steht der Osten Europas in Flammen – und niemand weiß, wie dieser Krieg befriedet werden kann. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping beobachtet genau, was in der Ukraine geschieht, aber es ist völlig unklar, welche Schlüsse er daraus zieht und ob er dem russischen Beispiel folgen will.

China schürt die Sorge vor einem neuen Krieg

Doch nicht nur angesichts der Kriegsschiffe, Panzer, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Artilleriegeschütze vor Taiwan wächst die Sorge vor einem neuen Krieg. Und sie ist berechtigt. Denn die chinesische Führung macht keinen Hehl aus ihren Ambitionen. Sie beansprucht das Südchinesische Meer und Taiwan für sich. Seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 ist die Eingliederung ins Mutterland erklärtes Ziel. Die Ein-China-Politik steht für Peking nicht nur auf dem Papier, sie wird verteidigt, wo immer es geht.

Gudrun Büscher, Politik-Korrespondentin
Gudrun Büscher, Politik-Korrespondentin © Reto Klar

Spätestens seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong besteht kein Zweifel daran, dass der chinesischen Regierung dabei alle Mittel recht sind und sie dabei auch vor Gewalt und dem Einsatz von Waffen nicht zurückschreckt. CIA-Chef William Burns warnt: Es sei nicht die Frage, ob China Taiwan angreift, sondern wann.

Die Führung in Taiwan versucht, Ruhe zu bewahren

Entscheiden wird das Präsident XI Jinping. Auch wenn er, anders als Putin, die Partei und das Zentralkomitee im Nacken hat, ist er doch so mächtig wie zuletzt nur Mao Zedong. Das Zentralkomitee der Kommunisten ebnet ihm im Herbst den Weg für eine dritte und womöglich lebenslange Amtszeit. Xi ist noch keine 70 Jahre alt. Es bliebe ihm also noch etwas Zeit.

Ob er sie nutzen will oder den Besuch von Nancy Pelosi nun zum Anlass nimmt, Fakten zu schaffen, ist noch nicht abzusehen. Die Manöver haben die Lage im Südchinesischen Meer derart aufgeladen, dass ein kleiner Funke reicht für einen gigantischen Flächenbrand mit nicht abschätzbaren Folgen.

Die Führung in Taiwan versucht, Ruhe zu bewahren, betont aber auch ihre Verteidigungsbereitschaft. Die Asean-Staaten bieten ihre Vermittlung an und fordern Weisheit auf beiden Seiten. Noch ist es nicht zu spät.

Taiwan: Chinas Präsident formuliert seine Ziele ganz klar

Doch auch wenn Peking am Sonntag die Truppen zurückholt, wäre das Manöver eine wichtige Übung gewesen, die der Führung Klarheit verschafft, ob Taiwan durch eine totale See- und Luftblockade kleinzukriegen ist oder nur durch einen offenen Krieg.

Spätestens seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine muss klar sein, dass es nicht hilft, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Xi Jinping formuliert seine Ziele eindeutig so, wie Wladimir Putin es spätestens nach der Krim-Eroberung 2014 auch getan hat.

Halbleiter-Produktion: Die deutsche Wirtschaft würde es besonders hart treffen

Kommt es zum Krieg und besetzt China die kleine Insel, wird es bitter. Die weltweiten ökonomischen Folgen wären gravierender als beim Ukraine-Krieg. Taiwan ist der mit Abstand wichtigste Produktionsstandort für Halbleiter, ohne die die Weltwirtschaft nicht mehr auskommt – sie werden in fast jedem Elektroprodukt verbaut. Die deutsche Wirtschaft würde es besonders hart treffen, denn die Abhängigkeit vom Zugang zum chinesischen Markt ist stetig gewachsen.

China übt vor Taiwan mit scharfer Munition. Die Zeit der Illusionen muss vorbei sein.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de