Washington. Donald Trump will erneut Präsident werden, doch er hat sich verkalkuliert. Die Wähler werden ihn nicht mal mit der Kneifzange anfassen.

Dasselbe immer und immer wieder zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten, ist laut Albert Einstein die Definition von Wahnsinn. Die Republikaner in den Vereinigten Staaten von Amerika können nun zeigen, dass sie nicht vollends wahnsinnig geworden sind.

Sie können die gestern Abend von Donald Trump gelangweilt in die Welt hinausposaunte dritte Präsidentschaftskandidatur für 2024 als das begreifen, was sie ist: eine Kampfansage an die Partei und – noch wichtiger – an die Grundfesten der wegen Trump bereits mehrfach ins Schleudern gekommenen US-Demokratie.

Wenn die „Grand Old Party”, die konzeptionell und strategisch unter Trump fast bis zur Unkenntlichkeit verzwergt ist und beinahe einem Kult gleicht, noch eine Existenzberechtigung beansprucht, dann muss sie den abgefeimtesten politischen Hütchenspieler der Neuzeit endgültig neutralisieren.

Konservative: Ohne Donald Trump erfolgreicher als mit ihm

Die Neuorientierung wird nicht einfach. Seine Kern-Gefolgschaft ist unbeirrt an seiner Seite – und damit verloren. Aber dem überwiegenden Teil der Trump-Wähler, die noch für Argumente und Fakten erreichbar sind, kann eine glaubwürdige und eventuell sogar parteiübergreifend attraktive Politik angeboten werden, die auf Krawall und Spaltung verzichtet.

Und wenn dem überwiegenden Teil der Trump-Wähler, die noch für Argumente und Fakten erreichbar sind, eine glaubwürdige und parteiübergreifend attraktive Politik angeboten wird, die auf Krawall und Spaltung verzichtet.

Dabei muss ein Ziel ganz oben stehen: Konservative Wähler müssen verinnerlichen, dass sie bei Wahlen ohne Donald Trump erfolgreicher abschneiden können als mit ihm.

Der Zeitpunkt dafür ist günstig. Trump ist nach dem maßgeblich durch seine törichte Personalauswahl erklärbaren Verlust einer greifbar nahen Senatsmehrheit bei den „midterms” angeschlagen wie nie.

Ex-US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Ohio.
Ex-US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Ohio. © Michael Conroy/AP/dpa

Andere Politiker wären angesichts der Leistungsbilanz Trumps längst zurückgetreten

Das Wort vom „biggest loser”, vom größten Verlierer, ist in konservativen Kreisen in fast aller Munde. Man begreift allmählich in der ganzen Tragweite, dass die vierte Mega-Pleite nach 2018 (midterms), 2020 (Weißes Haus) und 2021 (Nachwahl in Georgia) wieder auf sein Konto geht.

Endet auch die erneute Stichwahl im Bundesstaat Georgia am 6. Dezember nachteilig für die Konservativen, ist Trumps Image als „Chancentod” in Stein gemeißelt.

Politiker mit halbwegs intaktem Sensorium wären angesichts der Leistungsbilanz Trumps längst zurückgetreten und verschämt in der Versenkung verschwunden.

Trump dagegen, von keinem Selbstzweifel auch nur angehaucht, geht anti-zyklisch den anderen Weg und eröffnet zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl, also völlig zur Unzeit, den partei-internen Schönheitswettbewerb.

Sein Kalkül ist schlicht. Abseits der Sucht, wieder Nabel der Medienwelt zu sein, will er potenzielle Konkurrenten in den eigenen Reihen einschüchtern und aus dem Weg räumen. Außerdem erhofft er sich so etwas wie Immunität vor den zahlreichen straf- und zivilrechtlichen Gewitter-Wolken, die seit Langem über ihm hängen und jederzeit abregnen könnten. Beide Einschätzungen haben Mängel.

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent.
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent. © Privat | Privat

Viele Wähler sind Donald Trump einfach leid

Das republikanische Teilnehmerfeld für 2024 wird stattlich sein. Gerade weil Trumps Stern seit Monaten im Sinkflug ist und seine Bilanz als Präsident so medioker war.

Kontrahenten einfach wegpöbeln wie 2016, als Jeb Bush neben ihm auf der Debatten-Bühne hilflos wie ein Chorknabe wirkte, funktioniert heute nicht mehr. Nicht bei Leuten wie Ron DeSantis, der Intellekt und Schläue mit einer Bulldoggen-Aura verbindet.

Schon heute genießt Floridas Gouverneur, der seine steile Karriere ironischerweise Trumps Fürsprache verdankt, in ersten Umfragen aus den Vorwahl-Bundesstaaten Iowa und New Hampshire Stimmenvorteile von über zehn Prozent.

Diese Werte werden sich voraussichtlich stabilisieren, je länger und unverfrorener Trump einen Alleinvertretungsanspruch auf das „rote” Ticket für 2024 erhebt. Viele Wähler sind ihn einfach leid.

Damit ist er noch nicht totgesagt. Aber wenn es konservativen Geldgeber gelänge, alle finanzielle Wahlkampf-Feuerkraft hinter einem Kandidaten wie DeSantis zu bündeln, wäre Trump im Wahlkampf schnell erledigt. Rechte Medien von Rang, die ihn bisher protegierten, hat er eh verloren.

Was die juristische Seite anbelangt: Gewiss würde der Status eines Präsidentschaftskandidaten bei der Justiz Vorsicht auslösen. Aber ein Anspruch, von der Aufklärung von Straftaten verschont zu bleiben, existiert für Leute wie Trump in der amerikanischen Verfassung nicht. Niemand steht über dem Gesetz, pflegt Justizminister Merrick Garland zu sagen. Niemand.

Würde Trump offiziell angeklagt, wird nur noch eine Minderheit von Schauprozess und politischer Verfolgung reden. Die Mehrheit der Wähler wird ihn nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.