Neapel. Ist das Meer nur noch für Reiche? In Italien protestieren immer mehr Menschen für freien Eintritt und günstige Liegestühle am Strand.

Sommer, Sonne und das blaue Mittelmeer: Das ist für viele der pure Italien-Traum. Rund 3.500 Kilometer Strände hat Italien. Nur: Mehr als die Hälfte der Strände ist seit Jahren fest in den Händen von Strandbädern, die von ihren Kunden immer saftigere Eintrittspreise verlangen. Zwar sind die Gemeinden verpflichtet, auch freie Strände zu garantieren, nicht immer wird diese Regel jedoch respektiert.

Mit Sonnenschirmen, Luftmatratzen und Badetüchern demonstrierten Neapolitaner dieser Tage am Rathausplatz der Vesuvstadt für „spiagge libere“, für freie Strände. Die Demonstration richtete sich gegen Pläne der Gemeinde, die Zahl der Badenden, die auf freien Stränden in der Stadt zugelassen sind, einzuschränken.

Hohe Preise für Liegestühle und Eintritt für den Strand lässt den Italien-Urlaub immer teurer werden.
Hohe Preise für Liegestühle und Eintritt für den Strand lässt den Italien-Urlaub immer teurer werden. © dpa | Andrea Warnecke

„Das Meer in Neapel steht nur denen zur Verfügung, die es sich leisten können, und dies in einer Stadt, die in der Rangliste der Lebensqualität immer noch ganz unten steht“, hieß es auf einem Flugblatt. „Gebührenpflichtige Strandbäder und der programmierte Zugang zu freien Stränden schließen Bürger mit niedrigem Einkommen aus.

Die Küste, die allen gehört, wird bald nicht mehr allen zugänglich sein“, warnten die Demonstranten, die den Platz mit Liegestühlen und Sonnenschirmen belagerten und von überraschten Touristen fotografiert wurden.

Italien: Familien können sich einen Tag am Strand kaum noch leisten

Viele italienische Familien können sich einen Badeurlaub in Italien nicht mehr leisten. Die teils hohen Preise der Strandbäder sind jeden Sommer aufs Neue ein heißes Thema. Wegen der steigenden Inflation wird mit einem weiteren Anstieg der Kosten für den Strandurlaub gerechnet. Für Liegen und Schirme müssen Urlauber circa fünf Prozent mehr ausgeben als 2021, schätzen Konsumentenschutzverbände. Lesen Sie auch: Italien-Urlaub: Wer diese Fehler macht, riskiert Geldstrafen

Für Monatsabonnements in den Strandanlagen liegen die Preise zwischen 500 und 700 Euro monatlich. Mittlerweile verlangen die Strandbäder für den Eintritt durchschnittlich 15 bis 20 Euro - und für Liegen und Schirme müssen die Kunden oft noch extra bezahlen.

Proteste für freie Strände ohne Gebühren

Das ist für viele einkommensschwache Italiener einfach zu viel. Im ganzen Land kommt es inzwischen zu Protesten für freie Strände, wo sich Sonnenhungrige kostenlos auf einem Handtuch im Sand ausbreiten und das Meer genießen können. Diese liegen jedoch oft eingequetscht zwischen zwei Badeanstalten und sind meist hoffnungslos überfüllt.

Kein Wunder, dass in mehreren italienischen Regionen inzwischen Verbände für das „freie Meer“ entstanden sind. „Wir wollen nicht für ein Meer zahlen müssen, das ohnehin uns gehört. Die Privatisierung der Strände ist wegen der Inflation noch akuter geworden“, kritisierten Aktivisten am römischen Strand von Ostia. Hier kam es zuletzt zu Zwischenfällen mit Betreibern von Strandanlagen, die den Aktivisten nicht den Zugang zum Strand gewähren wollten.

Tourismuseinnahmen kommen auch aus den Strandbäder-Gebühren

Auch in der renommierten Baderegion Ligurien ist die Lage bei der Hitze kritisch. Zwar sollten laut einem regionalen Gesetz 40 Prozent der Strände frei sein, niemand hält sich jedoch an die Regel. „Es ist undenkbar, dass die ligurische Küste bis zu 90 Prozent von Strandanlagen besetzt ist“, beklagt Stefano Salvetti, regionaler Präsident des Konsumentenschutzverbands Adiconsum. Auch interessant: Italien: Hitze-Drama hält an – Urlauber sollen Wasser sparen

Ganz anders sieht das die Gewerkschaft der italienischen Badeanlagenbetreiber. Sie argumentiert, dass beispielsweise allein in der auch bei Deutschen beliebten Region Toskana etwa 53 Prozent der Tourismus-Einnahmen von den Strandbädern herrühren.

Italien: Sonnenschirme, Liegen und auch der günstige Espresso werden teurer

Strandanlagen-Betreiber bezahlen Steuern und Verwaltungskosten, die den Gemeinden zugute kommen. Sie seien ein entscheidendes Element im Fremdenverkehr und im Badetourismus.

Nicht nur die teuren Strandanlagen belasten den Urlaub in Bella Italia. Auch der Verzehr von Speisen und Getränken in den Strandbädern wird kostspieliger, Konsumentenschutzverbände beklagen durchschnittliche Erhöherungen um zehn Prozent. Lesen Sie auch: Italien: Schülerinnen protestieren für mehr nackte Haut

Nicht einmal der in Italien billige Espresso bleibt von den Verteuerungen ausgeschlossen. Berücksichtigt man also die Kosten für Transport, Miete für einen Sonnenschirm und zwei Liegestühle, Verpflegung und Parken, so wird eine Familie in diesem Jahr durchschnittlich 97 Euro für einen Tag am Meer ausgeben müssen, mit einem durchschnittlichen Anstieg von zwölf Prozent gegenüber 2021, geht aus Schätzungen des Konsumentenschutzverbands Federconsumatori hervor.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.