Berlin. Alles wird immer teurer? Nicht ganz. Einige Bereiche profitieren von Gesetzen, die bereits vor Jahren erlassen wurden. Eine Analyse.

  • Zehn Prozent aller Waren sind langfristig günstiger
  • Ersparnis bei ICE-Tickets, Kitaplatz oder Elektronik
  • Inflation lässt Preissenkungen verpuffen

Die Inflation in Deutschland wird von kräftigen Preisanstiegen in fast allen Lebensbereichen getragen: 558 der 633 Produkte oder Dienstleistungen aus dem Warenkorb des Statistischen Bundesamts waren im Mai teurer als noch zum Jahresbeginn. Anhand der Alltagsprodukte in diesem Warenkorb berechnet die Behörde die Inflationsrate. Doch darin stecken auch Posten, die deutlich billiger geworden sind - auch im langfristigen Vergleich.

Bahn, Kita, Elektronik – was jetzt billiger ist

63 Posten (10 Prozent) haben im Sieben-Jahres-Vergleich den Preis gehalten oder sind heute erschwinglicher als noch 2015, dem frühesten Zeitpunkt mit einem vergleichbaren Warenkorb.

Die Analyse zeigt vor allem zwei Entwicklungen: Bei Elektronikprodukten senken Wettbewerb und technische Weiterentwicklung die Preise für die Verbraucher. An anderen Stellen hilft der Staat durch Steuersenken oder Zuschüsse. Günstiger ist es langfristig in folgenden vier Bereichen geworden:

1. Bahn fahren: Günstigere Fahrkarten im Fernverkehr

Wer mit ICE oder IC unterwegs ist, zahlt 15 Prozent weniger für sein Ticket als noch 2015. Der Bund als Eigentümer der Bahn hat mit verschiedenen Gesetzen die Fahrkarten erschwinglicher gemacht.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf den Fernverkehr wirkt am nachhaltigsten: Der Staat erhebt statt 19 Prozent nur noch 7 Prozent Steuern. Die Ersparnis hat die Deutsche Bahn an ihre Kundschaft weitergeben. Im Gegensatz zum Tankrabatt konnten Bahnreisende von der Ersparnis merklich profitieren – mit anhaltendem Effekt.

Im Zuge des Corona-Konjunkturpakets senkte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer ein weiteres Mal um 2 Punkte auf 5 Prozent. Allerdings galt diese Maßnahme nur vom Juli bis Dezember 2020.

Das 9-Euro-Ticket entlastet seit Juni Reisende in Regionalbahnen oder Bussen. Die rote Linie in der Grafik wird im Juni dadurch steil nach unten fallen. Damit steigen die Preise – zumindest vorübergehend – im Nahverkehr nicht weiter. Langfristig sind die Fahrkarten hier im Vergleich zu 2015 aber um fast ein Fünftel teurer geworden.

2. Elektronik: Hier sind die Preise am stärksten gesunken

Wer ein neues Handy oder eine neuen Fernseher benötigt, kann von sinkenden Preisen profitieren. Viele elektronische Geräte kosten nicht nur gleich viel wie vor einigen Jahren, einige sind merklich günstiger geworden. Speichermedien, Fernseher und Smartphones haben den größten Preissturz über die vergangenen Jahre erlebt. Sie kosten teilweise mehr als 30 Prozent weniger als vergleichbare Produkte Anfang 2015.

Im Einzelfall können die Ersparnisse sogar größer sein. Laut Daten des Vergleichsportals Geizhals sind die Kosten für identische USB-Sticks in Online-Shops um mehr als 60 Prozent gefallen. Bezahlte man Anfang 2015 für 64 Gigabyte Speicherplatz durchschnittlich mehr als 20 Euro, so kostet der selbe USB-Stick jetzt um die acht Euro. Speicherplatz ist mittlerweile billiger und auch die Nachfrage ist gesunken.

Generell profitieren Fernseher, Mobiltelefone oder externe Festplatten vom technischen Fortschritt. Geräte mit mehr Leistungen und Funktionen kosten heute teilweise weniger als ihre Vorgängermodelle. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt die Leistung eines Gerätes, wenn es Preisänderungen berechnet. Dadurch gilt der übliche Stand der Technik als Maßstab für die Kosten.

Die Corona–Pandemie hat den Kostensturz teilweise gestoppt. Lieferengpässe für elektronische Teile verteuern einige Produkte wieder. Der Preis für Handys ist im Vergleich zum Vorjahr wieder um etwa neun Prozent gestiegen, Festplatten kosten 15 Prozent mehr als im April 2021. Trotzdem sind sie im langjährigen Vergleich weiterhin billiger.

3. Kinderbetreuung: Ab drei Jahren ist es günstiger

Eltern zahlen in Deutschland durchschnittlich 20 Prozent weniger für die Kita – allerdings nur wenn ihre Kinder drei Jahre oder älter sind. Durch verschiedene Reformen der Bundesländer sind in den vergangenen Jahren die Kosten in der Altersgruppe gesunken.

Wie viel es kostet sein Kind in die Betreuung zu bringen, ist für jede Region unterschiedlich. Denn die Kommunen legen die Preise für die Kitas fest. Der 1. August 2018 bedeutete für Eltern von älteren Kindern eine deutliche Ersparnis bei den Kitagebühren – wenn sie im richtig Bundesland wohnten. In Niedersachsen und Hessen entfielen die Gebühren für die Betreuung in Kindergärten. Berlin ging zum selben Zeitpunkt einen Schritt weiter: Die Stadt machte die Tagesbetreuung für alle Altersklassen kostenlos.

Im folgendem Jahr haben dann gleich mehrere Maßnahmen die Kosten für Kinder in den Tagesstätten gesenkt. In Sachsen-Anhalt zahlen seit dem Januar 2019 Eltern nur für das älteste Kind in der Krippe oder im Kindergarten. Alle anderen Geschwisterkinder werden gebührenfrei betreut. Das Gute-Kita-Gesetz befreit ab dem Sommer 2019 Familien mit Sozialleistungen oder geringem Einkommen vollständig von Kitabeiträgen. Zusätzlich entfallen in Bremen seit August desselben Jahres für Kinder ab drei Jahren die Gebühren.

Zuletzt schaffte Mecklenburg–Vorpommern ab 2020 die Gebühren für die Betreuung in der Kita ab – unabhängig vom Alter des Kindes.

4. Ambulante Pflege: Pflegestufen senkten die Kosten

Gesetzlich Versicherte müssen 12,6 Prozent weniger für Pflegedienste ausgeben. Die Pflegereform im Jahr 2017 hat dafür gesorgt, dass die Kosten im Vergleich zum Jahresbeginn 2015 gesunken sind.

Das sogenannte Pflegestärkungsgesetz hat fünf Pflegestufen eingeführt. Laut Gesundheitsministerium konnten dadurch etwa 500.000 Menschen zum ersten Mal Geld beantragen. Im Zuge der Reform haben sich die Zuschüsse für alle Pflegestufen erhöht. Für die gesetzlich Versicherten bedeutete das eine Entlastung um etwa 40 Prozent.

Doch die Kosten für einen mobilen Pflegedienst steigen seitdem weiter – unabhängig ob eine Person privat oder gesetzlich versichert ist. Die Zuschüsse gleichen diesen Anstieg immer weniger aus. Seit der Reform sind die Gebühren um 25 Prozent gestiegen. Die blaue gestrichelte Linie zeigt vereinfacht den gleichen Anstieg ohne den Reformeffekt aus dem Jahr 2017.

Die Preise für privat Versicherte steigen parallel, wenn auch weniger stark. Ihnen fehlt der Kostenausgleich durch das Gesetz. Sie müssen eine Preissteigerung von fast 30 Prozent seit 2015 bezahlen.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.