Berlin. Spanien will der Verschwendung von Essensresten den Garaus machen – mit Gesetz und hohen Geldstrafen. Mallorca ist schon Vorreiter.

Spanien gehört zu den Ländern mit der größten Dichte von Kneipen und Gasthäusern in ganz Europa. Das hat auch damit zu tun, dass man die Freunde üblicherweise nicht zu Hause, sondern an der Theke oder am Restauranttisch trifft.

Auch Touristen wissen das reichhaltige gastronomische Angebot zu schätzen. Eine Paella, gegrillten Fisch oder Tapas auf einer netten Terrasse zu genießen, gehört zu jedem sommerlichen Urlaub auf Mallorca oder an der Mittelmeerküste dazu.

Spanien: Jedes Jahr landet tonnenweise Essen im Müll

Aber Spaniens berühmte und ausschweifende Essenskultur bringt auch ein großes Problem mit sich: die erhebliche Vergeudung von Lebensmitteln. Jedes Jahr landen tonnenweise frisch gekochte Speisen, die auf dem Teller im Restaurant zurückbleiben, im Mülleimer. Dieser Verschwendung will Spanien nun landesweit mit der Gesetzeskeule entgegensteuern.

Die Mitte-links-Regierung des sozialistischen Premiers Pedro Sánchez beschloss an diesem Dienstag eine Vorschrift, welche die Gastronomen dazu verpflichtet, ihren Gästen das Mitnehmen der Essensreste zu ermöglichen – und zwar kostenlos. Bisher haben nur wenige europäische Länder ähnlich weitreichende Bestimmungen.

Lebensmittelverschwendung: Künftig saftige Geldstrafen in Spanien

Bei Verstößen sieht das neue „Gesetz gegen die Lebensmittelverschwendung“, das noch vom Parlament gebilligt werden muss, Geldstrafen zwischen 2000 und 60.000 Euro vor. Zu den neuen Pflichten der Gastwirte soll dann auch gehören, dass sie ihre Gäste über die neue Bestimmung informieren müssen. Etwa so: „Wir packen Ihnen gerne Ihre Essensreste zum Mitnehmen ein.“ Entsprechende Hinweise müssen auf der Speisekarte oder auf Schildern im Gastraum ersichtlich sein.

Damit dies nicht zu Bergen von Plastikverpackungen führt, ist zudem vorgeschrieben, dass die angebotenen Essensbehälter aus biologisch abbaubaren Materialien bestehen. Aber natürlich kann sich der Gast auch seine eigene Tupperdose mitbringen, um seine Essensreste aus dem Restaurant am nächsten Tag in den eigenen vier Wänden verspeisen zu können.

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Reste im Restaurant einpacken: Gehört sich das?

Bisher konnte man in Spaniens Gasthäusern zwar auch schon den Kellner bitten, die Überbleibsel auf dem Teller einzupacken. Doch viele Restaurantkunden schämten sich, dies zu tun. Weil sie glaubten, dass sich das nicht gehört. Oder weil sie dachten, dass dies unter ihrer Würde sei. Auch stellten sich die Gastwirte manchmal quer mit der Ausrede: „Wir haben keine Behälter, um Essen einzupacken.“

Spaniens Verbraucherorganisationen fordern schon lange, die Rechte der Gäste zu stärken. „Nimm mit nach Hause, was übrigbleibt“, lautete eine Kampagne des spanischen Konsumentenverbandes OCU. „Es muss völlig normal sein, die Essensreste zu verwerten, und es muss zur Ausnahme gehören, dass wir sie wegwerfen“, erklären die Verbraucherschützer. Und: „Wir sollten uns nicht dafür schämen, dass wir die Reste mitnehmen, sondern vielmehr dafür, es nicht zu tun.“

Spanien will mehr Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln erreichen

Das findet auch Spaniens Ernährungsminister Luis Planas, der das Anti-Verschwendungsgesetz auf den Weg brachte. Sein Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der sich die nationale Preissteigerungsrate mit annähernd neun Prozent auf Rekordhöhe befindet. Eine Teuerung, die auch die Gastronomie trifft. Die Preise auf den Speisekarten sind um 10-20 Prozent gestiegen. Dieser Preisschock könnte nun helfen, das Bewusstsein zu schärfen. „Das teuerste Speiseprodukt ist jenes, das im Müll landet“, mahnt der Minister.

Er will mit seinem Gesetz nicht nur die Gastronomie dafür sensibilisieren, dass möglichst wenig weggeworfen wird, sondern es geht ihm um die gesamte Lebensmittelbranche. Auch die Fabrikanten und die Supermärkte werden zu einem nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln angehalten: Unverkäufliche Produkte dürfen künftig nicht mehr einfach im Müll landen. Stattdessen sollen sie über Lebensmittelbanken an Bedürftige verteilt werden.

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Weniger Essen wegwerfen – Mallorca ist bereits Vorreiter

„Dieses Gesetz will in der gesamten Kette der Lebensmittelverarbeitung vorbildliche Praktiken einführen, um Verschwendung zu vermeiden“, heißt es in der Begründung der Reform. Es gehe nicht nur darum, auf dem Weg der Nachhaltigkeit weiterzukommen. Vielmehr sei der Kampf gegen die Vernichtung von Lebensmitteln auch ein „ethisches Gebot“. Minister Planas erinnert daran, dass weltweit mindestens 800 Millionen Menschen Hunger leiden und weitere 1600 Millionen Ernährungsprobleme haben.

Die Urlaubsinsel Mallorca preschte übrigens schon vor Monaten mit einem ähnlichen Gesetz auf regionaler Ebene vor. Es verankerte für die Restaurantgäste auf der Insel bereits das Recht, ihre nicht verspeisten Reste mitzunehmen. Zwar maulten einige Wirte zunächst, dass ihnen diese Vorschrift Mehrarbeit und Extrakosten aufbürden würde. Aber inzwischen sind die Klagen verstummt. Denn der Mitnehmservice hat sich als wirkungsvolle Werbung erwiesen. Sodass inzwischen immer mehr Kellner freiwillig die Kunden fragen, ob sie die Essensreste mit heimnehmen wollen.

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Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.