Berlin. In immer mehr Bundesländern werden Fälle von Affenpocken gemeldet. Lesen Sie hier, wie weit das Virus in Deutschland verbreitet ist.

  • Die Viruserkrankung Affenpocken ist auch in Deutschland nachgewiesen worden
  • Die Zahl der bestätigten Fälle in Deutschland nimmt langsam, aber kontinuierlich zu
  • Erfahren Sie hier die wichtigsten Informationen zum Virus – und was Expertinnen und Experten sagen

Bis zu drei Wochen kann es dauern, bevor ein Infizierter die ersten Symptome entwickelt: So lange dauert die Inkubationszeit bei den Affenpocken. Drei lange Wochen – die erklären, warum viele Experten mit Sorge auf den aktuellen Virus-Ausbruch blicken. Bleibt es bei einigen hundert Fällen weltweit oder hat sich das Virus unentdeckt schon deutlich stärker verbreitet?

Der weltweite Ausbruch sei so ungewöhnlich, dass man sich Sorgen machen müsse, ob er so ablaufe wie frühere Affenpocken-Ausbrüche, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Montag in Genf. Es sei eher damit zu rechnen, dass sich Art und Weise der Verbreitung geändert haben könnten, "sodass wir jetzt schnell und hart reagieren müssen, um einen globalen Ausbruch wieder einzudämmen".

Affenpocken: Wie weit ist das Virus in Deutschland verbreitet?

In Deutschland wurden laut Robert Koch-Institut bis Dienstag fünf Fälle von Affenpocken gemeldet. Die Meldungen aus den Bundesländern überstiegen am Mittwochmorgen (25. Mai) allerdings diese Zahl. Die bekannten Fälle im Überblick.

Sehen Sie hier: So verbreiten sich die Affenpocken in Europa und weltweit

Teilweise sind Details zu den Fällen bekannt: So soll es sich etwa bei einigen Fällen um Reiserückkehrer gehandelt haben, unter anderem aus Spanien und Portugal.

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet noch eine deutliche Zunahme der Fälle: "Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist in Europa und auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen", heißt es in einem aktuellen Lagebericht, der dieser Redaktion vorliegt. Lesen Sie auch: Wie Affenpocken übertragen werden und was die Symptome sind

In zahlreichen Ländern seien mehr als 100 bestätigte Fälle und Verdachtsfälle nachgewiesen, "Tendenz täglich steigend". Bisher sei bei den in Europa festgestellten Infektionen die westafrikanische Affenpocken-Variante nachgewiesen worden. Diese Variante führt im Durchschnitt zu milderen Verläufen als die zentralafrikanische Variante.

Eine elektronenmikroskopische Aufnahme aus dem Jahr 2003 zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r) aus einer menschlichen Hautprobe.
Eine elektronenmikroskopische Aufnahme aus dem Jahr 2003 zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r) aus einer menschlichen Hautprobe. © dpa

Affenpocken: Neue Pandemie?

Trotz Ausbreitung sieht Bundesgesundheitsminister Lauterbach noch "nicht den Beginn einer neuen Pandemie". "Wir haben noch sehr gute Chancen, den Erreger zu stoppen - nicht nur in Deutschland, auch in Europa", sagte Lauterbach am Dienstag am Rande des Deutschen Ärztetages in Bremen.

Eine Gefährdung für die Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung in Deutschland werde nach derzeitigen Erkenntnissen als gering eingeschätzt, ergänzte der Präsident des RKI, Lothar Wieler. Dem RKI-Chef zufolge sind weltweit 177 Infektionen in 16 Ländern nachgewiesen.

Affenpocken: Wie kann man sich schützen?

Als einfachste Schutzmaßnahme gilt das Reduzieren von Körperkontakt: Affenpocken werden laut Experten in der Regel durch Körperflüssigkeiten wie Sperma, Speichel, Schorf oder andere Sekrete übertragen. Laut RKI ist auch eine Übertragung bei Face-to-Face-Kontakten möglich – durch ausgeschiedene Atemwegssekrete.

Was sind die Symptome von Affenpocken?

Die Inkubationszeit, die Zeit also zwischen Infektion und ersten Symptomen, ist laut RKI relativ lang – zwischen sieben und 21 Tagen. Zuerst kann sich die Krankheit mit den folgenden Anzeichen bemerkbar machen:

  • Fieber
  • Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen
  • geschwollene Lymphknoten

Einige Tage nach dem Auftreten von Fieber entwickeln sich die namensgebenden Pocken auf der Haut, die schließlich verkrusten und abfallen. Folgen einer überstandenen Infektion können Narben und selten auch Erblindung sein.

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    Affenpockenvirus: Wie gefährlich ist eine Infektion?

    Im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken verlaufen Affenpocken laut RKI in der Regel deutlich milder. Die meisten Menschen erholten sich innerhalb von mehreren Wochen. Das Affenpockenvirus (englisch: Monkeypox virus, kurz: MPXV) sei zudem deutlich schlechter übertragbar als das Corona-Virus SARS-COV-2, sagt Leif Erik Sander, Infektiologe an der Berliner Charité.

    In Einzelfällen sind auch tödliche Verläufe möglich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt an, dass die Anzahl tödlicher Infektionen mit Affenpocken in zuvor dokumentierten Ausbrüchen zwischen null und elf Prozent geschwankt habe. Kleinkinder oder Menschen mit Immunschwäche sind in der Vergangenheit auch schwer erkrankt. Bei Kindern unter 16 Jahren, die mit der zentralafrikanischen Virusvariante infiziert sind, beobachten Experten eine Fallzahl-Sterblichkeit von bis zu elf Prozent, bei der westafrikanischen liegt sie bei einem Prozent.

    "Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind, bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden", sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der infektiologischen Klinik des Münchner Krankenhauses, wo der bayerische Affenpocken-Patient behandelt wird.

    Affenpocken in der EU: Wie gefährlich sind sie wirklich?

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      Wer ist besonders betroffen?

      Bislang sind es vor allem Männer, die sexuelle Kontakte zu anderen Männern hatten. Übertragungsorte der in Deutschland bislang bekannt gewordenen Fälle seien Partys, unter anderem auf Gran Canaria in Spanien und in Berlin, so der Regierungsbericht. Das offenbar erhöhte Risiko in der schwulen Community ordnet Charité-Forscher Sander statistisch ein: "MPXV interessiert sich nicht für sexuelle Orientierung oder Geschlecht. Es geht nur um engen Körperkontakt mit möglichst vielen Menschen. Das ist alles."

      Minister Lauterbach erklärte, es gelte jetzt, die Risikogruppen ehrlich anzusprechen. Das sei zu ihrem Schutz und dürfe nicht falsch als Stigmatisierung verstanden werden. Der Minister appellierte an diejenigen, die anonymen Sex mit Männern gehabt haben, auf Hautveränderungen und Fieber zu achten und sich im Verdachtsfall schnell in medizinische Behandlung zu begeben.

      Lesen Sie auch: Affenpocken: Sind sie gefährlich für den Menschen?

      Wie reagiert die Bundesregierung?

      Charité-Experte Sander rät zur Vorsicht: "Der globale Affenpocken- Ausbruch ist sehr dynamisch. Wir wissen momentan noch zu wenig über die Infektionsketten und das Ausmaß des Ausbruchs. Daher sollten sich meines Erachtens auch alle engen Kontaktpersonen von Infizierten isolieren, um weitere Übertragungen bestmöglich zu verhindern", schrieb Sander auf Twitter.

      Und weiter: "Um den Ausbruch der Affenpocken und den Krankheitsverlauf besser zu verstehen, sollten meiner Meinung nach in dieser Phase, Infizierte in Zentren hospitalisiert werden um eine engmaschige und umfängliche virologisch, infektiologische Diagnostik und Informationsbündelung zu gewährleisten."

      Quarantäne und Isolation bei Affenpocken

      Lauterbach stellte am Dienstag "strenge RKI-Empfehlungen" vor, die zusammen mit den Bundesländern entwickelt worden seien. So sollen Betroffene und Kontaktpersonen wegen der langen Inkubationszeit des Virus mindestens 21 Tage in Isolation bleiben.

      Außerdem wurden nach seinen Worten prophylaktisch 40.000 Dosen eines in den USA zugelassenen Impfstoffes bestellt, der wirksam gegen eine Ansteckung hilft und in Deutschland "unmittelbar eingesetzt werden könnte".

      Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA setzte am Montag als empfohlene Quarantänezeit für enge Kontaktpersonen von Infizierten ebenfalls drei Wochen fest. Auch belgische Behörden ordnen eine 21-tägige Isolation für Infizierte an. Für Kontaktpersonen gilt dies nicht, ihnen wird zu besonderer Vorsicht geraten.

      Affenpockenvirus: Pockenimpfung schützt vermutlich

      "Eine Pockenimpfung schützt vermutlich auch vor Affenpocken", heißt es im Lagebericht des Ministeriums. In der Bundesrepublik war sie bis 1975 für einjährige Kleinkinder Pflicht, in der DDR wurde die Pflicht 1982 aufgehoben. Das heißt umgekehrt: Ein großer Teil der jüngeren Bevölkerung hat keinen Immunschutz gegen die Pocken. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, schlägt deswegen nun vor, ungeimpfte Bevölkerungsgruppen jetzt zügig gegen die Pocken zu impfen.

      Die Narbe einer Pockenimpfung.
      Die Narbe einer Pockenimpfung. © dpa

      Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben etwa 100 Millionen Dosen Pockenimpfstoff eingelagert. Davon seien zwei Millionen Dosen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gespendet und für sie eingelagert worden. Lauterbach erklärte am Montag, dass aktuell geprüft werde, "ob wir vielleicht Impfempfehlungen aussprechen müssen für besonders gefährdete Personen". (jule/fmg)

      Dieser Text erschien zuerst auf www.morgenpost.de