Turin. Sprechgesang und Händewaschen: Als Außenseiter startete Serbien in den Wettbewerb und mausert sich immer mehr zum Geheimfavoriten.

Eine Performance lang Händewaschen. Das plant die serbische Sängerin Konstrakta für ihren Auftritt beim zweiten Halbfinale des "Eurovision Song Contest" (ESC). Sie ist die wohl auffallendste Person beim diesjährigen Wettbewerb. Der "Tagesspiegel" titelte kürzlich erst "Serbiens Lady Gaga" über sie. Doch so richtig treffend ist das nicht.

Der Song, der teils auf Serbisch, teils in Latein geschrieben ist, soll die Angst offenbaren, die entsteht, wenn man alles im Leben der Gesundheit unterordnet, so die Sängerin. Wenn man deswegen immer wieder neue Produkte kauft, mit der Hoffnung auf ewige Gesundheit.

Um das zu untermauern, sitzt sie in einem weißen Jumpsuit auf der Bühne, der unweigerlich an einen Arztkittel erinnert. Vor sich eine Schüssel Wasser, daneben ein Stück Kernseife. Immer wieder reibt sie sich ihre Hände damit ein, dann klatscht sie fordernd in ihre Hände – unterstützt von einer handvoll Menschen, die in kuttenartiger Kleidung einen Kreis um sie beschreiben und fast schon bedrohlich mitklatschen. Ausschnitte davon sind schon öffentlich, kein anderer ESC-Song hat in den vergangenen Tagen so viel Aufmerksamkeit auf Tiktok & Co. bekommen.

Konstrakta für Serbien: Ein ESC-Song über die Gesundheit

In dem Song, den die 43-Jährige gemeinsam mit Milovan Bošković geschrieben hat, formuliert sie den Wunsch, ein vernünftiges Verhältnis zur Gesundheit zu bekommen. Mit dem Bewusstsein, dass die Gesundheit in den eigenen Händen liegt, aber Krankheit und schließlich der Tod mit weniger Angst akzeptiert werden. Denn wenn eine traurige Seele und ein schwacher Geist in einem gesunden Körper stecken, was bringt das dann? Mit dieser Frage endet der Song.

Serbien schickt Konstrakta mit
Serbien schickt Konstrakta mit "In corpore sano" zum ESC.

Der Titel "In corpore sano" ist eine Anspielung auf das lateinische Sprichwort "Mens sana in corpore sano", was übersetzt heißt: "Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper". Bereits am Anfang des Songs wird diese Weisheit rückwärts aufgesagt.

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Song aus Serbien: "In corpore sano" – der nächste Sommerhit?

Musikalisch gesehen kommt der Song gänzlich ohne Schnörkel aus. Manchmal ist es fast schon eine Art Sprechgesang, der seinen Höhepunkt im Chorus mit den Zeilen "Biti zdrava, biti zdrava Biti zdrava, biti-biti-biti-biti zdrava", übersetzt "gesund sein", findet. Dazu guckt Konstrakta provokativ in die Kamera und klatscht in die Hände.

Die Vorstellung, dass bald schon Menschen auf der Tanzfläche stehen und die sich immer wiederholenden Zeilen mitsingen, scheint nicht so abwegig wie einige Kritiker meinen, die ihr wenig Chancen beim Wettbewerb einräumen.

ESC 2022: Das sind die Kandidatinnen und Kandidaten

Für Deutschland tritt bei ESC 2022 Malik Harris mit seinem Song 
Für Deutschland tritt bei ESC 2022 Malik Harris mit seinem Song "Rockstars" an. © Britta Pedersen/dpa-POOL/dpa
Die albanische Kandidatin ist Ronela Hajati mit
Die albanische Kandidatin ist Ronela Hajati mit "Sekret". © EBU/Eurovision Song Contest
Für Armenien tritt Rosa Linn mit
Für Armenien tritt Rosa Linn mit "Snap" an. © Robert Koloyan/EBU/Eurovision Song Contest
Der australische Kandidat: Sheldon Riley singt
Der australische Kandidat: Sheldon Riley singt "Not The Same". © EBU/Eurovision Song Contest
LUM!X & Pia Maria repräsentierten beim ESC 2022 Österreich mit
LUM!X & Pia Maria repräsentierten beim ESC 2022 Österreich mit "Halo". © Felix Vrantny/EBU/Eurovision Song Contest
Vertritt Aserbaidschan: Nadir Rustamli mit
Vertritt Aserbaidschan: Nadir Rustamli mit "Fade To Black". © ICTIMAI TV/EBU/Eurovision Song Contest
Jérémie Makiese tritt mit
Jérémie Makiese tritt mit "Miss You" für Belgien an. © Henri Doyen/EBU/Eurovision Song Contest
Die bulgarische Band Intelligent Music Project nimmt mit
Die bulgarische Band Intelligent Music Project nimmt mit "Intention" teil. © Orlin Nikolov/EBU/Eurovision Song Contest
Mia Dimšić ist die Kandidatin aus Kroation. Sie tritt mit
Mia Dimšić ist die Kandidatin aus Kroation. Sie tritt mit "Guilty Pleasure" an. © Goran Čižmešija /EBU/Eurovision Song Contest
Zypern will sich den Sieg mit Andromache und
Zypern will sich den Sieg mit Andromache und "Ela" sichern. © Konstantino Maolas/EBU/Eurovision Song Contest
Tschechien tritt mit einer Band an: We Are Domi mit
Tschechien tritt mit einer Band an: We Are Domi mit "Lights Off". © Barbora Nosková/EBU/Eurovision Song Contest
Reddi mit
Reddi mit "The Show" will für Dänemark gewinnen. © Agnete Schlichtkrull/EBU/Eurovision Song Contest
Für Estland tritt Stefan mit
Für Estland tritt Stefan mit "Hope" an. © Ako Lehemets/EBU/Eurovision Song Contest
Die finnischen Kandidaten für den Eurovision Song Contest: The Rasmus mit
Die finnischen Kandidaten für den Eurovision Song Contest: The Rasmus mit "Jezebel". © Venla Shalin/EBU/Eurovision Song Contest
Auch für Frankreich tritt eine Band an: Alvan & Ahez mit
Auch für Frankreich tritt eine Band an: Alvan & Ahez mit "Fulenn". © Thomas Braut/EBU/Eurovision Song Contest
Die griechische Kandidatin Amanda Georgiadi Tenfjord mit
Die griechische Kandidatin Amanda Georgiadi Tenfjord mit "die toegther". © Kostas Karydas/EBU/Eurovision Song Contest
Andrea Koevska, auch bekannt nur unter ihrem Vornamen Andrea, ist eine nordmazedonische Sängerin. Beim ESC singt sie
Andrea Koevska, auch bekannt nur unter ihrem Vornamen Andrea, ist eine nordmazedonische Sängerin. Beim ESC singt sie "Circles". © Martin Trajanovski/EBU/Eurovision Song Contest
Brooke Scullion wird Irland mit dem Lied
Brooke Scullion wird Irland mit dem Lied "That's Rich" vertreten. © Ruth Medjber/EBU/Eurovision Song Contest
Chanel Terrero Martínez wird Spanien mit dem Lied
Chanel Terrero Martínez wird Spanien mit dem Lied "SloMo" vertreten. © TVE/EBU/Eurovision Song Contest
Die Band Circus Mircus treten mit
Die Band Circus Mircus treten mit "Lock Me In" für Georgien an. © EBU/Eurovision Song Contest
Citi Zēni singen
Citi Zēni singen "Eat Your Salad" für Lettland. © Citi Zēni/EBU/Eurovision Song Contest
Cornelia Jakobs singt
Cornelia Jakobs singt "Hold Me Closer" für Schweden. © SVT/EBU/Eurovision Song Contest
Achille Lauro ist die Stimme für San Marino. Er geht mit dem Punkrock-Song
Achille Lauro ist die Stimme für San Marino. Er geht mit dem Punkrock-Song "Stripper" ins Rennen. © Luca D'Amelio/EBU/Eurovision Song Contest
Mahmood & Blanco singen
Mahmood & Blanco singen "Brividi" für Italien. © Giulia Bersani/EBU/Eurovision Song Contest
Marius Bear singt
Marius Bear singt "Boys Do Cry" für die Schweiz. © SRF/EBU/Eurovision Song Contest
Michael Ben David tritt mit
Michael Ben David tritt mit "I.M" für Israel an. © Shahar Arbiv/EBU/Eurovision Song Contest
Portugal wählt
Portugal wählt "Saudade saudade" von Maro für den Wettbewerb. © Joey Schultz/EBU/Eurovision Song Contest
 Emma Muscat singt
Emma Muscat singt "I Am What I Am" für Malta. © Matthew B. Spiteri/EBU/Eurovision Song Contest
Kalush Orchestra  tritt mit
Kalush Orchestra tritt mit "Stefania" für die Ukraine an. © Maxim Fesenko/EBU/Eurovision Song Contest
Serbien schickt Konstrakta mit
Serbien schickt Konstrakta mit "In corpore sano" zum ESC. © Kosta Đurakovic/EBU/Eurovision Song Contest
Die Nachwuchsband LPS geht mit
Die Nachwuchsband LPS geht mit "Disko" ins Rennen für Slowenien. © RTV Slovenia/EBU/Eurovision Song Contest
Tiktok-Star Sam Ryder singt beim ESC für Großbritannien
Tiktok-Star Sam Ryder singt beim ESC für Großbritannien "Space Man". © Parlophone Music/EBU/Eurovision Song Contest
Litauen schickt Monika Liu mi dem Lied
Litauen schickt Monika Liu mi dem Lied "Sentimentai" zum Eurovision Song Contest. © Monika Liu/EBU/Eurovision Song Contest
Moldavien schickt die Band Zdob şi Zdub & Fraţii Advahov mit dem Lied
Moldavien schickt die Band Zdob şi Zdub & Fraţii Advahov mit dem Lied "Trenuleţul" ins Rennen. © Zdob şi Zdub/EBU/Eurovision Song Contest
Norwegen geht mit dem Lied
Norwegen geht mit dem Lied "Give That Wolf A Banana" von Subwoolfer ins Rennen. © NRK/EBU/Eurovision Song Contest
Die Schweszern Systur treten mit
Die Schweszern Systur treten mit "Með hækkandi sól" für Island auf. © RÚV/EBU/Eurovision Song Contest
Vladana singt
Vladana singt "Breathe" für Montenegro. © Aleksandra Jovic/EBU/Eurovision Song Contest
Für Rumänien geht WRS mit
Für Rumänien geht WRS mit "Llámame" ins Rennen. © Vlad Adrei/EBU/Eurovision Song Contest
Ochman soll Polen mit
Ochman soll Polen mit "River" ins Finale führen. © Slawomir Kuchanski/EBU/Eurovision Song Contest
Niederlande schicken S10 mit
Niederlande schicken S10 mit "De Diepte" zum ESC. © Marie Wynants/EBU/Eurovision Song Contest
Die Band Citi Zēni tritt beim Eurovision Song Contest 2022 für Lettland an.
Die Band Citi Zēni tritt beim Eurovision Song Contest 2022 für Lettland an. © IMAGO / ANP
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Genauso eifrig versuchen sie sich in der Deutung des Textes. Manche meinen, Kritik an einer kranken Gesellschaft zu hören. Andere vielmehr am Gesundheitssystem des Landes und wieder andere sehen sich an die Politiker aus dem Balkan erinnert, die ihre Hände in Unschuld waschen. "Jeder sollte sich selbst auswählen, was er heraushören mag", sagt die Sängerin dazu – eine Freiheit, die den Song zu einer Spielwiese der Interpretationen macht. Genau das ist die Qualität dieses Beitrags. Und damit so viel mehr, als ein dahingesagtes "Po-po-po-po-po-pokerface".

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Serbien im ESC: Ein durchschnittlich erfolgreiches Land

Konstrakta heißt bürgerlich Ana Đurić und wurde in Belgrad geboren. Eigentlich arbeitet sie als Architektin, genau wie ihr Mann, mit dem sie zwei Kinder großzieht. Erst seit 2019 veröffentlicht sie als Solo-Künstlerin Musik. Davor war sie vor allen Dingen mit der Band Mistakemistake und der Reggae- und R'n'B-Gruppe Zemlja Gruva unterwegs.

Obwohl Serbien schon lange beim ESC dabei ist, verzeichnet der Balkanstaat offiziell erst wenige Teilnahmen. Als Teil Jugoslawiens reicht die ESC-Geschichte Serbiens bis ins Jahr 1961 zurück. Damit war Titos Jugoslawien das einzige Land aus dem östlichen Europa, das bereits vor der politischen Wende am Eurovision Song Contest teilnahm und nicht an der Konkurrenzveranstaltung, der Intervision. Als unabhängiges Land ist Serbien seit 2007 dabei – und heimste mit Marija Šerifović gleich einen Sieg ein.

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Insgesamt landeten fünf von zwölf Beiträgen in der linken Tabellenhälfte unter den Top 13. Neben dem Sieg konnte Serbien einmal Platz 3 erreichen. Dreimal verpasste das Land knapp das Finale und landete bisher noch nie auf einem der letzten Plätze. Damit zählt Serbien zu den durchschnittlich erfolgreichen Teilnehmern im Wettbewerb.

Dieser Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.