Berlin. Sinti und Roma beklagen eine Ungleichbehandlung unter den Flüchtlingen aus der Ukraine. Ein Vorfall in Mannheim schlägt hohe Wellen.

„Welcome to Germany“ – so beginnt ein Post der Bahnhofshelferin Natice Orhan-Daibel auf Facebook. Pure Ironie, gallige Ironie.

Denn die Gruppe von sieben bis acht Erwachsenen plus Kleinkinder und ein Baby, allesamt Flüchtlinge aus der Ukraine, fühlt sich an diesem Tag auf dem Mannheimer Hauptbahnhof alles andere als willkommen. Ihr wird der Zugang zur DB Lounge versperrt, wo sich die Reisende nach Ankunft setzen und sammeln können, wo es Getränke und Snacks gibt.

Der Sicherheitsdienst rückt einschüchternd mit einem Dobermann an, bald auch die Bundespolizei. Die Menschen werden für Sinti und Roma gehalten, gewissermaßen für Trittbrettfahrer, die sich Leistungen erschleichen, die für andere gedacht sind.

Sinti und Roma: Flüchtlinge zweiter Klasse?

Es sind Sinti und Roma – und ebenso Geflüchtete aus der Ukraine. Der Mitarbeiter der Deutschen Bahn hat sich vor Ort längst persönlich entschuldigt. Ein Bahnsprecher bedauerte gegenüber unserer Redaktion, dass es zu "Missverständnissen" gekommen sei.

Aber der Vorfall im "Rückzugsraum" des Mannheimer Hauptbahnhofes schlägt auch nach einer Woche Wellen, vielleicht mehr denn je. Zum einen war es nach der Darstellung des Zentralrats der Sinti und Roma kein Einzelfall. Zum anderen will man den Anfängen wehren.

Sinti und Roma: Bahnchef Lutz ist gefordert

Denn in der Ukraine leben schätzungsweise bis zu 400.000 Sinti und Roma, die nach der russischen Invasion auch auf der Flucht sind. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, hat um ein Gespräch mit Bahnchef Richard Lutz gebeten. Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, neu im Amt, wurde auf den Plan gerufen.

Die Ungleichbehandlung bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sei völlig inakzeptabel. Ein ähnlicher Vorfall sei vom Hauptbahnhof in Berlin berichtet worden. "Der Zentralrat hat daher die begründete Sorge, dass es sich hier nicht einen Einzelfall handelt, sondern, dass die Ungleichbehandlung von Geflüchteten durch Mitarbeiter der DB-Sicherheit System hat", so Romani Rose. Das weist die DB zurück.

Daimagüler: Flüchtlinge zweiter Klasse?

Daimagüler sagte unserer Redaktion, "die Roma-Community erwartet zurecht Aufklärung." Er habe den Eindruck, dass auch die Bahn daran interessiert sei. Er bekomme Hinweise von verschiedenen Orten, "dass Roma-Flüchtlinge anders behandelt werden, schlechter als andere Geflüchtete."

Es gebe solche Hinweise aus der Ukraine selbst. "Aber es gab auch Vorfälle bei der Einreise, wo diese Menschen wie Flüchtlinge zweiter Klasse behandelt wurden", sagte der Beauftragte der Bundesregierung. Man müsse diesen Verdachtsfällen nachgehen. Daimagüler: "Die Roma-Flüchtlinge aus der Ukraine wollen nicht besser behandelt werden als alle anderen." Aber auch nicht schlechter.

Große Roma-Community in Lemberg

Helferin Orhan-Daibel war es, die mit dem aufgebrachten nächtlichen Facebook-Post auf den Fall aufmerksam machte. Für sie waren die "sofort erkennbar" als Geflüchtete, wie sie dem "Mannheimer Morgen" erzählte: an der Sprache, am vielen Gepäck, an den übermüdeten Gesichtern, den fragenden Blicken. Sie waren die in einer Chatgruppe angekündigten Flüchtlinge aus dem ukrainischen Lemberg. "Dort gibt es eine große Roma-Community", weiß Orhan-Daibel.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de