Amsterdam. Amsterdam will berühmte Schaufenster im Rotlichtviertel schließen und Prostituierte an den Stadtrand abschieben. Frauen wehren sich.

Die Männer schieben sich durch dunkle Gassen, vorbei an Sexshops und Cannabisläden. Immer wieder bleiben sie stehen, starren in die von roten Neonröhren erleuchteten Schaufenster, hinter denen Frauen in Reizwäsche sitzen und darauf warten, dass einer reinkommt.

In den kleinen, gekachelten Zimmern stehen eine Pritsche und eine Ablage mit Küchentüchern und Kondomen. Eine Viertelstunde kostet 50 Euro.

Die Wallen, das Amsterdamer Rotlichtviertel, sind die wohl älteste und bekannteste Amüsiermeile Europas. Etwa 7000 sogenannte Sexarbeiterinnen bieten dort ihre körpernahen Dienstleistungen an, Millionen Touristen kommen Jahr für Jahr in die 800.000-Einwohner-Stadt, in der Sex und Drogen so verfügbar sind wie in München Weißbier und Leberkäse.

Doch damit ist bald Schluss: Die niederländische Hauptstadt hat genug von pöbelnden und kiffenden Jungmännertrupps. Das mit dem Amsterdamer Hafen im 13. Jahrhundert entstandene Viertel wird Schritt für Schritt verkleinert – und soll schließlich vom Stadtplan verschwinden. Mehr zum Thema:Amsterdam führt jetzt eine Obergrenze für Touristen ein

Amsterdam plant Großbordell am Stadtrand – aber nicht für Touristen

Endlich, findet jedenfalls Femke Hal­sema. Die 55-Jährige Grünen-Politikerin ist Amsterdams Bürgermeisterin und hat der Prostitution im Schatten von Oude Kerk und Van-Gogh-Museum den Kampf angesagt. „Wir wollen die Innenstadt verändern“, verkündet sie. „Auf den Wallen wimmelte es bisher von Gaffern und Partytouristen.“

Die Wallen in Amsterdam: Etwa 7000 Frauen bieten hinter den Schaufenstern ihre Dienste an, beschaut von unzähligen Jungmännertrupps.
Die Wallen in Amsterdam: Etwa 7000 Frauen bieten hinter den Schaufenstern ihre Dienste an, beschaut von unzähligen Jungmännertrupps. © picture alliance/dpa

Sie will die knapp 300 Rotlichtfenster nach und nach schließen und die Prostituierten am Stadtrand ansiedeln. Und zwar in einem Laufhaus, das sie „Erotikzentrum“ nennt und das erst gebaut werden muss. Noch vor dem Sommer, verspricht Halsema, werde der Stadtrat Gespräche mit geeigneten Standorten führen.

Sie träumt von einem Amsterdam, in das „waardevolle bezoeker“ (wertvolle Touristen) wegen der ehrwürdigen Kultur, der prächtigen Grachten und der einladenden Straßenbistros kommen. Und nicht, um ins Bordell zu gehen. Auch interessant: Nach dem Lockdown: Amsterdam kämpft gegen Party-Horden

Amsterdams Prostituierte fühlen sich ausgegrenzt

Was Halsema den Applaus zahlreicher, sich nach Ruhe sehender Anwohner einbringt, treibt die betroffenen Frauen auf die Barrikaden. Sie fühlen sich ausgegrenzt – und fürchten um ihre Existenz, denn am Stadtrand sollen sie nur noch niederländische Kunden bedienen, keine Touristen mehr. Dabei seien die ihre wichtigste Einnahme­quelle.

Eine, die sich für die Frauen einsetzt, ist Felicia Anna. Die Mittdreißigerin stammt aus Rumänien, vor mehr als zehn Jahren kam sie nach Amsterdam, um dort ihren Körper anzubieten. Mittlerweile engagiert sie sich für Red Light United, die Interessengemeinschaft der Fensterprostituierten, deren Vorsitzende sie ist.

Tagsüber wirkt der Rotlichtbezirk fast wie ein normales Viertel. So soll es immer sein, wünschen sich viele Amsterdamer.
Tagsüber wirkt der Rotlichtbezirk fast wie ein normales Viertel. So soll es immer sein, wünschen sich viele Amsterdamer. © picture alliance / ANP | Remko De Waal

Sie berichtet von einer Umfrage: „Nur sieben Prozent der Sexarbeiterinnen wollen in so einem Zentrum arbeiten“, so Anna. „Die meisten wollen nicht weg aus den Fenstern auf den Wallen. Sie haben sich bewusst für diese Art der Prostitution entschieden.“ Sie befürchtet, dass viele in die Illegalität getrieben werden, wenn sie von den Touristenströmen abgeschnitten sind. Lesen Sie hier: Warum Niederlande-Prinzessin Amalia auf Millionen verzichtet

Unerwartete Hilfe erhält Anna von braven Bürgern aus den südlichen Vororten. Dort könnte das 5000 Quadratmeter umfassende Großbordell entstehen. Was viele Nachbarn wiederum ablehnen. „Da bekomme ich ein komisches Gefühl im Magen“, klagt die Anwohnerin Mireille Westfa, die eine Petition gegen die Ansiedlung ins Leben gerufen hat, gegenüber dem Radiosender NH.

Felicia Anna freut’s. Solange es das Zentrum nicht gibt, darf sie in der Innenstadt bleiben.