Berlin. Das RKI wird zum einsamen Rufer: Ein Bundesland will das Ende der Pandemie erklären, obwohl die Corona-Gefährdung wegen BA.2 hoch ist.

Etwa fünf Millionen Bürger leiden derzeit an akuten Erkrankungen der Atemwege. Zu den mehr als 1,5 Millionen neuen Corona-Fällen zwischen dem 14. und 20. März kommt laut Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) hinzu, dass "zunehmend häufiger" Influenzaviren gemeldet werden, vor allem bei Kindern in Alter von fünf bis 14 Jahren.

Und so ist die Lage paradox: Während zum 2. April die meisten Corona-Auflagen wegfallen und mit Baden-Württemberg das erste Bundesland offiziell das Ende der Pandemie einläuten will, herrscht weiter ein "sehr hoher" Covid-Infektionsdruck, so das RKI.

Es macht dafür zwei Gründe aus: Einerseits "Lockerungen und Verhaltensänderungen". Die Deutschen werden nachlässiger, derweil andererseits der hochansteckende Omikron-Subtyp BA.2 das Infektionsgeschehen treibt. Sein Anteil beträgt 72 Prozent, nach zuvor rund 64 Prozent. Der Anteil aller anderen Varianten liegt unter einem Prozent.

RKI: Entwicklung hängt vom Verhalten der Bürger ab

Auf die Politik setzen die Virologen nicht. "Der weitere Verlauf der Pandemie hängt davon ab, ob sich größere Teile der Bevölkerung weiterhin verantwortungsbewusst verhalten beziehungsweise in welchem Umfang mögliche infektionsrelevante Kontakte zunehmen", heißt es im Wochenbericht.

In allen Altersgruppen sind die Sieben-Tage-Inzidenzen gestiegen, insbesondere stark bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch die Zahl der Arztbesuche wegen Corona nimmt zu, bei den über 80-Jährigen außerdem die schweren Krankheitsverläufe. Das RKI schätzt die Gefährdung durch Covid-19 "insgesamt als sehr hoch ein".

Impfung schützt kaum vor Omikron-Ansteckung

Ein Phänomen, das auch in anderen Ländern mit der Omikron-Variante beobachtet werde, ist die "verminderte Effektivität" der Impfung im Vergleich zu früheren Mutationen und ein "mit der Zeit weiter nachlassender Schutz" gegenüber einer symptomatischen Infektion. Aber: Es bleibt bei einem hohen Schutz der Impfstoffe vor schweren Verläufen. Deshalb betont das RKI, "die Impfung hat aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit gegenüber einem schweren Verlauf auch bei Erkrankungen durch die Omikron-Variante nicht an Bedeutung verloren“.

Das RKR rief Risikogruppen und ältere Menschen (ab 70) auf, sich mit einer zweiten Auffrischimpfung zu schützen. Allein, hochgerechnet rund 7,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Altersgruppe 18-59 Jahre und rund 2,2 Millionen in der Altersgruppe ab 60 Jahre sind noch gar nicht geimpft.

RKI: Wer geimpft ist, wird seltener zum Krankenhausfall

In der geimpften Bevölkerung lag die Inzidenz der hospitalisierten Fälle deutlich unter der Inzidenz der ungeimpften Bevölkerung. "Dabei lassen sich für die Bevölkerung mit Auffrischimpfung noch niedrigere Inzidenzen als für die grundimmunisierte Bevölkerung beobachten."

Die geschätzte Effektivität der Auffrischimpfung in Hinblick auf eine Krankenhauseinweisung beziffert das RKI für die als besonders gefährdet geltenden Menschen ab 60 Jahren mit 87 Prozent. Bei lediglich einer Grundimmunisierung betrage sie in dieser Altersgruppe 75 Prozent.

Ende der Pandemie: Corona wie eine Grippe?

Derweil wurde Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgefordert, Ende April die endemische Phase zu erklären. Im Klartext: Das Ende der Pandemie. Corona wäre dann auf einer Stufe mit der Grippe,.

Ende April sei auch die Saison der Atemwegserkrankungen vorbei, erinnerte die baden-württembergische Sozialministerin Manne Lucha (Grüne) in einem Schreiben. Die vermutlichen Folgen: Keine Tests und keine Quarantäne. Im Ländle" will man schon Anfang April auch das Impfangebot herunterfahren – wegen fehlender Nachfrage.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de