Madrid. In Spanien wächst die Zahl der streikenden LKW-Fahrer weiter. Der Massenstreik führt auch in Feriengebieten zu einer Versorgungskrise.

Erst waren es nur ein paar hundert Brummi-Fahrer, die wegen der horrenden Treibstoffpreise damit begannen, Autobahnen, Innenstädte, Häfen und Großmärkte zu blockieren. Das war Mitte März. Spaniens Regierung sprach damals von einer „kleinen Minderheit“ von Transporteuren.

Doch mit jedem Tag wächst die Zahl der streikenden LKW-Fahrer, die wegen der hohen Treibstoffpreise auf die Barrikaden gehen. Inzwischen ist es ein Massenstreik, der zu einer großen Versorgungskrise führte – auch in den Feriengebieten. Immer mehr Geschäftsregale bleiben leer.

Mehrere Lebensmittelfabriken mussten bereits schließen, weil notwendige Rohstoffe nicht mehr angeliefert werden. Oder weil fertige und verderbliche Produkte nicht mehr zu den Verbrauchermärkten transportiert werden können. Deswegen werden zum Beispiel Milch und Joghurt in Spanien knapp.

Spanien: Tiere müssen wohl notgeschlachtet werden

Etliche große Molkereien stoppten die Produktion. Das hat fatale Folgen für die Milchbauern: „Wir müssen die Milch wegschütten, weil niemand kommt, um sie abzuholen“, klagt der Landwirt Roberto López im spanischen Fernsehen.

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Mineralwasserkonzerne und Bierbrauereien kündigten eine Einstellung des Betriebes an. Mangels Flaschen und Getränkekartons kann nicht mehr abgefüllt werden. Die Viehzüchter bereiten sich auf Notschlachtungen vor, weil für ihre Tiere kein Futter mehr ankommt.

In den Automobilwerken von VW und Mercedes stehen die Fließbänder mittlerweile ebenfalls still. Auf vielen Baustellen geht der Beton aus, weil die Zementfabriken keinen Nachschub mehr schicken können. Auch mehrere Stahlwerke hielten die Produktion an.

Millionen Kilo Bananen landen auf den Kanaren im Müll

Die sich zuspitzende Krise trifft die Urlaubshochburgen Mallorca und Kanaren besonders heftig. Denn die Spediteure blockieren die Fährhäfen, sodass viele Waren für die Inseln nicht mehr verschifft werden können. Die Handelskammer Mallorcas warnte, dass es bereits „ernsthafte Probleme“ bei der Versorgung des mallorquinischen Urlaubsparadieses gebe, besonders bei verderblichen Lebensmitteln und Grundstoffen für die Produktion in den Inselfabriken.

Auf den Kanaren sieht es ähnlich aus. Dort kommt ein weiteres Problem hinzu: Mehrere Millionen Kilo von kanarischen Bananen, das wichtigste Exportprodukt dieser Vulkaninseln, können nicht ausgeliefert werden und werden wohl die nächsten Tage auf der Müllhalde landen.

Vergleichbare Probleme haben die Erdbeerbauern in Südspanien, die normalerweise Supermärkte in ganz Europa beliefern und nun auf großen Teilen ihrer Produktion sitzen bleiben. März ist Hochsaison auf den andalusischen Erdbeerplantagen, auf denen in diesen Tagen Zehntausende von Tonnen an verderblichen Früchten abgeerntet werden müssen.

Versorgungskrise wird durch Hamsterkäufe angeheizt

Zwar versucht die Polizei, „sichere Versorgungskorridore“ zu organisieren, indem sie LKW-Konvois durchs ganze Land eskortiert. Doch dies scheint den wachsenden Versorgungsnotstand nur geringfügig lindern zu können. Sodass inzwischen sogar schon Rufe nach dem Einsatz des Militärs laut werden, um eine Grundversorgung des Landes aufrechtzuhalten.

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Die Sorge in der spanischen Bevölkerung, in den nächsten Tagen oder Wochen ohne Nahrungsmittel dazustehen, führt zu immer mehr Hamsterkäufen. Landwirtschaftsminister Luis Planas rief die Menschen deswegen auf, Ruhe zu bewahren und die Krise nicht durch Panikkäufe anzuheizen.

Spaniens Regierung kommt durch den sich täglich verschärfenden Streik immer mehr unter Druck. Denn nicht nur die Spediteure, sondern auch Taxi- und Busunternehmen sowie Fischer und Landwirte fordern inzwischen staatliche Treibstoffhilfen.

Hohe Inflation verschärft die Preisspirale weiter

In der Bevölkerung wächst ebenfalls der Ärger angesichts der hohen Benzin- und Dieselpreise, die zum Beispiel vielen Berufspendlern zu schaffen machen. Hinzu kommt in Spanien eine bedenkliche Jahresinflationsrate von 7,6 Prozent, welche die Preisspirale für Güter des täglichen Bedarfs in die Höhe treibt.

Ein erstes Antikrisenpaket in Höhe von 500 Millionen Euro, mit dem die Regierung Direkthilfen für die Transportbranche anbietet, wurde von den streikenden Brummifahrern als nicht ausreichend bezeichnet. Sie fordern zusätzlich die Senkung von Mehrwert- und Treibstoffsteuern, was die Regierung bisher ablehnt.

Ein Ende des Ausstandes ist somit noch nicht absehbar. Die Tourismusbranche warnt derweil davor, dass der LKW-Streik die nahende Osterferiensaison in Gefahr bringe, da auch den Hotels und Restaurants der Nachschub ausgehen könnte.