Berlin. Bayern schert aus: CSU-Ministerpräsident Söder setzt die einrichtungsbezogene Impfpflicht aus. Ist die Regelung damit gescheitert?

Die Welle des Widerstands wächst seit Wochen: Viele Bundesländer wollen die Impfpflicht für Pflegekräfte am liebsten abschwächen, verschieben oder ganz kippen. Der Protest begann vor Ort in den Pflegeheimen und Gesundheitsämtern, erreichte die Landkreise und am Ende den Bundesgesundheitsminister: Karl Lauterbach (SPD) aber will trotz des Protests am Start der Impfpflicht zum 15. März festhalten. Bis Montag sah es so aus, als würden alle 16 Länder zähneknirschend mitmachen. Dann kam das Nein aus München.

Bayern hat sich nun als erstes Land für einen Alleingang entschieden. CSU-Ministerpräsident Markus Söder erklärte, sein Land werde die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht zu Mitte März umsetzen. Es werde „großzügigste Übergangsregelungen“ geben, was „de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft“, sagte der CSU-Vorsitzende. „Für wie viele Monate wird man dann sehen“, fügte er hinzu.

Die CDU fordert von der Bundesregierung nun gar eine bundesweite Aussetzung der geplanten Impfpflicht für Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Das sei die „ganz einhellige Meinung von Präsidium und Bundesvorstand der CDU“ in digitalen Sitzungen am Montag gewesen, sagte Parteichef Friedrich Merz bei der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz in Saarbrücken. Es habe sich nach Beratungen gezeigt: „Die Regierung lässt die Einrichtungen und lässt die Beschäftigten mit den Folgen dieser Impfpflicht völlig allein“, sagte Merz.

Die Gesundheitsämter sollen in jedem Einzelfall entscheiden

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht vor, dass die Beschäftigten bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Dieses kann dann ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung aussprechen.

Entschieden werden soll aber im Einzelfall und immer mit Blick auf die Personallage in der jeweiligen Einrichtung. Da die Personaldecke vielerorts dünn ist, dürften also viele ungeimpfte Beschäftigte voraussichtlich erstmal weiterarbeiten können. Kritiker der Regelung hatten unter anderem deswegen argumentiert, dass es klüger sei, auf die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zu warten. Lauterbach aber beharrte auf dem Starttermin 15. März. Er ließ es auf den Machtkampf mit den Ländern ankommen.

Die Entscheidung der bayrischen Landesregierung zur Aussetzung der Impfpflicht für Pflegekräfte stieß am Montag auf massive Kritik und Kopfschütteln: „Die Impfpflicht, die eingeführt wurde, weil zu wenig Pflegekräfte geimpft sind, wird also ausgesetzt, weil zu wenig Pflegekräfte geimpft sind?“ fragte die Bochumer Gesundheitsrechts-Expertin Andrea Kießling auf Twitter und spielte damit auf die Sorge vor Personalengpässen an. Auch Lauterbach meldete sich zu Wort: Laxe Vollzugsregeln der Impfpflicht könnten das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden.

Pflegebeauftragte warnt vor Alleingängen der Bundesländer

Kritik übte auch die neue Pflegebeauftragte der Bundesregierung: „Ich warne vor Alleingängen einzelner Bundesländer bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“, sagte die SPD-Politikerin Claudia Moll dieser Redaktion. Die Impfquote unter Pflegekräften sei insgesamt hoch. „Aber wenn es nach mir ginge, sollte jeder geimpft sein“, so Moll. Sie halte daher auch eine allgemeine Impfpflicht ab 18 für richtig. „Damit hätten wir auch die leidige Diskussion um die Pflegekräfte beendet.“

Offen ist, ob sich noch weitere Länder dem bayrischen Vorbild anschließen. Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne, will in jedem Fall an der bundesweit einheitlichen Umsetzung der Impfpflicht für Pflegekräfte festhalten: „Wir werden das Gesetz zum 16. März realisieren“, sagte Grimm-Benne dieser Redaktion. „Wer jetzt die gemeinsam beschlossene Impfpflicht in Frage stellt, setzt die Glaubwürdigkeit von Politik aufs Spiel.“ In der Gesundheitsministerkonferenz hätten sich alle Länder, auch Bayern, für eine einheitliche Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausgesprochen, so die SPD-Politikerin.

Der Städte- und Gemeindebund dagegen äußerte Verständnis für den bayrischen Kurs: „Man sollte die Impfpflicht nicht grundsätzlich in Frage stellen, aber in begründeten Ausnahmefällen kann eine zeitliche Streckung geboten sein“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es gebe erhebliche regionale Unterschiede: „Während Sozialeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen bei Ihrem Personal teilweise eine Impfquote von 97 Prozent melden, sieht dies offenbar bei vielen Einrichtungen in Bayern anders aus“, sagte Landsberg. „Entsprechendes dürfte wohl auch für einige ostdeutsche Bundesländer gelten.“ Die Schwierigkeiten seien nicht nur vorhersehbar gewesen, sondern auch „eine Mahnung, bei einer möglichen allgemeinen Impfpflicht vorab genau festzulegen, wie der Vollzug, die Umsetzung und die Kontrollen geregelt werden“.