Berlin. Immer häufiger berichten Corona-Patienten Monate nach ihrer Genesung von Problemen mit Haarausfall. Was bisher darüber bekannt ist.

Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, leidet oft nicht nur akut an der Erkrankung. Vor allem die Spätfolgen der Krankheit machen vielen zu schaffen, auch den Patientinnen und Patienten, die nur einen milden oder gar symptomlosen Verlauf durchgemacht haben.

Dabei muss es nicht immer um Long Covid gehen: Eine Corona-Infektion hat Auswirkungen auf den gesamten Körper, inklusive der Organe und Gefäße. Das führt unter anderem dazu, dass bei einer zunehmenden Anzahl von Patienten die Haarwurzeln leiden. Ein paar Monate nach der Genesung kann bei Corona-Infizierten deshalb Haarausfall auftreten. Das hat inzwischen auch die American Academy of Dermatology Association (AAD) offiziell festgestellt.

Experte: Haarausfall ist typische Corona-Folge

"Der Haarausfall ist eine typische Folge der Corona-Erkrankung. Wir beobachten aber auch Ähnliches nach der Impfung gegen das Virus", erklärt Reza P. Azar, der seit 17 Jahren Haartransplantationen durchführt und sich auf den Bereich der Haarausfalldiagnostik und -therapie spezialisiert hat und in Berlin praktiziert. Viele seiner Patienten litten darunter, vorerst falsche Diagnosen erhalten zu haben. Oft werde der Zusammenhang zwischen Haarausfall und der vorangegangenen Belastung des Immunsystems nicht gesehen.

Dabei ähneln die Haarausfall-Muster bei Covid-Erkrankungen diesen typischen Erscheinungsbildern:

  • Diffuser Haarausfall: Sichtbare Kopfhaut, dünnes Haar – beim diffusen Haarausfall fällt über das gesamte Kopfhaar hinweg Haar aus
  • Kreisrunder Haarausfall: Es entstehen kahle Stellen auf dem Kopf – oder an anderen behaarten Körperregionen
  • Vernarbende Alopezien: Es entstehen teilweise schwere entzündliche Areale, an denen Haare ausfallen

Die genannten Haarausfall-Muster können auch in Kombination auftreten. Scheinbar hängt der Schweregrad des Corona-Verlaufs dabei nicht unbedingt mit der Haarmenge, die man verliert, zusammen. Laut Experten setzt der Haarausfall meist sechs bis acht Wochen nach der Infektion ein.

Die Symptome seien unterschiedlich, einige Patienten würden nach der Krankheit oder der Impfung auch unter starken Hautirritationen leiden. "Einige Patienten verlieren 300 bis 400 Haare am Tag mindestens– innerhalb von wenigen Wochen fehlt ihnen so fast die Hälfte ihrer Kopfhaare", beschreibt Azar das Krankheitsbild der Covid-Patienten in seiner Praxis.

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Corona-Infektion: Wie kommt es zum Haarausfall?

Doch was ist die Ursache für den Haarausfall nach der Covid-Erkrankung? Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei ersten medizinischen Annahmen zufolge um eine Reaktion des Körpers auf die starke Belastung durch die Erkrankung. So erklärte Dr. Thorben Royeck von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Bonn kürzlich in einem Pressegespräch, dass die Erkrankung wahrscheinlich zur Entwicklung eines sogenannten telogenen Effluviums führe.

Das bedeutet, dass das Haar von der Wachstumsphase in die Ausfallphase (Telogene Phase) wechselt. Ursache dafür könnte laut mehrerer Experten sein, dass sich durch die Covid-Erkrankung auch Gefäßveränderungen an den Haarwurzeln ergeben. Diese werden dann nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt.

Den Haaren fehlt damit der Treibstoff, Blutversorgung und Verankerung werden schwächer. Dadurch fällt das Haar zwar nicht direkt aus, löst sich aber in einem langsamen Prozess ab. Dieser Vorgang kann bis zu sechs Monaten dauern.

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Haarausfall nach Corona: Was Patienten helfen kann

„Die Symptomatik des Haarausfalls beginnt in der Regel erst Monate nach der eigentlichen Covid-Erkrankung. Dieser zeitliche Verzug löst bei Patienten verständlich Panik aus, da die eigentliche Erkrankung eigentlich schon überwunden wurde“, so Royeck.

Bisher gibt es nur wenige Studiendaten zu dem Thema. Immer häufiger berichten insbesondere aber auch Männer über Haarprobleme nach der Corona-Impfung. Inwiefern es hier tatsächlich eine Korrelation gibt, ist aber bisher nicht untersucht worden.

Der Haarausfall ist aber höchstwahrscheinlich, wie bei jedem telogenen Effluvium, reversibel – man brauche aber Geduld. Denn nachdem sich die Haare gelöst haben, müssen sie erst einmal komplett neu nachwachsen.

Antihaarausfall-Shampoos oder -Lotionen sind daher keine Heilsbringer. Bei der Behandlung müsste der Fokus auf einer anti-entzündlichen Therapie liegen, so der Experte Azar. Die Einnahme von Kortison helfe aber nicht allen Patienten, deshalb arbeite er eher mit speziellen Injektionen. Der Spezialist empfiehlt zur Behandlung des covid-bedingten Haarausfall unter anderem eine Blutplasmatherapie (PRP).

(fmg)