Berlin . Zuletzt tauchen vermehrt Jobgesuche von „ungeimpften Krankenschwestern“ oder Pflegern auf. Es gibt Hinweise auf politisches Kalkül.

Es ist eine Anzeige, wie sie derzeit dutzendfach auf dem Stellenportal des „Oberlausitzer Kuriers“ erscheinen: „Krankenschwester Anne, ungeimpft, muss sich wegen Impfpflicht neues Beschäftigungsfeld suchen.“ Dazu eine Telefonnummer, die mit 0815 endet. Wer dort anruft, hört eine Stimme vom Band: „Die gewählte Nummer ist nicht vergeben.“ Das Stellengesuch: ein Fake.

Lesen Sie auch: Die Argumente der Impfgegner – und wo sie falsch liegen

In den vergangenen Tagen sind in mehreren Lokalzeitungen vor allem im Osten und Süden Anzeigen geschaltet worden. So verzeichnete der „Fränkische Tag“ mehr als 50 Gesuche am Sonnabend. Die Sprache ähnlich, oft mit Verweis auf die anstehende Impfpflicht. Auch auf der Internetplattform Ebay Kleinanzeigen finden sich Stellengesuche. Ist das eine gesteuerte Aktion von Impfgegnern?

Lesen Sie auch: Droht ungeimpften Pflegekräften die Kündigung?

Die Corona-Impfpflicht für Personal in Kliniken, Arztpraxen sowie Alten- und Pflegeheimen ist beschlossen. Sie gilt ab Mitte März. Wer Krankenpfleger, Ärztin oder Köchin in einem Krankenhaus ist, muss bis dahin die vollständige Corona-Impfung beim Arbeitgeber nachweisen, sonst schaltet sich das Gesundheitsamt ein. Es droht ein Arbeitsverbot.

Stellengesuche: Eine angebliche Pflegekraft hinterlässt die Nummer „0160-1234567890“

Laut Fachverbänden sind bundesweit die Impfquoten unter Beschäftigten im Gesundheitswesen hoch, laut Schätzungen bei etwa 90 Prozent. Allerdings regional unterschiedlich: in Sachsen und Thüringen, aber auch im Süden niedriger. Impfgegner machen dort mobil. Gerade im Osten steuern oft Rechte den Protest.

Lesen Sie mehr: Droht der Kollaps in der Pflege? Tausende Fachkräfte steigen aus

Nun legen eigene Recherchen und Berichte von Journalisten nahe, dass viele der Stellengesuche nicht echt sind – sondern vielmehr Teil einer Strategie, um Stimmung zu machen gegen die Impfpflicht. Das Ziel: Angst schüren vor einem Kollaps des Gesundheitswesens, wenn zahlreich Pflegepersonal per Impfpflicht aus den Kliniken gedrängt würde. Schon jetzt ist das System am Limit.

In der Redaktion des „Fränkischen Tags“ heißt es auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa: „Diese Häufung von sich ähnelnden Inseraten ist ungewöhnlich. Das wirkte auf den ersten Blick fast wie abgesprochen.“ Auch interessant: FDP-Politiker will Impfpflicht – unter einer Bedingung

Inserate auf Ebay: Kontaktaufnahme mit vermeintlichen Pflegekräften scheitert

Auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) berichtete am Wochenende über „mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche“ in dem Bautzener Anzeigenblatt. rbb-Journalist An­dreas Rausch hat nach eigenen Angaben einige der 126 Annoncen-Aufgeber angerufen. Manche Nummern seien unvollständig oder wie die „0160-1234567890“ nicht vergeben. Oder es gehe niemand ans Telefon.

Es sind Erfahrungen, die sich mit unseren Recherchen decken. Mehrere Versuche scheitern, mit Absendern der Stellengesuche ins Gespräch zu kommen. Oftmals geht niemand ran, ruft niemand zurück. Knapp ein Dutzend Anfragen bei Ebay bleibt ohne Reaktion. Der „Fränkische Tag“ berichtete, in einer Bamberger Chatgruppe von Gegnern der Corona-Maßnahmen seien ungeimpfte Pflegekräfte dazu aufgerufen worden, die Zeitung mit Stellenanzeigen zu „fluten“. Auch im Messengerdienst Telegram lassen sich laut einem Bericht von t-online vereinzelt Aufrufe finden.

Einzelne Pflegekräfte melden sich, berichten von ihren Vorbehalten gegen eine Corona-Impfung. Ein junger Intensivpfleger aus Wuppertal, der sich nicht impfen lassen möchte und schon eine Corona-Infektion „gut“ überstanden habe. Lesen Sie hier: Corona-Impfpflicht: Diese Möglichkeiten werden diskutiert

Eine Krankenschwester aus Bautzen schickt ihre Examensurkunde

Eine Krankenschwester aus Bautzen schickt eine geschwärzte Examensurkunde, die ihre eigene von 1994 sei, und erzählt, dass die Stellenanzeigen „real“ seien und dass das Personal mit dem Schalten der Jobgesuche „ein Zeichen“ gegen die Impfpflicht habe setzen wollen. „Das betrifft nicht wenige“, sagt die Frau am Telefon. Warum man viele aber nicht erreiche? Die Krankenschwester sagt, es hätten Mitarbeiter „auch aus Selbstschutz“ nicht die richtige Telefonnummer bei den Stellengesuchen angegeben. Aus Angst vor Reaktionen – etwa vom Arbeitgeber oder von Nachbarn.

In Teilen ist nun ein Kampf um die Pflegekräfte ausgebrochen: Ein Personalvermittler, der auf Ebay Kleinanzeigen Pflegekräfte und Ärzte in die Schweiz abwerben will, richtet sich auch an Ungeimpfte. Denn dort gibt es keine Impfpflicht – und auch keine Debatte darum. Im Landkreis Göppingen in Baden-Württemberg dagegen will man nun gezielt für Impfungen unter Klinikpersonal werben. Von den dort gut 2800 Mitarbeitern der stationären Pflege sind 400 nicht geimpft.