Peking. Der Corona-Ausbruch in Xian ist der größte seit 21 Monaten. Experten zweifeln an der Wirkung des chinesischen Impfstoffs gegen Omikron.

Der Covid-19-Aktionismus der chinesischen Behörden kennt keine Grenzen: Während aus der Provinzhauptstadt Xian sämtliche Privatfahrzeuge verbannt wurden, kurven nur noch massive Tanklaster durch die gespenstisch leeren Straßen. Sie versprühen riesige Mengen Desinfektionsmittel in den abendlichen Himmel. Das gesamte Stadtgebiet soll mit einer Schutzschicht gegen das Virus überzogen werden.

Seit rund einer Woche bereits ist die 13-Millionen-Metropole in Nordwestchina vollständig abgeriegelt. Es ist der größte Lockdown seit Beginn der Pandemie in Wuhan: Die Verkehrsverbindungen in andere Landesteile wurden gekappt, nicht essenzielle Geschäfte geschlossen und sämtliche Bewohner mehrfach durchgetestet. Nur eine Person pro Haushalt darf jeden dritten Tag auf die Straße, um die notwendigsten Lebensmittel einzukaufen.

Corona in China: Sorge vor Omikron wächst

Seit Anfang Dezember haben sich über 800 Chinesen in Xian angesteckt, allein am Dienstag meldeten die Behörden 175 neue Fälle. Im internationalen Vergleich mutet das überaus wenig an, doch für China ist es der höchste Tageswert seit dem März 2020. Im Vergleich zur ersten Welle in Wuhan kommt es in Xian jedoch zu keiner Panikstimmung. Dafür sind die Behörden in ihrem epidemiologischen Kampf inzwischen zu eingespielt und die Bevölkerung an die radikalen Maßnahmen gewöhnt.

Dennoch lassen sich auf Chinas Medien etliche Hilferufe von eingesperrten Bewohnern finden: Sie behaupten, dass wichtige Versorgungslieferungen nicht zu ihnen durchkämen und die Gemüsevorrate allmählich knapp würden. Andere Nutzer wiederum tun dies als infame Gerüchte ab, um die Bevölkerung gegen Chinas Viruskampf aufzustacheln. „Gebt den ausländischen Medien kein Messer in die Hand, um unser Land schlecht darzustellen“, lautet ein bezeichnender Kommentar auf der Online-Plattform Weibo.

Drosten: Impfstoff in China hat schlechte Wirksamkeit gegen Omikron

Viele Beobachter haben wenig Zweifel daran, dass es den Behörden erneut gelingen wird, den Ausbruch in einigen Wochen unter Kontrolle zu bringen. Dennoch bleibt die Frage: Hilft das Lockdown-Instrumentarium auch gegen die noch deutlich infektiösere Omikron-Variante? Erst kürzlich hatte Virologe Christian Drosten China als seine „größte Sorge“ bezeichnet: „Natürlich kommt Omikron auch dorthin. Und der Impfstoff, der dort verwendet wurde, hat eine schlechte Wirksamkeit gegen diese Variante. Das ist eine echte Gefahr, auch für die Weltwirtschaft.“

Auch Leif Eric Sander, Infektiologe an der Berliner Charité, warnt vor zu hohen Erwartungen an den chinesischen Wirkstoff: “Die chinesischen Impfstoffe helfen schon nicht besonders gut gegen die Delta-Variante“, meint der Impfstoffexperte. Für die neue Omikron-Variante gelte das vermutlich erst recht.

Bislang haben Chinas Gesundheitsbehörden erst eine Handvoll Omikron-Fälle bestätigt, die allesamt unter Einreisenden festgestellt wurden. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die neue Virusvariante auch die chinesische Bevölkerung erreicht. Dann bliebe den Autoritäten angesichts der kaum wirkenden Vakzine wohl erneut nur der Lockdown-Hammer übrig.

Forscher der Universität Hongkong haben erst letzte Woche behauptet, dass auch drei Injektionen des chinesischen Impfstoffs Sinovac nicht ausreichend Infektionsschutz bieten würden. „Es ist wichtig, die Wirksamkeit der Impfstoffe auch im Feld weiter zu überwachen“, sagt Malik Pieris, Professor für Virologie an der Universität Hongkong. Noch handele es sich um keine endgültigen Daten.