Berlin. Der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz und sein nominierter Generalsekretär Mario Czaja sagen, wie sie zurück in die Regierung wollen.

Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder Helge Braun – an diesem Freitag um 14 Uhr gibt die CDU bekannt, wen die Parteibasis als Nachfolger des gescheiterten CDU-Vorsitzenden Armin Laschet haben möchte. Kommt keiner der Bewerber über 50 Prozent, gibt es eine zweite Abstimmungsrunde.

Im Doppelinterview mit unserer Redaktion sagen Merz und sein nominierter Generalsekretär Mario Czaja, wie sie nach einem Erfolg die Weichen stellen wollen – und wer um seinen Posten bangen muss.

Herr Merz, würden Sie wetten, dass Sie die Mitgliederbefragung gewinnen – und doch noch CDU-Vorsitzender werden?

Friedrich Merz: Nein, aber ich hoffe es natürlich. Wir werden vermutlich auch eine hohe Wahlbeteiligung von deutlich über 50 Prozent haben, das ist ein gutes Zeichen. Aber Gewissheit haben wir erst am Freitag.

Fällt die Entscheidung in der ersten Abstimmungsrunde?

Merz: Bei drei Bewerbern ist das eher unwahrscheinlich, Aber ausgeschlossen ist es auch nicht.

Ist dieser dritte Versuch, die Führung der CDU zu übernehmen, ihr letzter?

Merz: Definitiv ja.

Wohin wollen Sie die CDU führen? Zurück in die Zukunft?

Merz: Ich will die CDU tatsächlich in die Zukunft führen, aber ohne Umweg über die Vergangenheit. Die entscheidende Frage wird dabei sein: Haben Volksparteien, wie wir sie kennen, auch im 21. Jahrhundert noch ihre Berechtigung? Den Anspruch und Wunsch haben wir. Ob wir das realisieren können, steht auf einem anderen Blatt. Mario Czaja und ich sind uns einig, dass diese Herausforderung angesichts einer sich weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft eher größer wird.

Friedrich Merz: „Ich will keine Ein-Personen-Partei, sondern viele Persönlichkeiten, die für Themen stehen.“
Friedrich Merz: „Ich will keine Ein-Personen-Partei, sondern viele Persönlichkeiten, die für Themen stehen.“ © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Herr Czaja, sind Sie - als ehemaliger Berliner Sozialsenator - das soziale Gewissen von Friedrich Merz?

Czaja: Ich stehe für Sozialpolitik und ostdeutsche Herkunft, bin aber Teil eines sehr breiten Angebots von Friedrich Merz. Wir treten als Team an, zusammen mit Christina Stumpp als stellvertretende Generalsekretärin. Das ist das breiteste Angebot, das die CDU bekommen kann.

Reicht dieses Angebot, um wieder mehr Frauen für die Union zu gewinnen?

Czaja: Wir werden viele Frauen mit unterschiedlichen Erfahrungen im Bundesvorstand haben. Durch die Themensetzung und strukturelle Veränderungen in der Parteiarbeit wollen wir gerade auch für Frauen wieder attraktiver werden. Ich bin mir sicher: Die CDU wird künftig viel weiblicher sein, als das bisher der Fall ist.

Wird die CDU mit Merz und Czaja an der Spitze auch konservativer?

Merz: Die CDU wird von einer breiten Führungsmannschaft getragen. Ich will keine Ein-Personen-Partei, sondern viele Persönlichkeiten, die für Themen stehen. Damit kehren wir zu einem Erfolgsrezept der CDU zurück, das einmal lautete: Wir besetzen bestimmte Themen mit konkreten Personen - und die sind in hohem Maße glaubwürdig und authentisch. Daran haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig gearbeitet, das will ich deutlich verbessern. Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich vom ersten Tag an darüber nachdenken muss, wer diejenigen sind, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren folgen.

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Wie wollen Sie Großstädte für die CDU zurückerobern?

Czaja: Wir müssen noch klarer die Sorgen und Probleme der Menschen ansprechen und uns um sie kümmern. Vertrauen wird gerade in den Städten über wirklich handelnde Personen gewonnen, weil die Bindung an Parteien nachlässt.

Merz: Die CDU kann Großstadt. Mario Czaja hat bei der Bundestagswahl gezeigt, wie man in Berlin einen Wahlkreis gewinnt. Das ist für mich ein Motiv gewesen, ihn in dieses Amt berufen zu wollen.

Herr Czaja, teilen Sie die Analyse von Friedrich Merz, die CDU sei denkfaul geworden?

Czaja: Ja. Parteien in Regierungsverantwortung neigen dazu, sich eher auf den Regierungsapparat zu verlassen als auf das eigene strategische Denken und Arbeiten. Opposition hat viele Nachteile, aber unbestritten einen Vorteil: Man kann an den eigenen Themen und Gestaltungsvorhaben arbeiten. Opposition ist eine Zeit, um nachzudenken und Konzepte zu entwickeln.

Machen Sie sich schon Gedanken, wie Sie eine Kanzler-Kampagne für Merz organisieren?

Czaja: Zunächst machen wir uns Gedanken, wie wir die nächsten zwei Jahre angehen und für die CDU positiv im Sinne eines Aufbruchs gestalten. Wir müssen die vielfältigen Kompetenzen und Talente der Partei identifizieren und stärker einbeziehen. Außerdem haben wir im kommenden Jahr vier wichtige Landtagswahlen zu bestreiten.

Sie weichen aus. Ist der nächste CDU-Vorsitzende nicht der natürliche Kanzlerkandidat der Union?

Merz: Der Parteivorsitzende der CDU muss jederzeit in der Lage sein, das Amt des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen. Aber wir müssen als Partei erst einmal in die Nähe eines plausiblen Anspruchs kommen, dieses Amt nach der nächsten Bundestagswahl zu übernehmen. Jetzt geht es darum, die CDU neu aufzustellen.

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Fällt bei der Wahl des CDU-Chefs auch keine Vorentscheidung über die Kanzlerkandidatur?

Merz: Nein. Das gebietet auch der Respekt vor der CSU. Denn über diese Frage entscheidet die CDU nicht allein, und wir entscheiden sie auch nicht in den nächsten beiden Jahren.

Auf welche Weise wollen Sie den Kanzlerkandidaten küren? Sollen wieder die Mitgliedern befragt werden?

Merz: Ich werde mich im Fall meiner Wahl mit Markus Söder über einige strukturelle Fragen unterhalten. Zur Kanzlerkandidatur sollten wir einen Entscheidungsmechanismus oder vielleicht eine Institution von CDU und CSU zusätzlich zur Bundestagsfraktion finden. Denn die Bundestagsfraktion repräsentiert die Wahlkreise, was fehlt sind die beiden Parteien. In jedem Fall müssen die beiden Präsidien von CDU und CSU enger zusammenarbeiten.

Mario Czaja: „Opposition ist eine Zeit, um nachzudenken und Konzepte zu entwickeln.“
Mario Czaja: „Opposition ist eine Zeit, um nachzudenken und Konzepte zu entwickeln.“ © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Und die Mitglieder?

Merz: Eine Mitgliederentscheidung in solchen Personalfragen wird wahrscheinlich die Ausnahme bleiben. Wir wollen die Basis aber in Sachfragen stärker beteiligen.

Gilt Ihr Satz noch, wonach Partei- und Fraktionsvorsitz in eine Hand gehören?

Merz: Dass der Vorsitz der CDU und die Führung der Unionsfraktion in einer Hand liegen sollten, ist ein prinzipieller Satz, der gilt.

Kann sich der amtierende Fraktionschef Ralph Brinkhaus einen neuen Job suchen, wenn Sie Parteichef werden?

Merz: Ich denke über dieses Thema im Augenblick wirklich nicht nach. Diese Frage steht gegenwärtig nicht auf der Tagesordnung.

Ihr Verhältnis zu Brinkhaus ist nicht das beste. Überliefert ist ein lautstarker Streit in der Fraktion, bei dem Sie ein Glas mit Orangensaft auf den Tisch geknallt haben sollen.

Merz: Dass da mal eine Orangensaftflasche auf den Tisch gefallen ist, ändert nichts an unserem gegenseitigen Vertrauensverhältnis. Ralph Brinkhaus und ich kommen gut klar.

Angela Merkel sagt, Olaf Scholz als Kanzler lasse sie ‚ruhig schlafen’. Geht es Ihnen genauso?

Merz: Wir haben einen geordneten, friedlichen und auch in der Form weitgehend gelungenen Regierungswechsel erlebt. Das kann man selbst für die westlichen Demokratien nicht mehr ausnahmslos feststellen. Dies ist zunächst einmal ein Ausweis dafür, dass unser Staat funktioniert. Ob diese Regierung den Anforderungen der Zukunft auch gerecht wird, das muss man sehen.

Wie konstruktiv wird sich die Union in der Opposition verhalten?

Czaja: Wir sehen unsere Aufgabe als stärkste Oppositionsfraktion, im Parlament eine konstruktive Rolle einzunehmen – und auf Fehler hinzuweisen, wo es notwendig ist. Das dann gern auch deutlich und – wenn erforderlich – zugespitzt.

Die Ampel will eine ganze Reihe gesellschaftlicher Reformen auf den Weg bringen, die Ihnen nicht gefallen dürften – von der Absenkung des Wahlalters über die Freigabe von Cannabis bis zur Liberalisierung des Staatsbürgerschaftsrechts. Welche dieser Vorhaben wollen Sie blockieren?

Merz: Wir warten erst einmal, was aus diesem Koalitionsvertrag in praktische Politik umgesetzt wird. Für einige Entscheidungen braucht die Regierung uns – etwa bei der Herabsetzung des Wahlalters auf 16, die eine Grundgesetzänderung erfordern würde. Ich kann mir offen gestanden nicht vorstellen, dass wir das mitmachen. Aber jetzt ist erst einmal die Regierung am Zug, dann schauen wir uns die Argumente an.

Gehört zu Ihrem Oppositionsverständnis, einen eigenen Kandidaten – oder eine Kandidatin - für das höchste Staatsamt aufzustellen? Oder unterstützen Sie eine zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier?

Merz: Wir haben Respekt vor dem Amt und vor dem Amtsinhaber. Dieser Respekt gebietet es, nicht zur Unzeit über diese Frage zu spekulieren. Die Bundesversammlung findet statt am 13. Februar, und wir sind in dieser Bundesversammlung die größte Fraktion. Wir kennen unsere Verantwortung, wir werden rechtzeitig intern mit der CSU beraten und machen dann einen Vorschlag.