Berlin. Unter den SPD-Ministern finden sich alte und neue Gesichter. Bald-Kanzler Scholz setzt auf eine Mischung aus Erfahrung und Begabung.

Olaf Scholz wirkt hochzufrieden, als er am Montagvormittag seine Ministerinnen und Minister mit SPD-Parteibuch präsentiert. Nicht nur ist die Namensliste bis zuletzt geheim geblieben, dem künftigen Bundeskanzler ist auch die ein oder andere Überraschung gelungen. Im Vorfeld war viel über die Balance zwischen Frauen und Männern, Gesichter aus dem Osten des Landes oder die Repräsentation von Migranten diskutiert worden.

Scholz hat diese Debatten genau wahrgenommen. Sich aber nur zum Teil danach gerichtet. Als wenige Minuten vor Beginn der Pressekonferenz unter den im Willy-Brandt-Haus anwesenden Journalisten die Namen der künftigen Ministerinnen und Minister der SPD die Runde machten, ist die Berufung von Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister das eine Ausrufezeichen.

In der SPD-Parteizentrale in Berlin stellte der designierte Kanzler Olaf Scholz die sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister vor.
In der SPD-Parteizentrale in Berlin stellte der designierte Kanzler Olaf Scholz die sozialdemokratischen Ministerinnen und Minister vor. © AFP | ODD ANDERSEN

Einen weiteren Namen hatten wohl die meisten vorher gar nicht auf dem Zettel: Nancy Faeser. Scholz kündigt sie an, als „eine Frau, die etwas ganz Besonderes werden soll, nämlich die erste Innenministerin der Bundesrepublik Deutschland“. Die 51-Jährige kommt aus Hessen, wo sie die Landespartei und die SPD-Fraktion im Wiesbadener Landtag führt. Auf Bundesebene ist sie noch weitgehend unbekannt. Faeser gilt damit als Überraschung in dem Regierungsteam von Olaf Scholz.

Allerdings hat diese Überraschung eine Vorgeschichte, in der SPD zählt Faeser seit geraumer Zeit als Kandidatin für Höheres. Sie gehörte während der Koalitionsverhandlungen zum Team der SPD für den Bereich Flucht, Migration und Integration. Erste Gespräche über einen Wechsel nach Berlin seien von der SPD-Spitze schon vor Wochen mit Faeser geführt worden, heißt es. Für einen Posten in Berlin war sie schon einmal im Gespräch, als die damalige Justizministerin Katarina Barley 2019 als Europaabgeordnete nach Brüssel wechselte.

Wer das Gesicht des Ostens in Scholz’ Team werden soll

Das Justizministerium übernahm damals Christine Lambrecht. Spätestens seit diese gegen Ende der Legislaturperiode zusätzlich das Familienministerium von der in die Berliner Landespolitik gewechselten Franziska Giffey schulterte, erwarb sie sich den Ruf als Allzweckwaffe. Eigentlich wollte Lambrecht die Politik verlassen, kandidierte nicht mehr für den Bundestag.

Mit dem SPD-Wahlsieg galt sie als mögliche Innenministerin so gut wie gesetzt. Der designierte Kanzler bot ihr aber nicht das nun von Faeser besetzte Innenressort an – sondern das Verteidigungsministerium. „Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen“, sagte Scholz nicht ohne Stolz. Lambrecht selbst räumte ein, dass ihre Nominierung als Verteidigungsministerin für viele sicherlich eine Überraschung sei. Sie sehe darin aber einen „großen Vertrauensbeweis und eine Herausforderung“.

Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass Lambrecht bewiesen hat, dass sie nicht nur ein, sondern gleich zwei Ministerien im Griff haben kann. „Das ist eine der ganz, ganz großen Kompetenzen, über die man verfügen muss, wenn man das Verteidigungsressort leiten will“, sagte Scholz.

Das Verteidigungsministerium mit seiner Zuständigkeit für die mehr als 180.000 Soldaten ist ein schwer zu führender Riesenapparat. Hinzu kommen die ständigen Skandale um rechte Tendenzen in der Truppe oder das leidige Dauerthema, dass Panzer nicht rollen, Flugzeuge nicht fliegen und Gewehre nicht schießen. Scholz ist jedoch überzeugt, dass er mit Lambrecht die richtige Wahl getroffen hat.

Das Gesicht des Ostens in seiner Regierungsmannschaft ist die SPD-Vizevorsitzende Klara Geywitz. Mit ihr holt Scholz eine Vertraute in sein Team, die beiden traten 2019 gemeinsam als Duo für den SPD-Vorsitz an, mussten sich aber bekanntlich geschlagen geben. Erfahrung als Ministerin auf Landes- oder Bundesebene bringt die 45-Jährige nicht mit. Nun soll sie das für die SPD so wichtige neue Bauministerium übernehmen. „Klara Geywitz ist für mich eine der ganz talentierten Politikerinnen dieses Landes“, begründete Scholz ihre Berufung.

Ein bisheriger Minister geht leer aus

Aus der scheidenden Ministerriege der SPD übernimmt Scholz zu dem das „Schlachtross“ Hubertus Heil, der Arbeitsminister bleibt. Die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze bekommt das Ressort für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In der SPD wurde am Montag die Deutung zurückgewiesen, dass Schulze mit ihrer neuen Aufgabe einen Trostpreis bekommen habe. Von den bisherigen SPD-Ministern geht somit nur Außenminister Heiko Maas leer aus.

Einwände, dass Scholz zu wenig Ostdeutsche und keine Vertreter mit Migrationshintergrund berufen hat, wollte die SPD am Montag nicht gelten lassen. Es seien schließlich noch die Posten der parlamentarischen Staatssekretäre zu besetzen, hieß es. Und die von Scholz versprochene Parität von Männern und Frauen im Kabinett? Die kommt nur Zustande, wenn sich der Kanzler in der Rechnung selbst nicht mitzählt.