Berlin. Spahn kündigte „Höchstbestellmengen“ für den Biontech-Impfstoff an, daraufhin gab es Kritik: Ärzte rebellieren gegen die Begrenzung.

Deutschlands Kinder- und Jugendärzte protestieren gegen die Begrenzung von Biontech-Lieferungen an ihre Praxen und erheben massive Vorwürfe gegen den geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). In einer am Sonntag verabschiedeten Resolution fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) von Spahn eine sofortige Rücknahme der Auslieferungsbeschränkungen für den Biontech-Impfstoff.

Praxen sollen laut einer Vorgabe des Gesundheitsministeriums vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Bestellungen von Moderna soll es keine Höchstgrenzen geben. Bis Jahresende gebe es mit insgesamt rund 24 Millionen Dosen von Biontech und 26 Millionen von Moderna genug Impfstoff für alle. Das Bundesgesundheitsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff angekündigt, damit das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen vermehrt zum Einsatz kommt.

Ärzte: Biontech-Begrenzung verhindert Impfung von Kindern

Spahns Beschluss verhindere die Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen, da die Ständige Impfkommission (Stiko) für sie ausschließlich Biontech empfehle, heißt es laut einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ in dem Papier.

In einem Moment, in dem die Corona-Impfkampagne Fahrt aufnehme, werde die Impfbereitschaft der Menschen durch Spahns Entscheidung wieder gemindert. „Offensichtlich hat der Bundesgesundheitsminister den Kontakt zur Basis völlig verloren“, kritisiert der Verband. Die Praxen hätten keine Ressourcen, die bereits geplanten Impfsprechstunden neu zu organisieren.

Biontech-Begrenzung: Kritik von Kassenärzten an Spahns Plan

Die Kritik an Plänen des Gesundheitsministeriums, Bestellobergrenzen für Biontech-Impfstoff festzulegen, wird damit immer lauter. Mehrere Bundesländer und Ärztevertreter wehren sich dagegen, zumal der Impfstoff von Moderna für Menschen unter 30 Jahren in Deutschland nicht mehr empfohlen wird, ebenso nicht für Schwangere. Die Booster-Impfungen nehmen inzwischen Fahrt auf, es wird befürchtet, dass die Biontech-Deckelung das ausbremsen könnte.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin sieht die Impfkampagne gegen Covid-19 durch die von Spahn angekündigte begrenzte Auslieferung von Biontech-Impfstoff „massiv behindert“. KV-Vorstandschef Burkhard Ruppert erwartet nach Angaben vom Sonntag „massive organisatorische Komplikationen in den Praxen, Terminverschiebungen und hohen Beratungsbedarf bei den Patienten, wenn nicht wie geplant Biontech, sondern Moderna verimpft werden muss. So wird die ohnehin schon schwierige Impfsituation weiter erschwert.“ Die KV fordere „klar und eindeutig“, die Impfstoffe zu liefern, die in den Praxen bestellt wurden.

Aus Sicht von Christiane Wessel, Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Berlin, wird die mit viel Aufwand wieder hochgefahrene Impfkampagne in der Praxis so nicht mehr möglich sein. Bei den Anmeldungen über Onlinesysteme lasse sich die Impfhistorie für den richtigen Impfstoff nicht nachvollziehen. „Das heißt, hinterher telefonieren, was kostbare Zeit raubt.“

Befürchtet wird auch, dass Menschen, die schon Auffrischungsimpfungen mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen eine Impfung mit dem Vakzin von Moderna angeboten wird, und dass in den Praxen durch viele Nachfragen und Umbuchungen deutliche Mehrarbeit entsteht.

Umstellung bedeute Stress für Arztpraxen und Impfzentren

Haus- und Fachärzte erhöhten ihre Kapazitäten, man steuere in der nächsten Woche auf einen Impfrekord zu, sagte Stephan Hofmeister vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Da ist es fatal, wenn uns das Bundesgesundheitsministerium Knüppel zwischen die Beine wirft.“ Kassenärztliche Vereinigungen in den Bundesländern reagierten ebenfalls mit scharfen Worten und sprachen von „massiver Behinderung“, „Fehlorganisation“ und sogar „Sabotage“ der Impfkampagne.

„Ich weiß, dass diese kurzfristige Umstellung für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort in den Arztpraxen und Impfzentren viel zusätzlichen Stress bedeutet. Und das bedauere ich ausdrücklich“, sagte Spahn der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Die Nachfrage nach Biontech sei zuletzt so stark gestiegen, dass sich das Lager sehr schnell leere. Aus einer Übersicht des Ministeriums geht zudem hervor, dass Deutschland in diesem Monat voraussichtlich fast 8,8 Millionen Dosen Biontech über die Initiative Covax an Drittstaaten spenden wird oder gespendet hat.

Spahn wehrt sich gegen Kritik

Spahn betonte, mit Biontech und Moderna gebe es zwei exzellente und hoch wirksame Impfstoffe. „Ich kann versprechen, dass jeder, der sich impfen lassen will, einen guten, sicheren und wirksamen Impfstoff bekommt.“ In manchen Studien zur Wirkung von Auffrischungsimpfungen schneide eine dritte Impfung mit Moderna sogar besser ab als eine mit Biontech.

Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) will die Biontech-Liefermengen begrenzen.
Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) will die Biontech-Liefermengen begrenzen. © dpa

Bei der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) soll an diesem Montag über die Biontech-Bestellgrenzen gesprochen werden, wie der bayerische Gesundheitsminister und GMK-Vorsitzende Klaus Holetschek (CSU) ankündigte. Man werde dabei mit dem Bund beraten, „wie das von Bundesminister Spahn ausgelöste Chaos beseitigt werden kann“, sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). (dpa/epd/bef)