Glasgow. Gastgeber Boris Johnson wollte beim Treffen der 200 Staaten in Glasgow die „Weltuntergangsuhr“ anhalten. Was die Beschlüsse bedeuten.

Die Erwartungen waren denkbar hoch: Die dringend benötigte Wende im Kampf gegen die Erderwärmung sollte der Weltklimagipfel in Glasgow bringen, die Bombe entschärfen, bevor die „Weltuntergangsuhr“ (Zitat Boris Johnson) auf null springt.

Wichtigste Messlatte dafür: Das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es die Staaten vor sechs Jahren in Paris beschlossen hatten, sollte nicht außer Reichweite geraten. Ob das gelungen ist und welche Beschlüsse in Glasgow am Abschlusswochenende gefasst wurden – ein Überblick:

Treibhausgase: Greta Thunberg nennt Ergebnis „Bla, bla, bla“

Der Weg, den Klimawandel zu stoppen, ist leicht zu sehen, aber schwer zu gehen – die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen wie CO2 müssen aufhören. Auf der Konferenz bekräftigten die Staaten, dass sie am Ziel von Paris festhalten. Im Text des „Glasgower Klimapakts“ steht auch, dass die CO2-Emissionen dafür bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 45 Prozent fallen müssen.

Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt aber enorm: Mit dem, was die Staaten bisher als Klimaziele für 2030 eingereicht haben, bewegt sich die Welt auf 2,4 Grad Erwärmung zu, sagen die Expertinnen und Experten des Analyseprojekts Climate Action Tracker. Und auch das nur, wenn diese alle umgesetzt werden – im „Schneckentempo“ der aktuellen Politik lande man Ende des Jahrhunderts eher bei 2,7 Grad Erwärmung.

Klimaaktivistin Greta Thunberg bei den „Fridays for Future“-Protesten in Glasgow. Die Schwedin ließ kein gutes Haar an den Ergebnissen von COP26.
Klimaaktivistin Greta Thunberg bei den „Fridays for Future“-Protesten in Glasgow. Die Schwedin ließ kein gutes Haar an den Ergebnissen von COP26. © AFP | Daniel Leal-Olivas

„Die Vision der 1,5-Grad-Begrenzung der globalen Erwärmung lebt noch, aber ihr Puls ist schwach“, sagte Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts, unserer Redaktion nach Abschluss der Konferenz. In Glasgow sei spürbar geworden, dass es ein neues Leitbild einer klimaneutralen Weltwirtschaft bis 2050 gebe.

Doch die Klimaschutzanstrengungen müssten jetzt „vervielfacht“ werden. Andere sind noch skeptischer: „Man kann das als Versagen betrachten“, sagte die deutsche „Fridays for Future“-Vertreterin Luisa Neubauer unserer Redaktion. Klimaaktivistin Greta Thunberg twitterte: „Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Bla, bla, bla.“

Kohle: Indien und China ändern Formulierung in letzter Minute

Bis kurz vor Schluss der Konferenz sorgte vor allem ein Satz im Beschlusstext für Ärger: ein Verweis auf das weltweite Ende der Kohleverstromung und eine Abkehr von Subventionen auch für andere fossile Energieträger.

Von einem „Ausstieg“ aus der Kohle war da am Samstagnachmittag noch die Rede, zumindest für Kraftwerke, bei denen CO-Emissionen nicht direkt technologisch gebunden werden. Und auch ein Appell für ein Ende „ineffizienter“ Subventionen fand sich im Text.

Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde soll auf dem Weg zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2028 vom Netz gehen. Beim Klimagipfel in Glasgow einigten sich die Delegierten nur auf einen „Abbau“ der Kohleverstromung.
Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde soll auf dem Weg zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2028 vom Netz gehen. Beim Klimagipfel in Glasgow einigten sich die Delegierten nur auf einen „Abbau“ der Kohleverstromung. © ZB | Patrick Pleul

Auf Druck von Indien und China wurden beide Formulierungen in letzter Minute noch geändert, statt von einem Ausstieg ist jetzt von einem „Abbau“ die Rede. Doch Umweltschützer sehen auch in der schwächeren Formulierung noch einen Erfolg: Es ist die erste Erwähnung von Kohle in einem Abschlussdokument der Konferenzen.

Der Satz sei „ein klares Zeichen“ an alle Staaten und Unternehmen, dass Kohle und fossile Energieträger in einer 1,5-Grad-Welt keinen Platz mehr hätten, so Viviane Raddatz, Klimaschutzexpertin des WWF. „Es ist erstaunlich, dass es dafür 26 Klimakonferenzen gebraucht hat, obwohl klar ist, dass fossile Energien die Haupttreiber der Klimakrise sind.“

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Geld: Ärmere Länder warten weiter auf notwendige Hilfe

Ein weiterer Knackpunkt der Verhandlungen waren die Finanzen: Das Senken von Emissionen, die Anpassung an kommende Folgen des Klimawandels und der Wiederaufbau dessen, was schon zerstört wurde – all das ist teuer. Viele ärmere Länder haben kaum beigetragen zum Problem, tragen aber einen großen Teil der Konsequenzen und wollen deshalb Geld sehen von den Verursacherstaaten.

Das Versprechen, bis 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich für ärmere Länder aufzubringen, konnten die Industrieländer nicht halten, erst ab 2023 wird diese Summe zur Verfügung stehen. Der Anteil der Finanzierung speziell für Anpassungsmaßnahmen soll bis 2025 verdoppelt werden, von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Milliarden Euro).

Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nennt die Ergebnisse des Klimagipfels „unzureichend“.
Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nennt die Ergebnisse des Klimagipfels „unzureichend“. © dpa | Britta Pedersen

Wenig Fortschritt gab es bei einem Thema, dass den ärmsten Ländern am Herzen lag: dem Ausgleich für Verluste und Schäden durch den Klimawandel, zum Beispiel nach Wirbelstürmen, Dürren oder für notwendige Umsiedelungen. Ein 2019 gegründetes Netzwerk zur Unterstützung in solchen Fällen soll mit Geld für technische Unterstützung ausgestattet werden – nicht aber mit Mitteln für den Wiederaufbau.

„Das ist, als wenn der Brandstifter dem Eigentümer des zerstörten Hauses sagt: Ich zahle aber nur den Architekten für den Neubau“, sagte Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte, dass ärmere Länder in diesem Bereich nicht mehr unterstützt werden: Aus deren Sicht seien die Ergebnisse „absolut unzureichend, zu kleinteilig und zu langsam“, sagte er unserer Redaktion.