Berlin. In Innenräumen ist die Ansteckungsgefahr besonders hoch. Ein sechsköpfiges Expertenteam erklärt, wie sich das Risiko mindern lässt.

Die kalte Jahreszeit ist zurück und zusehends verlagert sich das Leben in die Innenräume – ob in Restaurants, Fitnessstudios, Kinos oder Kitas. Gerade in geschlossenen Räumen haben es Corona- und auch Erkältungsviren leicht, sich zu verbreiten.

Hendrik Streeck, Virologe am Universitätsklinikum Bonn, und der Lungenarzt Thomas Voshaar haben gemeinsam mit anderen Aerosol-Forschern und Lufthygiene-Experten eine Empfehlung zu der Frage erarbeitet, wie das Infektionsrisiko in Räumen gesenkt werden könne. Die Pandemie sei schließlich noch nicht vorbei. In den nächsten Monaten müsse mit einem Anstieg der Infektionen gerechnet werden.

Corona-Gefahr: Forscher entwickeln Checkliste für Infektionsrisiko

Ein erneuter Lockdown sei für die Wissenschaftler hingegen keine Option. „Sie haben einen geringen Nutzen, erzeugen aber hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Kollateralschäden“, lautet ihr Fazit. Gerade Streeck hatte in der Pandemie immer wieder Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Lockdowns geäußert. Stattdessen schlägt das Team um den Virologen einen „Präventionscheck für Innenräume“ vor, der die dortige Infektionsgefahr „nach dem Stand der aktuellen Forschung“ minimieren soll.

Für den „Lufthygiene-Checkhaben die Experten folgendende Parametern berücksichtigt:

  1. Ein Augenmerk liegt auf der Anzahl der Personen. Mit ihnen steige die Wahrscheinlichkeit, „dass sich ein Infizierter im Raum befindet und je mehr Menschen im Raum sind, umso mehr können sich potenziell infizieren“, heißt es in dem Papier.
  2. Auch die Aufenthaltszeit spielt für die Wissenschaftler eine Rolle. Durch eine infektiöse Person im Raum wachse mit der Zeit die Konzentration der Viren in der Zimmerluft. „Je länger sich nicht infizierte Personen in dem Raum aufhalten, desto mehr Viren inhalieren sie.“
  3. In größeren Räumen sei die Virenkonzentration geringer.
  4. Höhere Räume tragen „besonders“ zur Sicherheit bei. Die Erklärung der Experten: Ausgeatmete virushaltigen Aerosole „bewegen sich nach oben.“
  5. Regelmäßiges Lüften gehöre weiterhin zu den wichtigen Maßnahmen, um das Risiko einer Ansteckung über Aerosole zu verringern. Bei Fensterlüftung komme es laut Streeck und Co. ausdrücklich auf die „Temperaturdifferenz drinnen/draußen und der Windbewegung“ an. „Je größer die Temperaturdifferenz, desto größer der Effekt.“
  6. Auch die Effektivität von „Raumluftreinigungsgeräten“ wird eine Bedeutung zugeschrieben.
  7. Das Tragen von Masken in Innenräumen erfülle weiterhin seinen Zweck. Sogenannte Face Shields, also Gesichtsvisiere, bleiben bei der Aerosolübertragung wirkungslos.
  8. Die Atemfrequenz und Atemtiefe der infizierten und nicht infizierten Personen im Raum führen die Wissenschaftler ebenfalls auf. Bei bestimmten Aktivitäten stoßen Menschen eine größere Aerosolmenge aus, das zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen kann. Dazu zählen die Autoren körperliche Arbeit, Sport und Singen.

Für die jeweiligen Werte vergeben die Experten außerdem Punkte von eins bis fünf. Eins bedeutet: sehr geringes Risiko, fünf: sehr hohes.

Zur Risiko-Minimierung schlagen die Experten vor:

  • Begrenzung der Anzahl der Personen in einem Raum
  • Begrenzung der Aufenthaltszeit der Personen in einem Raum
  • Prioritäre Nutzung großer und hoher Räume (z. B. viele Turnhallen, Aulen - diese bräuchten meist keine zusätzlichen besonderen Schutzmaßnahmen)
  • Erhöhung der Frischluftzufuhr
  • Einsatz effektiver Raumluftreinigungsgeräte

„Besonders ungünstig sind kleine Räume ohne oder mit wenig Lüftung (kleine Büros und Aufenthaltsräume, Fahrstühle, Toiletten, Kraftfahrzeuge, öffentliche Verkehrsmittel usw.). Hier kann eine konzentrierte infektiöse Aerosolwolke längere Zeit in der Luft stehen bleiben (ähnlich Zigarettenrauch) und dann Personen anstecken, die den Raum betreten (z. B. Reinigungspersonal). Mitunter sind sich Virusspreader und Infizierter nie begegnet“, schreiben die Wissenschaftler.

Checkliste ersetzt nicht die Impfung

Doch die Experten betonen: Das Konzept stellt keine Alternative zur Corona-Impfung oder den „Basishygieneregeln“, wie beispielsweise Händewaschen und -desinfizieren, dar.

Wie die Experten schreiben, sei der Ausgangspunkt der Checkliste eine „wissenschaftlich unumstrittene Erkenntnis“: Innenräume seien der zentrale Ort für Infektionen. Die Maßnahmen hätten daher einen zusätzlichen Nutzen. „Sie reduzieren aerogen übertragene Infektionen auch jenseits der aktuellen Corona-Pandemie.“