Berlin. SPD, Grüne und FDP sondieren nun eine Ampel-Koaltion. Das ist nicht mit Koalitionsverhandlungen zu verwechseln. Was dahintersteckt.

Ab diesem Donnerstag wird es ernst – zumindest etwas mehr als bisher. Vertreter von SPD, Grünen und SPD werden ab jetzt erstmals in der Dreier-Konstellation Sondierungsgespräche führen. Das erste Treffen ist auf sechs Stunden angesetzt, in denen die Möglichkeiten zur Bildung der sogenannten Ampel-Koalition ausgelotet werden sollen.

Bei den Beratungen, die derzeit stattfinden, handelt es sich um Sondierungen. Diese Sondierungsgespräche bilden sozusagen eine Vorstufe zu den späteren Koalitionsverhandlungen. Doch was genau ist mit Sondierungen eigentlich gemeint?

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Weg zur Regierungsbildung: Erst wird sondiert, dann die Koalition verhandelt

Wenn Parteien miteinander „sondieren“, bedeutet das, dass sie zunächst einmal prüfen, ob eine gemeinsame Regierung überhaupt möglich ist. Denn bevor ein Koalitionsvertrag mit Vorhaben für das Bündnis ausgehandelt werden kann, müssen erst einmal die Standpunkte der Parteien verglichen werden.

Bei den Sondierungen geht es im Endeffekt darum, eine gemeinsame politische Linie und Kompromisse zu finden, aber auch darum, Konfliktpunkte zu finden und zu klären. Koalitionsverhandlungen sind dagegen konkreter, da es hier darum geht, mit einem Koalitionsvertrag die Grundlage für die kommende Regierungsarbeit festzuzurren.

Sondierungsgespräche: Parteien prüfen Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Im Laufe der Sondierungen soll sich dagegen erstmal herausstellen, wo die einzelnen Akteure bereit sind, von ihrem Parteiprogramm Abstriche zu machen – und welche Ziele für sie bei einer Regierungsbeteiligung nicht verhandelbar sind.

Die Standpunkte der einzelnen Parteien bei den verschiedenen Themenbereichen sind oft sehr unterschiedlich: Vergleicht man die Wahlprogramme von SPD, Grünen und FDP sieht man schnell, dass deren Vorhaben was beispielsweise das Rentensystem oder den Klimaschutz angeht, sich deutlich voneinander unterscheiden. Bei den Sondierungen geht es deshalb darum, abzuklopfen, inwiefern Kompromisse zwischen den Parteien möglich sind.

Es werden aber auch Gemeinsamkeiten ausgelotet. Vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen sind die drei derzeit beratenden Parteien nah beieinander: Sie plädieren für ein Wahlrecht ab 16, eine fortschreitende Gleichstellung der Ehe für alle, die kontrollierte Freigabe von Cannabis und eine weltoffene und tolerante Gesellschaft. Auch beim Thema Digitalisierung sind FDP und Grüne nicht weit voneinander entfernt, die SPD dürfte hier kompromissbereit sein.

Sondierungen für Ampel-Koalition: Wohl noch einige Diskussionspunkte offen

Trotzdem erklärte unter anderem der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck vor dem ersten Sondierungsgespräch, dass es wohl kaum einfache Beratungen werden würden: „Viele Dinge sind noch nicht durchdiskutiert, geschweige denn so konkretisiert, dass man sagen kann: Das ist jetzt auf einem sicheren Gleis“, machte er deutlich. Es gebe noch „erhebliche offene Stellen und auch Differenzen“ sowohl zwischen Grünen und FDP, aber auch zwischen Grünen und SPD.

Unüberbrückbar sind die Differenzen aber nicht – das haben alle drei Verhandlungsparteien bereits vorher in bilateralen Gesprächen geklärt. Zuerst trafen sich die Spitzen der Grünen und der FDP zu solchen Vorsondierungen: Mit einem Selfie gaben Christian Lindner, Volker Wissing (beide FDP), Robert Habeck und Annalena Baerbock (Grüne) bekannt, dass sie die Möglichkeiten einer gemeinsamen Koalition schon ausgelotet hätten. „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten“, betitelten alle vier das Foto auf Instagram.

Instagram-Selfie für die Sondierung (l-r): Volker Wissing, FDP-Generalsekretär, Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Lindner, FDP-Vorsitzender und Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Instagram-Selfie für die Sondierung (l-r): Volker Wissing, FDP-Generalsekretär, Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Lindner, FDP-Vorsitzender und Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. © dpa

Keine Verpflichtungen: Sondierungsgespräche können auch schnell abgebrochen werden

Experten sehen bei der „Ampel“ die größten Differenzen zwischen den beiden kleineren Partnern. Die Signale der letzten Tage zeigten aber, dass Grüne und FDP zumindest kompromissbereit sein könnten, um eine gemeinsame Koalition zu bilden. Denn wenn die Unterschiede als unüberbrückbar eingeschätzt werden, kann bei Sondierungen schon mal schnell Schluss sein.

So endeten 2017 die schwierigen Sondierungen für eine damals mögliche Jamaika-Koalition im November. Christian Lindner erklärte damals nach dem Ausstieg der FDP aus den Verhandlungen: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Gescheitert waren die Sondierungen wohl unter anderem an unterschiedlichen Vorstellungen über das Ausmaß der Reduktion der Kohleverstromung. Union und Grüne hatten sich hier bereits geeinigt, die FDP stimmte wohl aber nicht zu.

Auch an diesem Geschichtsstück zeigt sich: Sondierungsgespräche unterliegen keinen Verpflichtungen. Entweder die Gespräche münden in guten Absichten und endgültigen Koalitionsverhandlungen – oder sie scheitern. Daraufhin gibt es dann meist Sondierungen zwischen anderen Parteien-Konstellationen die eine regierungsfähige Mehrheit hätten.

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