Berlin. Mehr als hundert Künstler und Wissenschaftler wollen angeblich „kaum gehörten“ Positionen gegen Corona-Maßnahmen Gehör verschaffen.

Unter dem Hashtag #allesaufdentisch haben mehr als hundert Künstlerinnen und Künstler sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine neue Initiative im Netz gestartet. Sie kritisieren unter anderem die Corona-Maßnahmen und die mediale Berichterstattung. Die Initiative stammt aus dem selben Umfeld wie die umstrittene Aktion #allesdichtmachen.

„KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen diskutieren gemeinsam über die Folgen der Corona-Krise und starten eine Petition für einen Runden Tisch“, heißt es in der Pressemitteilung der Initiative. Mit dabei sind einige wenige bekannte Gesichter – wie die Schauspieler Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring.

#allesaufdentisch: Aktion erinnert an #allesdichtmachen von Schauspielern

In den über 50 Videos, die die Initiative online auf ihrer Webseite und auf YouTube veröffentlicht hat, werden die Wissenschaftler jeweils rund 20 Minuten lang von den Künstlern und Künstlerinnen interviewt. Die Clips tragen Titel wie „Kollektive Angststörung“, „Masken“, „Meinungsfreiheit“, „Gekaufte Forschung“, „Wahrheitsdefinition“ und „Kindeswohl“.

„Mit zunehmender Sorge beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise“, hieß es in einem Statement, das Schauspieler Bruch auch bei Instagram teilte. Viele Expertinnen und Experten seien bisher in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört.

Die Aktion erinnert an #allesdichtmachen, bei der Mitte April zahlreiche prominente Film- und Fernsehschauspieler wie Jan-Josef Liefers, Ulrich Tukur und Volker Bruch Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung geäußert hatten. Bruch war zudem mehrfach in die Kritik geraten, etwa weil er einen Mitgliedsantrag bei einer „Querdenker“-Partei gestellt oder sich am Set von „Babylon Berlin“ geweigert hatte, eine Maske zu tragen.

Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligen.
Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligen. © Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa

Bruch, der bereits ein prominentes Gesicht von #allesdichtmachen war, ist auch im Impressum der Seite von #allesaufdentisch als Verantwortlicher aufgeführt. Teil der neuen Aktion ist eine Petition, die einen „Runden Tisch“ für das Corona-Krisenmanagement fordert.

Zu den Clips heißt es: In den 55 Videos kämen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „vieler Disziplinen unter anderem der Medizin, Virologie, Epidemiologie, Psychologie sowie den Rechtswissenschaften, Ökonomie und Ethik zu Wort“. Auch die beteiligten Künstlerinnen und Künstler hätten vielfältige Hintergründe.

Mehrere Monate nach #allesdichtmachen haben die Schauspieler Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring mit der neuen Aktion #allesaufdentisch Aufsehen erregt.
Mehrere Monate nach #allesdichtmachen haben die Schauspieler Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring mit der neuen Aktion #allesaufdentisch Aufsehen erregt. © Christian Charisius/dpa

Forscher: Initiative bedient ein „schädliches Narrativ“

Nach Ansicht eines Experten für Verschwörungsideologien befeuert die Aktion ein „schädliches Narrativ“. Über die Schauspieler und Künstler verbreiteten sich wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemie-Leugner-Szene hinaus, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt, sagte Politikwissenschaftler Josef Holnburger. „Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet.“

Solche Debatten würden aber auf Konferenzen und in Studien geführt – zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sagte Holnburger. Zudem ließen sie sich selten nur durch zwei Personen darstellen. „Mit der Aktion zieht man den Diskurs aus der Forschung heraus.“ Es entstehe ein Ungleichgewicht („false balance“) der wissenschaftlichen Standpunkte, so der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das unter anderem Desinformation in sozialen Medien beobachtet. „Man holt sich Vertreter und Vertreterinnen einer wissenschaftlichen Minderheitenmeinung und setzt ihnen Gesprächspartner aus Kunst, Kultur und Schauspiel gegenüber statt anderer Forschender.“

In den Videos kommen einige Menschen zu Wort, die Experten auf ihrem Gebiet sind, darunter der Medizinstatistiker Gerd Antes oder der Virologe Klaus Stöhr. Ihre Stimmen wurden in der Pandemie regelmäßig in großen Medien gehört. Mehrere der Gesprächspartner sind jedoch bereits durch Äußerungen aufgefallen, die die Gefahr durch das Coronavirus verharmlosen. (mit dpa)

Mehr zum Thema: Nena & Co. - Diese Promis haben sich ins Aus geschossen