Berlin. Klimaneutralität bis 2040, höherer Mindestlohn und der Bau neuer Wohnungen sind dem Wahlsieger wichtig. Wie Olaf Scholz regieren will.

Die SPD stellt sich schnell auf. Am Mittwoch wurde Rolf Mützenich mit 97 Prozent der Stimmen als Fraktionschef bestätigt. Für den 62-Jährigen votierten 198 von 204 Abgeordneten – bei vier Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Zwei Parlamentarier fehlten. Mützenich gehört auch zur sechsköpfigen Verhandlungsgruppe, die am Sonntag Sondierungsgespräche mit der FDP und danach mit dem Grünen führen wird.

Die weiteren Mitglieder sind Kanzlerkandidat Olaf Scholz, die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil und die Mainzer Regierungschefin Malu Dreyer.

Scholz fordert vollen Fokus auf die Ampel-Gespräche – und legt Positionen fest

Von seiner Partei erwartet Scholz eines: Konzentration auf die Gespräche über eine Ampel-Koalition. Die Genossen sollen sich zurückhalten und keine roten Linien ziehen. Daran wollen sich sogar die widerborstigen Jusos halten.

Deren Chefin Jessica Rosenthal meint: „Dass wir anders als früher unsere Differenzen jetzt intern regeln, finde ich grundsätzlich richtig.“ Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte sie: „Wir tragen die Linie von Olaf Scholz voll mit, dass in den ersten Tagen erst mal vertrauliche Gespräche geführt werden, um eine Beziehung aufzubauen zu den Verhandelnden.“ Indes legte sich der Kandidat in einigen Einzelfragen fest.

„Ich verspreche den Bürgern: Der Mindestlohn wird mit mir als Kanzler im nächsten Jahr auf zwölf Euro angehoben.“ Die Erhöhung des Mindestlohns ist eine rote Linie. Er liegt bei 9,60 Euro in der Stunde und soll bis Juli 2022 auf 10,45 Euro steigen – nach dem Willen der SPD auf zwölf Euro. Auch die Grünen sind dafür. Einen kleinen Interpretationsspielraum gibt es beim Zeitplan. Nächstes Jahr könnte man einen höheren Mindestlohn ab 2023 beschließen. Nutznießer wären zehn Millionen Bundesbürger.

Scholz: Das sind seine Pläne für Rente, Wohnen, Klima und Soziales

Auch in der Rentenpolitik legte Scholz sich fest. „Ich garantiere: Das Rentenniveau bleibt stabil, und das Renteneintrittsalter wird nicht weiter steigen.“ Davon kann er nicht Abstand nehmen, ohne unglaubwürdig zu werden. Das Rentenniveau (48 Prozent) ist das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten. Die Anhebung auf 67 Jahre läuft noch bis 2030.

Sehr konkret ist auch der Plan zur Schaffung von Wohnraum durch den Bau von jährlich 400.000 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Letzteres ist eine Frage des Geldes und der Prioritäten.

In der Sozialpolitik will Scholz wieder zu einem alten Prinzip zurückkehren: Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, soll auch länger Arbeitslosengeld I beziehen. Bislang wird es zwölf Monate lang ausgezahlt, für Ältere gestaffelt bis zu 24 Monate.

Die größte Herausforderung: Klimaneutralität. Scholz glaubt, dass das Ziel nur erreicht werden kann, wenn das Planungs- und Genehmigungsrecht vereinfacht und beschleunigt wird, in seinen Augen eine „Revolution“. Er würde im ersten Amtsjahr das Stromausbauziel im Gesetz festschreiben. „Das ist die größte industrielle Modernisierung Deutschlands seit wahrscheinlich über 100 Jahren.“ Die Dimensionen sind gigantisch.

Allein die deutsche Chemieindustrie braucht laut ihrer „Roadmap 2050“ mehr als 600 Terawattstunden Grünstrom im Jahr – mehr als der aktuelle Stromverbrauch in Deutschland insgesamt. Am Beispiel der Zementherstellung wird die Herausforderung deutlich: Zum einen müsste das durch die Kalkstein-Zerkleinerung frei werdende CO2 abgeschieden und mithilfe von Wasserstoff per Elek­trolyse zu synthetischen Kraftstoffen verarbeitet werden. Zum anderen braucht man dafür und für die Zementproduktion viel Strom.

Klimapolitik könnte Leuchtturmprojekt werden

Das setzt mehr Solar- und Windkraftanlagen voraus, für die Industrie möglichst standortnah, dazu den Ausbau der Netze und der Speicherkapazitäten. Die Wirtschaft stemmt sich nicht dagegen. Als Scholz ein Zementwerk in Rüdersdorf besuchte, hatte das Unternehmen eine Klage und eine Bitte.

Die Genehmigungsverfahren dauerten zu lange; es brauche mehr Hilfe der Politik, um die Akzeptanz der Bürger für Ökoenergie-Anlagen zu erlangen. Die Stromproduktion bis 2040 auf erneuerbare Energien umzustellen, das wäre das Leuchtturmprojekt einer Ampel-Koalition.