Berlin. Die Affenpocken haben auch Deutschland erreicht. Fällen wurden zunächst in München und Berlin bestätigt - nun auch in Freiburg.

  • Seit Anfang Mai häufen sich in Europa Fälle der sogenannten Affenpocken
  • Auch in Deutschland wurde das Virus mehrfach nachgewiesen
  • Was über die Infektionslage in Deutschland bekannt ist

Seit Anfang Mai häufen sich in Europa und Nordamerika die Meldungen über Affenpocken-Infektionen bei Menschen. Das Virus ruft meist milde Symptome wie Ausschlag, Fieber und Kopfschmerzen hervor. Eine Ansteckung kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Was über die Infektionslage in Deutschland bekannt ist.

Affenpocken in Deutschland: Diese Fälle sind bekannt

Inzwischen wurde das Virus mit Stand Montagnachmittag in Deutschland bei fünf Patienten nachgewiesen. Proben weiterer Personen sind in Abklärung.

Der erste bekannte Infizierte war laut einer Mitteilung des bayerischen Gesundheitsministerium von Freitag, 20. Mai, ein aus Brasilien stammender 26-Jähriger. Der Mann habe sich zuvor in Portugal aufgehalten und sei über Spanien nach München gereist.

In Berlin sind bisher drei Fälle von Affenpocken bestätigt worden. Es sei aber davon auszugehen, „dass in den nächsten Tagen eventuell noch weitere Infektionen registriert werden“, erklärte die Senatsverwaltung für Gesundheit am Samstag. Der Zustand der Infizierten ist demnach „stabil“; die Ermittlungen zu möglichen Kontaktpersonen liefen.

Die Kontaktpersonen sollten über mögliche Symptome, Hygienemaßnahmen und Übertragungswege informiert werden. Ob es sich bei den Berliner Fällen um den west- oder zentralafrikanischen Virusstamm handelt, soll laut Senatsverwaltung eine laufende Sequenzierung ergeben. Zentralafrikanische Virusvarianten bei Affenpocken sind laut Robert Koch-Institut (RKI) „deutlich virulenter“ als die westafrikanischen Virusvarianten, sind also ansteckender.

Auch in Baden-Württemberg ist am Montag der erste Fall von Affenpocken nachgewiesen worden. Wie das Gesundheitsministerium in Stuttgart am mitteilte, wird am Universitätsklinikum Freiburg seit Sonntagabend ein Patient aus dem Ortenaukreis mit einer entsprechenden Infektion stationär versorgt.

Ebebfalls in Sachsen-Anhalt ist ein erster Fall von Affenpocken nachgewiesen worden. Es handele sich um einen Mann aus dem Landkreis Jerichower Land, der sich aufgrund der Erkrankung derzeit in häuslicher Isolierung befindet, teilte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Montag in Magdeburg mit.

Der Betroffene habe nach einer Reise über Beschwerden geklagt und sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Affenpocken-Fall sei labordiagnostisch per PCR-Test bestätigt worden. Das zuständige Gesundheitsamt habe daraufhin eine Isolierung angeordnet und den Fall an das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gemeldet.

Mehr zum Thema: Affenpocken – So gefährlich sind sie für den Menschen

Affenpocken: Lauterbach will Virus genauer analysieren

„Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Durch die Affenpocken-Meldungen aus anderen Ländern seien Ärzte und Patienten in Deutschland sensibilisiert. „Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht so leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann“, erklärte Lauterbach nach Bekanntwerden des ersten Falls. Dafür sei aber schnelles Handeln nötig. „Wir werden jetzt das Virus genauer analysieren und prüfen, ob es sich um eine ansteckendere Variante handelt.“

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet noch zunehmende Affenpocken-Fälle. „Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist in Europa und auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen“, heißt es in einem Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages.

„Es handelt sich inzwischen um ein Geschehen mit internationaler Verbreitung“, heißt es in dem Ministeriumsbericht weiter, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In zahlreichen Ländern seien mehr als 130 bestätigte Fälle und Verdachtsfälle nachgewiesen, „Tendenz täglich steigend“. Bisher sei bei den in Europa festgestellten Infektionen die westafrikanische Affenpocken-Variante nachgewiesen worden, weitere Genomanalysen liefen jedoch noch.

Affenpocken: Bestätigte Fälle weltweit

Allein in Großbritannien wurden bis Freitag 20 Fälle registriert, und am Wochenende dürften laut der leitenden medizinischen Beraterin der Gesundheitsbehörde UKHSA, Susan Hopkins, weitere hinzugekommen sein. „Wir entdecken jeden Tag mehr Fälle“, sagte Hopkins dem Rundfunksender BBC. Das Land hat Pocken-Impfstoff eingekauft – wie viel und wer damit geimpft werden soll, blieb zunächst unklar.

Am Freitag meldete auch Frankreich einen ersten Fall, zudem wurde das Virus in Australien und damit einer weiteren Weltregion entdeckt. In Spanien und Portugal sind inzwischen 30 beziehungsweise 23 Fälle bestätigt. Lesen Sie dazu: Affenpocken in Europa – RKI ruft zur Wachsamkeit auf

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WHO: Maßnahmen gegen Affenpocken „dringend notwendig“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert eine Reihe von Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Affenpocken. Es sei „dringend notwendig“, das Bewusstsein für die Viruserkrankung zu erhöhen, hieß es Samstagnacht von der UN-Organisation in Genf. Außerdem müssten Fälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert werden sowie Ansteckungswege rückverfolgt werden.

Die Erkrankungen, die bisher in Europa, Nordamerika und Australien bekannt wurden, betrafen laut WHO hauptsächlich – aber nicht nur – Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Wegen der noch eingeschränkten Beobachtungslage sei es sehr wahrscheinlich, dass Fälle in weiteren Bevölkerungsgruppen und Ländern auftauchen.

Affenpocken-Viren (l.) unter dem Mikroskop.
Affenpocken-Viren (l.) unter dem Mikroskop. © Cynthia S. Goldsmith/Russell Regner/CDC/AP/dpa

Übertragung von Affenpocken: Bei engem Kontakt möglich

„Die Situation ist ungewöhnlich dynamisch“, schrieb Charité-Virologe Leif Erik Sander bei Twitter. Er rechne mit einer „deutlichen Zunahme“. Sander beschrieb die Affenpocken als weniger krank machend als die Pocken, es sei aber „dennoch eine ernste und in Einzelfällen tödliche Erkrankung“. Die Krankheit wurde 1958 erstmals bei Affen in einem dänischen Labor nachgewiesen.

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Er gehe bei der Vielzahl von Fällen in westlichen Ländern davon aus, dass das Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagte der Mediziner Norbert Brockmeyer. Ein Großteil oder womöglich sogar alle Fälle bisher betreffen Männer; vielfach hatten sie den Angaben zufolge sexuelle Kontakte zu Männern. Am stärksten gefährdet für eine Ansteckung sind Brockmeyer zufolge Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiedenen Menschen haben.

Von wissenschaftlicher Seite gelte es zu prüfen, wie ansteckend das kursierende Virus sei und ob es sich um eine mutierte, ansteckendere Variante handle, sagte Brockmeyer. „Es ist ja leider so, dass wir in Deutschland eine Riesenpopulation haben, die nicht gegen Pocken geimpft worden ist – insbesondere im sexuell aktiven Alter.“

Pockenimpfung: Impfstoff prinzipiell verfügbar

Das Potenzial an Infektionen durch den Erreger sei damit deutlich größer als etwa noch vor 20 Jahren. Je nach weiterer Entwicklung müsse man Pockenimpfungen in Erwägung ziehen. Die Pocken gelten seit 1980 als weltweit ausgerottet, seither wird nicht mehr dagegen geimpft. Prinzipiell wäre ein Impfstoff aber verfügbar.

Die Deutsche Aidshilfe warnte angesichts der Affenpockenfälle bei schwulen Männern vor falschen Schlussfolgerungen, Stigmatisierung und Panik. „Natürlich gibt es bei den Affenpocken oberflächliche Ähnlichkeiten zu HIV damals – es ist wieder eine Erkrankung aus Afrika, die auch schwule Männer betrifft. Aber in vielen anderen Punkten passt der Vergleich nicht“, sagte Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht.

(dpa/ost)

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.