Austin. Das neue texanische Abtreibungsgesetz ist ziemlich hart. Und es hat eine Besonderheit: Es soll von Privatpersonen durchgesetzt werden.

Seit Mittwoch gilt in Texas ein neues Gesetz, das Abtreibungen schon ab der sechsten Schwangerschaftswoche verbietet - viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal, dass sie schwanger sind. Doch nicht nur diese Klausel treibt die Gegner des Gesetzes auf die Barrikaden. Sie kritisieren auch, dass das Gesetz mit einem "Kopfgeldsystem" von den texanischen Bürgerinnen und Bürgern kontrolliert werden soll.

Das funktioniert so: Die Texanerinnen und Texaner sind zu Zivilklagen angehalten - und zwar immer, wenn sie jemanden verdächtigen, einer Frau bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben.

So könnte das Gesetz zum Beispiel Abtreibungskliniken treffen, aber etwa auch Taxifahrer, die eine Schwangere zur Klinik fahren. Erfolgt aus einer Klage eine Verurteilung, erhält der Kläger 10.000 Dollar Belohnung, die von dem oder der Verurteilten zu zahlen sind.

Abtreibungsgesetz in Texas: Kritik von Joe Biden

Nach seiner Verabschiedung kritisieren viele Amerikanerinnen und Amerikaner das Gesetz - auch an höchster Stelle. Präsident Joe Biden erklärte am Mittwoch, es sei "empörend", Bürger dazu anzuhalten, die Regelungen mit Zivilklagen durchzusetzen. Lesen Sie weiter: Maskengegner Caleb Wallace stirbt an Covid-19

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Bidens Parteifreundin Nancy Pelosi, erklärte, jede Frau im ganzen Land müsse Zugang zu Abtreibungen haben. Dass der Oberste Gerichtshof der USA das "radikale Gesetz" nicht gestoppt habe, sei "eine Katastrophe" für Frauen in Texas.

Supreme Court könnte Abtreibungsgesetz noch kippen

Bürgerrechtsgruppen und Anbieter von Abtreibungen hatten am Montag beim Supreme Court einen Eilantrag gegen die Regelungen eingereicht. Weil die Verfassungsrichter sich aber bis Dienstag um Mitternacht nicht äußerten, trat das Gesetz am Mittwoch zu Monatsbeginn in Kraft. Der Supreme Court könnte einem Eilantrag allerdings auch zu einem späteren Zeitpunkt noch stattgeben.

Vor Texas hatte bereits ein Dutzend anderer konservativer Bundesstaaten ähnliche Abtreibungsgesetze beschlossen. Sie wurden aber allesamt von Gerichten kassiert, weil sie im Widerspruch zu einem Grundsatzurteil des Supreme Court aus dem Jahr 1973 stehen. In dem Urteil Roe v. Wade hatten die Verfassungsrichter Abtreibungen bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat legalisiert.

Abtreibungen sind in den USA besonders umkämpft

Das texanische Gesetz unterscheidet sich aber von den anderen Gesetzen dadurch, dass nicht die Behörden, sondern Bürgerinnen und Bürger faktisch mit der Durchsetzung der neuen Regeln betraut sind. Das macht es schwieriger, das Gesetz vor Gericht anzufechten.

Abtreibungen gehören zu den strittigsten gesellschaftlichen und politischen Themen in den USA. Abtreibungsgegner wollen erreichen, dass der Oberste Gerichtshof das Grundsatzurteil von 1973 kippt. Sie setzen darauf, dass der Supreme Court während der Präsidentschaft von Bidens Vorgänger Donald Trump weiter nach rechts gerutscht ist: sechs der neun Richter gehören dem konservativen Lager an. (mit dpa)