Berlin. Der Impfstoffhersteller Biontech hat einen Rekord in der Pharmaindustrie aufgestellt. So viel Geld verdient Biontech mit den Impfungen.

Das Mainzer Biopharma-Unternehmen Biontech erntet die Früchte seiner Impfstoff-Anstrengungen. Im Quartal von April bis Juni ist der Gewinn auf 2,7 Milliarden Euro gestiegen, teilte das Unternehmen am Montag in einer Online-Präsentation mit.

Der gesamte Betrag geht auf Zahlungen für die Corona-Impfstoffe des Unternehmens zurück; einen Großteil davon hat der US-Partner Pfizer in den USA eingespielt. Im Vorjahr stand hier wegen der Forschungsausgaben und der Abwesenheit marktfähiger Produkte noch ein Verlust. Der Umsatz kletterte auf 5,3 Milliarden Euro, was auf eine sehr ordentliche Gewinnmarge mit dem Impfstoff schließen lässt.

Biontech stellt Rekord in der Pharmaindustrie auf

Der aktuelle Milliardengewinn ist aber erst der Anfang. Biontech erwartet mit den bisher eingegangenen Aufträgen für Covid-Impfungen einen Umsatz von 15,9 Milliarden Euro. Es handelt sich um das größte Bündel von Aufträgen für ein Einzelmedikament in der Geschichte der Pharmaindustrie.

Ein wichtiges Thema bei der Präsentation der Ergebnisse war daher die mögliche Lieferung einer dritten Impfdosis für die Bevölkerung der wohlhabenden Abnehmerländer. Zugleich versprach Biontech mehr Lieferungen in einkommensschwache Regionen und den Aufbau von Produktionsstätten für mRNA-Wirkstoffe vor Ort in Afrika.

Impfstoffhersteller Biontech weist Vorwürfe zurück

Das Drängen des Unternehmens auf die dritte Impfung weckt zugleich einen Verdacht: Drei statt zwei Dosen für einen Großteil der Bevölkerung, das bedeutet auch ein Drittel mehr Umsatz für die Anbieter. Da Biontech gleichzeitig darauf pocht, dass die vollständige Impfung gut vor Delta schützt, könnten hier Gewinninteressen im Vordergrund stehen.

Biontech weist diese Interpretation jedoch von sich. Das Unternehmen führt wissenschaftliche Gründe für die Auffrischung an: Sowohl bei älteren als auch bei jüngeren Studienteilnehmern nahm die Zahl der Antikörper ein halbes Jahr nach der vollständigen Impfung bereits deutlich ab. Bei den über 65-Jährigen fiel er sogar unter die Nachweisgrenze. „Für diese Zielgruppen empfehlen wir eine dritte Dosis sieben bis neun Monate nach der zweiten Dosis zu Auffrischung“, sagte Ko-Chefin Özlem Türeci.

Abstände zur nächsten Impfung könnten länger werden

Die stark abnehmende Antikörper-Kurve bei den 18- bis 55-jährigen Impflingen zeige, dass auch bei den Jüngeren früher oder später eine Auffrischung nötig werde, um den Schutz zu erhalten. Immerhin: Nach der dritten Dosis steigt die Schutzwirkung gegen Delta noch einmal auf das fünf- bis elffache des Wertes nach der zweiten Dosis. Die Impflinge erhalten also einen phänomenalen Schub für die Immunität.

Forscher vermuten daher, dass die Abstände zur nächsten nötigen Auffrischung nach und nach länger werden. Die Immunität baue sich „treppenartig auf“, sagt der Immunologen Leif Erik Sander von der Berliner Charité. Er hofft nach den ersten Auffrischungen eher auf Abstände von mehreren Jahren, so wie bei vielen anderen Impfungen.

Biontech bereitet Impfstoff gegen Delta-Variante vor

Biontech plant, schon bald eine Zulassung für die Auffrischung zu beantragen. Das Unternehmen bereitet sich zwar auf die Entwicklung eines eigenen Wirkstoffs gegen Delta vor, hält das vorhandene Produkt jedoch grundsätzlich für völlig ausreichend. Es mag zwar nicht immer vor Infektion schützen, verhindert Türeci zufolge aber fast immer einen schweren Verlauf – auch bei Delta.

Wenn die Impfquote auf dem Planeten nicht so ungleich verteilt wäre, dann läge der Fall nun einfach. Auch Sander befürwortet anlässlich der guten Verträglichkeit grundsätzlich eine Auffrischung, sobald der Impfschutz nachlässt – auch wenn mangels Erfahrung bisher keiner sagen kann, wann es so weit sein wird. Doch in den Ländern des Globalen Südens liegt die Impfquote erst um ein Prozent. Auch interessant: Neue Corona-Regeln: So hart wird es jetzt für Ungeimpfte

Biontech will Produktionsstätten in Afrika bauen

Nicht nur ethische Erwägungen sprechen jetzt dafür, die Impfdosen aus der Produktion der kommenden Monate erst den benachteiligten Ländern zur Verfügung zu stellen, bevor die reichen Länder sich den Total-Schutz gönnen.

Solange Corona in den ärmeren Ländern wütet, sind sie Brutstätte für weitere Mutanten. Das weiß auch Biontech. „Um mit der Pandemie umzugehen, dehnen wir die Versorgung mit unserem Covid-19-Impfstoff auf Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen aus“, versprach Firmenchef Ugur Sahin am Montag.

Das Unternehmen sei entschlossen, in den kommenden anderthalb Jahren zwei Milliarden Dosen in die benachteiligten Märkte zu liefern. „Wir planen den Aufbau von hochmodernen Produktionsstätten für mRNA-Impfstoffe in Afrika“, sagte Sahin im Hinblick auf geplante Mittel gegen Malaria und HIV. Lesen Sie hier: Überschuss an Corona-Impfstoff: Soll Deutschland spenden?

Biontech könnte bis zu 35 Milliarden Euro einnehmen

Doch diese Anlagen sind noch längst nicht da, und so wird die Frage der Verteilung der existierenden Corona-Impfdosen für die Politik immer akuter. Die EU-Kommission hat bei Biontech 900 Millionen Dosen bestellt, um die Europäer wenn nötig ein drittes Mal impfen zu können.

Dazu kommt eine Option auf weitere 900 Millionen Dosen. Bei einem kürzlich erst erhöhten Preis von 19,50 Euro pro Dosis bedeutet das rein rechnerisch eine Zahlung von 35 Milliarden Euro.

Doch lohnt sich diese Ausgabe? Immunologe Sander zufolge ist eine Auffrischung vorerst vor allem für gefährdete Gruppen „rational begründbar“. Vorerst bleibe das „ethische Dilemma“, dass der Impfstoff in einkommensschwachen Ländern dringend gebraucht wird, während in Europa die Nachfrage nach dritten Dosen steigt. Doch die Abwägung, wo der Impfstoff am besten eingesetzt werde, sei nicht Sache der Wissenschaft, sondern der Politik.