München. Der bayerische Landeschef setzt auf das Motto: Vakzine für alle. Sein Stellvertreter zweifelt öffentlich. Fischt er rechts von der CSU?

Fischt er „an irgendeinem Rand“? Argumentiert er wie die AfD? Verführt er Wählerinnen und Wähler gar, Querdenker zu wählen? Es vergeht kein Tag, an dem Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU in Bayern, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, von seinem Regierungschef nicht mit derartigen Vorwürfen konfrontiert wird.

Seit dem Wochenende wird der Ton vor allem zwischen ihm und Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern, immer schärfer. Der Koalitionsfrieden ist nachhaltig gestört, CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hält sogar eine Aufkündigung des bayerischen Regierungsbündnisses für möglich.

Aiwanger lässt sich bisher nicht impfen - Söder sieht Gefahr für Impfkampagne

Hintergrund des Konflikts: Hubert Aiwanger lässt sich bislang nicht impfen – und schürt allgemeine Impfskepsis. So erklärte er im ZDF-Sommerinterview, er kenne Nebenwirkungen, da bleibe einem „die Spucke weg“. Obendrein sei nicht bewiesen, ob die Impfstoffe wirken, „da muss man aufpassen“.

Markus Söder sieht durch derartige Äußerungen die bayerische Impfkampagne in Gefahr. Seine Sorge hat durchaus Berechtigung: Zwar sehen 63 Prozent der Bayern die Aussagen als kritisch, doch fast jeder Dritte, 31,6 Prozent, sieht das anders. Der Rest ist unentschlossen, so eine Civey-Umfrage im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“.

Vorbildlich mit Maske: Markus Söder. Hubert Aiwanger (r.) nimmt es nicht so genau.
Vorbildlich mit Maske: Markus Söder. Hubert Aiwanger (r.) nimmt es nicht so genau. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Aiwanger klagte bereits gegen die Bundesnotbremse

Angesichts dieser Umfragewerte fällt es dem bayerischen Ministerpräsidenten schwer, die öffentlich zur Schau getragene Impfskepsis Aiwangers nicht als Angebot an Wählerschichten zu begreifen, die vor einem Kreuz bei der AfD noch zurückschrecken.

Dass Aiwanger etwa im Frühjahr medienwirksam beim Bundesverfassungsgericht gegen die damals zur Debatte stehende Bundesnotbremse in der Corona-Politik klagte – deren Einführung er in Bayern selbst mit beschlossen hatte –, würde in ein solches Bild gut passen.

Immer verpackt in das Image des studierten, aber geerdeten Landwirts, der den gesunden Menschenverstand der kleinen Leute den Positionen der großen Politik entgegenstellt. Wohl auch mit diesem Verständnis erklärte er im vergangenen Frühjahr in Ismaning, Starkbierfeste seien „der natürliche Feind des Coronavirus“.

Schon mehrfach fischte Aiwanger bei Wählerinnen und Wählern rechts von der Union. Etwa als er 2019 ein Tragerecht für Messer verlangte. „Ich bin überzeugt, Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte, und wir würden die Schwerkriminellen einsperren.

Aiwangers Populismus macht seine Partei beliebter

Das wäre der richtige Weg“, sagte er damals. Eine Argumentationslinie, die an die US-Waffenlobbyorganisation NRA erinnert, die das Recht auf Schusswaffen aus einer Art Selbstjustiz der Anständigen ableitet.

Aiwangers Populismus wirkt: Die Umfragen sehen seine Partei im Aufwärtstrend. Die Freien Wähler, so rechnet Aiwanger vor, stehen bundesweit bei drei Prozent. Das Schließen der Lücke bis zur Fünfprozenthürde hält der 50 Jahre alte Familienvater für möglich – wenn nicht diesmal, dann später.

Sollte tatsächlich der Sprung in den Bundestag gelingen – dann hält sich Aiwanger für ein Ministeramt bereit. Sein Kalkül: Im Falle eines Einzugs in den Bundestag wäre die politische Landkarte im Bundestag so vielfältig, dass die Freien Wähler in fast jeder denkbaren Koalitionsvariante willkommen sein müssten.