München/Berlin. Für die Impfung nach München und zurück nach Italien – Impftourismus am Flughafen beschäftigt bayerische Behörden. Nun gab es Razzien.

  • Ende Mai sorgte in München ein Fall von Impftourismus für Aufsehen
  • Dabei sollen rund 120 Angestellte eines italienischen Hotels nach München geflogen worden sein
  • Am Flughafen soll den Mitarbeitenden dann eine Spritze des Biontech-Impfstoffs verabreicht worden sein
  • Anschließend flog die Gruppe wieder nach Hause
  • In dem Fall ermittelt eine bayerische Anti-Korruptionsbehörde gegen sieben Beschuldigte
  • Am Freitag durchsuchten sie mehrere Objekte in München

Auf der Webseite wirbt das „Forte Village Resort“ auf Sardinen mit weißen Stränden, Swimming-Pools und Sterne-Hotels. „Maximale Entspannung“ sei garantiert. Sogar in Zeiten der Corona-Pandemie. Was der Konzern nicht erwähnt: Rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Resorts sind bereits geimpft. In Deutschland.

Der Fall wirkt skurril, für manche ist er ein Skandal: Auf einem Kurztrip reisten die Angestellten per Flugzeug aus Italien an den Münchner Flughafen, wurden dort geimpft, offenbar von verschiedenen Ärzten – und reisten wenige Stunden später wieder ab. Geimpft.

Impfung für italienische Hotelmitarbeiter: Arzt kommt aus München

Der Fall liegt nun bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG). Es ermittelt gegen insgesamt sieben Beschuldigte. Heikel ist: Die geimpften Hotel-Angestellten waren offenbar weder deutsche Staatsangehörige noch fielen sie in eine der priorisierten Impf-Gruppen. Und noch immer warten Millionen Menschen in Deutschland auf einen Schutz mit der Spritze.

Nun aber sind die Angestellten im Resort auf Sardinien geschützt. Einer der Ärzte hatte sich im italienischen Fernsehen zu der Aktion geäußert. Der Arzt kommt aus München. Der Impfstoff kam aus einer Münchner Apotheke, erklärt dessen Anwalt auf Nachfrage unserer Redaktion. Zu Details will er sich nicht äußern. Man habe alle Unterlagen und Kenntnisse zu der Impfaktion an die Behörde übermittelt und sei „kooperativ“.

Biontech für italienische Luxusresort-Mitarbeiter?

Laut Medienberichten sollen die Impfungen im Hilton-Hotel am Münchner Flughafen stattgefunden haben, wo die italienischen Hotel-Beschäftigten eigenen Angaben zufolge den Biontech-Impfstoff bekommen haben – um kurz danach wieder in die Heimat zurückzufliegen. Wenige Tage vorher war die Impfpriorisierung in den bayerischen Arztpraxen aufgehoben worden.

Geplant war wohl zunächst nur die Erstimpfung, sagte ein Manager des Luxushotels im Interview mit dem italienischen Sender Rai 3. Eine „schützende Blase“ für die Urlauber schaffen, nannte das der Manager. Die Reisegruppe hatte dem Bericht zufolge an jenem 21. Mai, einem Freitag, einen genauen Zeitplan für den Trip: neun Uhr Abflug in Cagliari auf Sardinien, elf Uhr Ankunft in München, danach zum Impfen im Hotel am Münchner Flughafen. Vor dem Rückflug gab es noch bayerisches Bier, dann ging es zurück in die Heimat.

Mitarbeiter des Luxusresorts
Mitarbeiter des Luxusresorts "Forte Village" auf Sardinien sind nach München geflogen, um sich gegen Corona impfen zu lassen. © Imago Images

Italienische Medien berichten über die Impfungen

Auch weitere italienische Medien berichten über die Impfungen in Deutschland. So schrieb etwa vor rund zwei Wochen das Nachrichtenmagazin „Panorama“: „Am vergangenen Freitag wurden alle Mitarbeiter dank eines Pilotprojekts geimpft, das es aufgrund der Organisation von Sonderflügen ermöglichte, das Team nach München in Bayern zu bringen, wo der Impfstoff von Biontech/Pfizer verabreicht wurde.v

Il Giornale D'Italia“ zitiert außerdem eine Pressemeldung zum Thema: „Die Partnerschaft, heißt es in einer Pressenotiz, wurde dadurch ermöglicht, Zugang zu einem speziellen medizinischen Dienst im Ausland zu erhalten, der in keiner Weise die Menge der vorgesehenen und verwendeten Impfstoffe bei der groß angelegten Kampagne beeinflusst, zu der sich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet haben.“ Genauere Angaben zu diesem Dienst gibt es jedoch bisher nicht.

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Söder: „Wir wollen keinen Impftourismus in Deutschland“

Von Seiten des Ferienunternehmens heißt es auf Nachfrage: „Da der verwendete Impfstoff selbstverständlich nicht dem staatlichen deutschen Bestand entstammt, wurde keine einzige in Deutschland wohnende Person nicht oder verspätet geimpft.“ Einen „Impftourismus “ habe es nicht gegeben. Und: „Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass EU-Bürger in einem anderen Mitgliedsstaat oder auch einem Drittland geimpft werden.“ Pandemiebekämpfung sei eine globale Aufgabe.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht das anders: „Ich habe da große Bauchschmerzen, wenn so was stattfindet. Wir wollen keinen Impftourismus nach Deutschland.“ Das Problem: Die Impfverordnung sieht keine strafrechtlichen Sanktionen vor. Nicht einmal Bußgeld ist vorgesehen, wenn Ärzte gegen die Verordnung verstoßen, die etwa die Impfreihenfolge und die für die Impfungen zugelassenen Gruppen bestimmt. Schon bei der Verabschiedung war dies kritisiert worden. Bei möglichen Versuchen von Betrug oder Unterschlagung kann allerdings das Strafgesetzbuch helfen.

Razzien in München

Am Freitag - vier Wochen nach dem angeblichen Impftermin in München - durchsuchte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg mehrere Objekte in der bayerischen Landeshauptstadt. Laut einer Mitteilung wurden unter anderem eine Arztpraxis, ein Apotheke sowie eine Rechtsanwaltskanzlei durchsucht. Der Apotheker soll den Impfstoff unterschlagen und an einen Arzt verkauft und ein Rechtsanwalt die dazu nötigen Verträge aufgesetzt haben. Weitere Ärzte sollen bei der Impfaktion geholfen haben. Sechs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte suchten nach schriftlichen und elektronischen Unterlagen.

"Forte Village" auf Sardinien: Beliebtes Fußballmannschafts-Domizil

Im „Forte Village“ auf Sardinien, das sich selbst als „bestes Resort der Welt“ bezeichnet, hatte sich Ende Mai übrigens die italienische Mannschaft auf die Fußball-Europameisterschaft vorbereitet. Und 2006 war das deutsche Team dort zu Gast, vor der Weltmeisterschaft im eigenen Lande.

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