Stockholm/Berlin. Hormonelle Empfängnisverhütung – das ist für Frauen längst selbstverständlich. Wissenschaftlerinnen feiern nun das Gel für den Mann.

Die Kupferspirale saß nicht richtig, Fiona, eine junge Frau aus Schottland, hatte Schmerzen, bekam ein Abszess am Becken in der Nähe der Eileiter und ließ sich operieren. Nach der OP traten Komplikationen auf, sie bekam eine Sepsis, lag lange auf der Intensivstation. Das alles für die Verhütung?

Es ist nicht gerecht, befand Fionas Partner Ed – und erklärte sich bereit, ein neues Medikament zu testen, das der Frau die Last der hormonellen Verhütung nehmen könnte: Das Anti-Baby-Gel Nestoron/Testosteron. Das Hormon Nestoron soll die Spermienproduktion stoppen, das Testosteron dafür sorgen, dass dem Mann die Lust erhalten bleibt.

18 Monate lang rieb er sich das Mittel im Rahmen einer medizinischen Studie täglich zwischen die Schultern und auf die Brust.

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Ist das der Durchbruch für die „Pille für den Mann“?

Ed bekam Nebenwirkungen, wie sie für so viele Frauen, die regelmäßig die Anti-Baby-Pille schlucken, selbstverständlich sind: Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, wie Ed der britischen Zeitung „Daily Mail“ nun erzählte. Doch Fiona wurde nicht schwanger, „und das Sexleben ist rege wie immer“, sagte sie der Zeitung.

Ist das der Durchbruch für die „Pille für den Mann?“ Für Expertinnen und Experten hat das Mittel das Potenzial, eine ernstzunehmende Alternative zur Anti-Baby-Pille zu werden – und damit dem Mann bei der Verhütung eine neue, verantwortungsvolle Rolle zu geben.

Die Forschung an einem hormonellen Verhütungsmittel für Männer ist Jahrzehnte alt – und wird von Rückschlägen begleitet. So wurde bis 2011 intensiv an der Zulassung für eine Anti-Baby-Spritze für Männer geforscht. Zwei Spritzen alle acht Wochen in den Gesäßmuskel erhielten die Probanden, um die Hormone umzustellen.

Die „Hormonspritze“ wurde zum Flop

„Diese Form der Verhütung ist so sicher wie die Pille für die Frau“, hieß es damals – und doch wurde das Projekt eingestellt, nachdem zehn Prozent der Probanden über Nebenwirkungen wie Depressionen oder Hitzewallungen geklagt hatten – Nebenwirkungen, die Frauen seit Jahrzehnten wie selbstverständlich über sich ergehen lassen, wenn die mit der Anti-Baby-Pille verhüten. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, klagten denn auch Kritikerinnen damals.

Sind nun, ein Jahrzehnt später, die Vorbehalte gegenüber hormoneller Empfängnisverhütung für Männer geringer? Ein internationales Forscherteam ist durchaus optimistisch: Es testete in den vergangenen zwei Jahren das Verhütungsgel für den Mann.

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450 Männer erklärten sich wie Ed bereit, mit dem Gel, das die Hormone Nestoron und Testosteron enthält, die Spermienproduktion zu hemmen, 450 Partnerinnen verließen sich darauf. Laut einer Gruppe von schwedischen Wissenschaftlern, die maßgeblich an der Studie beteiligt waren, gab es keine einzige unerwünschte Schwangerschaft.

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Sind Männer endlich reif für Hormone?

Ein voller Erfolg also, der für die schwedische Studienleiterin Kristina Gemzell Danielsson, Professorin für Gynäkologie am Karolinska Institut in Stockholm, auch aus ethischen Gründen wichtig ist: Denn wenn die Verhütung missglückt, wenn also die Frau schwanger wird, dann müsste sie die Konsequenzen tragen und das Kind austragen – oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Deshalb sei es so wichtig, auch die Partnerinnen der Probanden mit in die Studie einzubeziehen.

Bis das Anti-Baby-Gel für den Mann auf den Markt kommt, werden aber mindestens fünf Jahre vergehen, so Danielsson, „das Interesse der Pharmakonzerne, das Projekt zu unterstützen, ist äußerst gering“. Offenbar glaubt die Branche nicht, dass sich mit einer hormonellen Verhütungsmethode für Männer tatsächlich Geld verdienen lässt.

Die Studienleiterin vermutet Vorbehalte, die auf der Annahme beruhen, Männer seien schlicht nicht bereit, sich Hormonen auszusetzen – obwohl es für Frauen mit der Anti-Baby-Pille seit den 1960-er Jahren zum Alltag gehört.

Der Schotte Ed, der wie alle Studienteilnehmer nur mit dem Vornamen geführt wird, kann das nicht nachvollziehen. „Warum soll ich nicht die Verantwortung übernehmen – wenn ich es kann?“ Und auch die Studienleiterin Danielsson hält die Welt reifer für ein Anti-Baby-Gel für den Mann als manch konservative Marktstrategen annehmen. Schließlich sei es gar nicht schwierig gewesen, Studienteilnehmer zu finden, im Gegenteil: „Die Interessenbekundungen strömten nur so hinein, das war wirklich super.“