Berlin. Das PLURV-Prinzip beschreibt Methoden der Wissenschaftsleugnung. Durch Virologe Drosten erfährt sie aktuell neue Aufmerksamkeit.

Wer in Zeiten von Corona in den sozialen Medien die Diskurse zu Wissenschaftsleugnung und Desinformation verfolgt, stößt immer wieder auf den Hashtag #PLURV. Seit Charité-Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast auf die nähere Bedeutung eingegangen ist, erfreut sich #PLURV zunehmender Beliebtheit. Doch was bedeutet die Abkürzung genau?

Corona: Drosten lobt PLURV-Prinzip - Dafür steht die Abkürzung

Der Hashtag #PLURV dreht sich um Desinformation und die Leugnung wissenschaftlicher Fakten: Die Abkürzung steht für Pseudo-Experten, Logik-Fehler, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinen-Pickerei und Verschwörungsmythen. Ins Leben gerufen wurde sie in Zusammenarbeit von Klimafakten.de und SkepticalScience.com in Anlehnung an das englischsprachige Äquivalent #FLICC (Fake Experts, Logical Fallacies, Impossible Expactations, Cherry Picking und Conspiracy Myth).

Das Phänomen jener Grundzüge der Wissenschaftsleugnung lässt sich in zahlreichen Bereichen beobachten, so beispielsweise auch in Bezug auf den Klimawandel. Auf einer Info-Grafik von Klimafakten.de und SkepticalScience.com, die bereits unzählige Male in den sozialen Medien geteilt wurde, sind die einzelnen Punkte konkreter erklärt.

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P: Pseudo-Experten

Unter Pseudo-Experten sind demnach "unqualifizierte Personen oder Institutionen" zu verstehen, die als Quelle für Einwände angeführt werden. Durch eine Masse dieser Pseudo-Expertinnen und -Experten und die Gegenüberstellung mit seriösen Forscherinnen und Forschern werde der Eindruck erweckt, dass tatsächlich eine wissenschaftliche Debatte zu den Einwänden bestehe.

L: Logik-Fehler

Die Logik-Fehler seien erkennbar, wenn falsche Schlussforderungen aus korrekten Informationen gezogen werden. Als Beispiel ist auf der Infografik die irreführende Analogie genannt: Weil sich Dinge in einem bestimmten Punkt ähnlich sind, werde fälschlicherweise daraus geschlossen, dass sie sich auch in anderen Punkten gleichen.

Auch die Ad-hominem-Attacke ist ein klassischer Logik-Fehler: Statt auf ein Argument einzugehen, wird die Person angegriffen oder entwertet, die es hervorgebracht hat. "Ad hominem" ist Latein und heißt "gegen die Person".

U: Unerfüllbare Erwartungen

Auch zu hoch gesteckte Erwartungen gehören zur Wissenschaftsleugnung. Es würden Dinge von der Wissenschaft verlangt, die sie gar nicht erfüllen kann, heißt es dazu auf der Infografik - "zum Beispiel durch das Fordern eines Grades von Gewissheit, der unerreichbar ist."

R: Rosinen-Pickerei

Bei der Rosinen-Pickerei werden Informationen bewusst gekürzt und so ausgewählt, um isoliert betrachtet die eigene Position zu stärken. Als Beispiel wird auf der Infografik die Anekdote genannt: Eine subjektive Erfahrung wird als Argument für eine Theorie hervorgehoben, statt eine breite Informationsbasis abzubilden.

V: Verschwörungs-Mythen

Den letzten Buchstaben bilden die Verschwörungs-Mythen: Einzelpersonen oder Gruppen werden geheime Machenschaften unterstellt, ihnen wird beispielsweise das absichtliche Fälschen von Beweisen vorgeworfen. Auch interessant: Youtube sperrt Kanal von Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen

#PLURV: Das hat Virologe Drosten mit dem Hashtag zu tun

In der 82. Folge des NDR-Coronavirus-Update ist Drosten auf das PLURV-Prinzip eingegangen und hat verschiedene Beispiele für die einzelnen Punkte genannt. "Wir erkennen in der Rückschau auf die Präsentation der Pandemie in den Medien alle diese Prinzipien wieder", sagte Drosten. Pseudo-Experten (P) gebe es aktuell sehr viele: "Die haben Professoren- und Doktortitel, aber in einem anderen Fach."

Das Phänomen des Logik-Fehlers (L) einer irreführenden Analogie sei ebenfalls häufig erkennbar: "Wir haben über und über den Grippe-Vergleich gehört." Als Beispiel für unerfüllte Erwartungen (U) führte der Virologe unter anderem die Diskussion über Diagnostiktests an. Man führe "Scheinargumentationen" darüber, dass Dinge nicht perfekt seien. "Es ist nun mal so, dass kein Test perfekt ist." Jeder Test weise eine kleine falsch-postive Rate auf. Es käme aber auf die Quantität an.

Drosten: "Rosinen-Pickerei einzelner wissenschaftlicher Befunde"

Rosinen-Pickerei (R) erlebe man in der öffentlichen Argumentation besonders häufig: Einige wenige Studien zu einem bestimmten Thema würden ausgewählt, um ein Argument zu stützen. Man habe häufig in Hinblick auf die Schulen das Argument gehört, dass Kinder nie an Covid-19 erkranken würden: "Das ist Rosinen-Pickerei von einzelnen wissenschaftlichen Befunden." Statistischen Erhebungen zufolge seien teilweise mehr Kinder infiziert als Erwachsene.

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Zu den Verschwörungsmythen (V) wies Drosten darauf hin, dass es nicht nur die "schillernden" Geschichten etwa zu Bill Gates gebe, sondern auch eine "subtilere Form": Es sei immer wieder versucht worden, "Experten zu unterstellen, sie würden wissenschaftliche Vorteile aus einer Situation ziehen."

Klimafakten.de sind Drostens Äußerungen zu PLURV im NDR-Podcast nicht entgangen: "Schönen Dank @c_drosten", twitterte das Projekt mit Verweis auf die Infografik.

(raer)