Berlin. Die Corona-Impfungen laufen langsamer als erhofft. Dennoch verzichtet Deutschland nun freiwillig auf 558.000 Dosen Impfstoff. Warum?

  • Immer noch gibt es nicht genügend Impfstoff in Deutschland
  • Dennoch verzichtet Deutschland jetzt auf mehr als eine halbe Millionen Dosen von Biontech
  • Wir erklären, was hinter der Entscheidung steckt

Die Impfkampagne gegen das Coronavirus läuft in Deutschland überaus schleppend. Nach rund drei Monaten hat erst jeder Zwanzigste einen vollständigen Impfschutz erhalten. Neidisch blicken viele auf die Musterschüler Israel, Großbritannien und USA. Warum verschenkt Deutschland in dieser Situation auch noch 558.000 Dosen des wertvollen Vakzins?

Corona-Impfstoff: Ungleiche Verteilung innerhalb der EU

Hintergrund ist eine Unwucht bei der Verteilung der Impfstoffe in der EU. Die 27 Staaten hatten die Impfstoffe gegen das Corona-Virus gemeinsam eingekauft. Dies sollte eigentlich eine gleichmäßige Belieferung aller Mitgliedsländer nach ihrem Bevölkerungsanteil gewährleisten. In der Realität hakt es hier aber – und in einigen Ländern läuft die Impfkampagne noch viel langsamer an als in Deutschland.

Das Ungleichgewicht entsteht so: EU-Staaten können Impfdosen aufkaufen, wenn einzelne Länder ihr Kontingent für die jeweiligen Vakzine nicht ausnutzen. So haben einige Staaten besonders auf den Impfstoff von Astrazeneca gesetzt und sind wegen Lieferschwierigkeiten nun im Nachteil. Deutschland und die meisten anderen EU-Länder wollen jetzt mit Spenden für einen Ausgleich sorgen.

Damit die Impfkampagne in der Europäischen Union wieder in den Gleichschritt kommt, soll ein Sonderkontingent des Biontech/Pfizer-Impfstoffs verteilt werden. Es umfasst zehn Millionen Dosen und soll im zweiten Quartal ausgeliefert werden.

360 Millionen Impfstoffdosen bis Ende Juni

Über die Verteilung haben die Staaten zwei Wochen lang heftig gestritten, obwohl die Zahl angesichts der zu erwartenden 360 Millionen Impfdosen für die ganze EU in den Monaten April bis Juni relativ gering ist.

Jetzt haben sich 24 der 27 Staaten, darunter auch Deutschland, auf einen Kompromiss geeinigt: Sie spenden insgesamt 2,8 Millionen Impfstoffdosen aus dem Sonderkontingent an die fünf besonders bedürftigen Länder Estland, Lettland, Slowakei, Kroatien und Bulgarien. Deutschland verzichtet dabei auf 558.000 Dosen. So will der Impfstoffbeauftragte der Bundesregierung die Engpässe bezwingen.

Die restlichen sieben Millionen Impfdosen aus dem Sonderkontingent sollen wie üblich nachdem Bevölkerungsanteil unter allen 27 Staaten verteilt werden. Estland und Lettland haben sich am Freitag bereits ausdrücklich für die Unterstützung und Solidarität bedankt. Die Aktion mache es möglich, dass in allen Mitgliedstaaten „mindestens 45 Prozent der Menschen bis Ende Juli geimpft würden“, erklärte Portugals Regierungschefs Antonio Costa.

Österreich, Tschechien und Slowenien machen nicht mit

Dagegen machen Österreich, Tschechien und Slowenien bei der Spendenaktion nicht mit. Die drei Länder hatten auch zusätzliche Impfstoffdosen gefordert. Zumindest für Österreich rechnet sich das Nein trotzdem – die Alpenrepublik erhält nun 199.000 Impfdosen aus dem Sonderkontingent. Hätte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz an der Solidaritätsaktion beteiligt, stünden seinem Land nur 139.000 Dosen zu.

Ursprünglich hatte er jedoch 400.000 zusätzliche Impfstoffdosen für sein Land gefordert – die EU-Partner sahen bei Österreich aber keinen Ausgleichsbedarf. Kurz hatte seine Ablehnung nun damit begründet, dass Tschechien bei dem Kompromiss nicht die nötigen zusätzlichen Impfdosen erhalte. Doch der Vorschlag hatte eine Extrazuteilung für das Nachbarland vorgesehen. Diese ist nun weg.

Auch in den Vorwochen hatte Kurz einen eigenwilligen Kurs verfolgt. Er hatte verkündet, sich beim Impfstoff nicht mehr auf die EU verlassen zu wollen, schmiedete eine Impfallianz mit Israel und kündigte an, das russische Vakzin Sputnik V zu kaufen. EU-Diplomaten sind empört über dieses Vorgehen – denn es passt so gar nicht nach Kurz’ Forderung nach Impfstoff-Solidarität in der EU. (aky/AFP/dpa)