Palma. Die Corona-Krise zwingt immer mehr Frauen auf Mallorca in die Prostitution. Sie müssen ihre Dienste oft schon ab 15 Euro anbieten.

Die Hintergründe der Frauen, die an der Plaça Sant Antoni warten, sind unterschiedlich. Sie sind alleinerziehende Mütter, ehemalige Kellnerinnen, Putzfrauen, eingereist, oder auf Mallorca aufgewachsen. Was ihnen gemeinsam ist: Sie alle sehen durch die Corona-Krise keine andere Möglichkeit mehr als die Prostitution. Wie Medien und Hilfsorganisationen berichten, ist die Armut auf der Urlaubsinsel durch die Pandemie sichtbarer geworden und auch die Elendsprostitution hat zugenommen. Lesen Sie hier: Corona-Pandemie verschärft Lage der Sexarbeiterinnen auf Mallorca.

„Für viele ist die Rückkehr oder der Eintritt in die Prostitution der einzige Weg, um ihre Familien zu versorgen“, erklären Inmaculada Mas Nadal und Rafa Campos von der Organisation Ärzte der Welt gegenüber der Deutschen Nachrichtenagentur (dpa).

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Corona-Krise zwingt Frauen in die Prostitution

Voriges Jahr habe man sich um 1168 Menschen gekümmert, die auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln der Prostitution nachgingen, die in Spanien in einem rechtlichen Graubereich stattfindet. Davon seien 439 Menschen zum ersten Mal betreut worden. Dass es wegen der Krise immer mehr „Neulinge“ gibt, bestätigt auch Magdalena Alomar von der gemeinnützigen Organisation Casal Petit gegenüber der dpa.

„Neulinge“ wie Leila. Die Marokkanerin erzählte der Regionalzeitung „Última Hora“, sie habe im Zuge der Krise ihren Job als Küchenhilfe in einem Restaurant verloren und sei nun neu im Metier. Ihrer Familie verheimliche sie die neue Tätigkeit. „Ich muss meiner Mutter und meinen Geschwistern Geld schicken. Wir sind arm.“

Frauen müssen Preise senken und ohne Schutz arbeiten

Viel Geld wird derzeit aber nicht eingenommen, denn in Palmas Straßen ist wenig los. Der „komplette Dienst“ im Zentrum Palmas, unweit der Nobel-Einkaufsstraße Passeig del Born, wird bereits für 15 Euro angeboten wird, sagt Jaume Perelló von der Organisation Casal Petit. Laut „Última Hora“ stehen sich die meisten Frauen jeden Tag zwölf Stunden lang auf der Straße - und kommen dennoch auf Einnahmen von nur rund hundert Euro die Woche.

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„Die Frauen erzählen uns, dass viele die Preise gesenkt haben und auch Sex ohne Schutz akzeptieren, weil der Konkurrenzkampf so groß ist“, sagen die Helfer von Ärzte der Welt. Die Kunden verhandelten nun mehr. Dabei sind die Arbeitsbedingungen nicht nur wegen des Virus viel gefährlicher als zuvor. Die Zuhälter übten in der Krise auch viel mehr Druck auf die Frauen aus, heißt es.

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Schlepperbanden setzten die Frauen unter Druck

An der Plaça Sant Antoni versichern die meisten Frauen gegenüber Medien, dass sie keinen Zuhälter haben. Perelló weiß aber, dass das nicht immer stimmt und dass einige bei den Schlepperbanden, die sie nach Spanien gebracht haben, Schulden von bis zu 7000 Euro haben. Deshalb müssten sie „jeden Preis akzeptieren“. Körperliche und psychische Gewalt seien Alltag.

Betroffen sind die Schwächsten der Schwachen. Nach Angaben von Ärzte der Welt haben zwei Drittel der von der Organisation betreuten Prostituierten eine Familie zu versorgen. Und davon seien die meisten, etwa 80 Prozent, alleinerziehende Mütter. Viele sind Einwanderinnen aus Ländern wie Kolumbien, Osteuropa und Marokko.

Viele Frauen haben zuvor in einem anderen Job ohne Vertrag gearbeitet

Aber es gibt auch Mallorquinerinnen, die vor der Pandemie zwar einen Job etwa als Putzfrau, Kinder- oder Seniorenbetreuerin, aber keinen festen Arbeitsvertrag hatten und daher leicht vor die Tür gesetzt werden konnten. Sie haben kein Recht auf Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld.

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Nach einer Studie der Universität der Balearen hat sich die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen auf Mallorca in nur einem Jahr auf 34.000 verdoppelt. Die Tristesse ist in der Party-Hochburg enorm. Die Zahl der Urlauber fiel 2020 um fast 90 Prozent, Touristen gibt es derzeit am Ballermann keine. Restaurants und Bars sind mindestens bis Anfang März dicht.

Zuletzt wurde Spanien vom Robert Koch-Institut noch als Risikogebiet eingestuft - aber ohne außergewöhnlich hohe Corona-Neuansteckungen.

(msb/dpa)