Berlin. Teenies verabscheuen Skinny-Jeans und Seitenscheitel – also die Symbole der Millennials. Was ist das schon wieder für ein Konflikt?

Skinny-Jeans. Das sind die Hosen, die nur im Stehen eine gute Figur machen, sie sitzen hauteng von der Hüfte bis zum Köchel. Im Sitzen schwappt schon mal die Speckrolle drüber, oder, noch schlimmer, sie legt den Übergang zwischen Rücken und Po frei. Ich trage Skinny-Jeans seit Jahrzehnten, zusammen mit Chelsea-Boots und Stiefeletten. Die Studentenkinder sind mit der schwarzen Variante groß geworden.

Und nun sagt das Teenie-Kind, es gebe kein schlimmeres Kleidungsstück. Skinny-Jeans sei das Markenzeichen der Generationen, die so ziemlich alles verbockt haben, was dem Teenie-Kind zu schaffen macht.

Skinny-Trägerinnen und -Träger haben das Klima ruiniert und die Natur. Sind verantwortlich für die Massentierhaltung. Den Verlust des Trinkwassers durch den ruinösen Anbau der Avocado. Es sind die bürgerlich-spießigen Jahrgänge ohne Haltung, die nur an ihrem eigenen Ego interessiert sind. An ihrem Job, ihrer Familienplanung.

Das Kind meint natürlich die Millennials, also die Generation unter 40, und schmeißt ihre 22-jährigen Zwillingsgeschwister zusammen mit uns Eltern in den Topf voller Vorwürfe, was mir als Boomer, klar über 50, natürlich schmeichelt.

Frauengold: Wide Leg und Crop Top ist die Teenie-Alltagskleidung

Kolumnistin Birgitta Stauber.
Kolumnistin Birgitta Stauber. © Reto Klar | Reto Klar

Ist schon seltsam: Die Kinder sind gerade mal sechs Jahre auseinander und verstehen sich als unterschiedliche Generationen.

Das Teenie-Kind in seiner Blase trägt die Jeans mit geraden Bein („wide leg“) mit bauchfreiem Shirt („crop top“), im Winter kombiniert mit riesigem Sweatshirt, dazu die ganzjahrestauglichen weißen Turnschuhe (die sich ehrlicherweise nur wenige Tage nach dem Kauf in Schmuddelschuhe verwandeln, bei denen man nur ahnen kann, dass sie mal weiß waren).

Noch schlimmer als Skinny-Jeans, sagt unser Teenie, „ist der Seitenscheitel“.

Auch interessant:Gucci verkauft Hosen mit Grasflecken-Optik für 680 Euro

Die Millennials schlagen auf TikTok zurück

Die Studentenkinder, vom Kind auf der Schwelle zu den Millennials verortet, zeigen der kleinen Schwester einen Vogel und zur Untermalung lustige TikTok-Spots von 30-jährigen, die sich ihre Jeans und ihren Seitenscheitel-Bob nicht madig machen wollen. Und sie sind stolz auf ihr Rebellentum mit 14, 15, 16, als sie Haar abrasierten oder blondierten und Glitzerschuhe trugen kombiniert mit Bandshirts.

Das langhaarige Mittelscheitel-Kind, das die Welt ohne Smartphone nicht erlebt hat, das nicht mehr weiß, wie es ist, ohne Verabredung einfach mal jemanden auf dem Festnetz anzurufen, winkt ab bei den Geschichten von gestern. Es hat sich gerade selbst entdeckt und erhebt sich im Bewusstsein ihrer Gruppe über alle, die älter sind als 20.

Es empfindet die Erklärungen der älteren Geschwister als Klugscheißerei und wirft uns Eltern vor, gar nichts mehr zu verstehen, reißt uns allen das Smartphone aus der Hand, weil es meint, wir könnten damit nicht richtig umgehen, verbietet uns, Rindfleisch zu essen („Klimakiller Nummer eins“) und belächelt uns, weil wir täglich unseren Facebook-Account checken.

Lesen Sie hier:Warum die Generation Y die Gewinnerin der Corona-Krise ist

Meine „pseudo-philosophische Boomer-Perspektive“

Facebook ist überflüssig“, sagt es. Die Geschwister wollen sich nicht sagen lassen, keine Ahnung zu haben und TikTok-en jetzt auch, drehen Filmchen über ihren Livestyle, ihren Lernfrust, den Frühstücksbowl.

Ich finde das Teenie-Kind ganz schön dominant. Eigentlich auch intolerant. Bei uns zu Hause steht nun Lebensgefühl gegen Lebensgefühl. Meins ist: Leben und leben lassen. Der Studentensohn sagt dazu, dass sei die pseudo-philosophische Boomer-Perspektive.

Wir haben offensichtlich viel zu viel Zeit in dieser Pandemie, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Was sollen wir heute kochen, fragt der Gatte und reißt mich aus meinen Gedanken. Hauptsache vegan, ruft das Kind. Ich hätte gern ein Steak. Mit grünen Bohnen, in Speck gedünstet.

Wenn das kein Generationenkonflikt ist.

Lesen Sie auch:Hüte, Hosen und Co.: Kunden stehen für Aldi-Mode Schlange

Weitere Frauengold-Kolumnen: