Washington. Die USA sind Ziel einer massiven Cyberattacke. Amerikanische Politiker sind entsetzt – auch über das Schweigen von Präsident Trump.

Ein massiver Hackerangriff, den Politiker in Washington mit einer „Kriegshandlung“ vergleichen, könnte die nationale Sicherheit der USA gefährdet und zudem die Computernetzwerke tausender Unternehmen in mindestens neun Ländern kompromittiert haben. Die US-Regierung vermutet, dass sich hinter der Cyberattacke der russischen Regierung nahe stehende Hacker verbergen, doch der Kreml wies postwendend jede Verantwortung zurück.

Bereits Mitte der Woche kursierten erste Berichte, wonach Hacker die Systeme mehrerer Regierungsbehörden infiltriert hatten. Deutlich später wurde aber erst klar, welche Dimensionen die Angriffe mit dem Namen „Sunburst“, die offenbar schon im März begonnen hatten, mittlerweile angenommen haben.

Auch das US-Finanzministerium soll angegriffen worden sein.
Auch das US-Finanzministerium soll angegriffen worden sein. © AFP | ERIC BARADAT

Eingedrungen sind die Cyber-Piraten unter anderem in die internen Netzwerke des Pentagon, der Heimatschutzministeriums ebenso wie der Finanz- und Handelsministerien sowie des Energieressorts und des Nationalen Gesundheitsinstituts NIH. Der Forschungsarbeit des NIH kommt unter anderem im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie zentrale Bedeutung zu.

Auch Großkonzerne von Attacke betroffen

Eines der Opfer war die dem Energieministerium angegliedert Behörde NNSA, die für die Verwaltung der Atomwaffenarsenale und deren Sicherheit zuständig ist. Zugang zu Daten oder Informationen über die nuklearen Waffenbestände der USA konnten sich die Hacker aber nicht verschaffen, bestätigte das Ministerium.

Leidtragende könnten aber auch multinationale Konzerne rund um den Globus sein. Brad Smith, Präsident des Softwareherstellers Microsoft sagte, dass „etwa 40 unserer Großkunden dem Angriff zum Opfer fielen, etwa 80 Prozent von ihnen in den USA“. Zielscheibe der Angriffe waren nach Angaben des Konzernlenkers aber auch die Systeme von Firmen in Kanada, Großbritannien, Spanien, Belgien, Mexiko, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Behörde bezeichnet Cyberangriff als „gravierende Gefahr“

Experten der für Cybersicherheit zuständigen US-Behörde CISA beschrieben die Attacken, die „eine gravierende Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen“, als außerordentlich komplex. Gefährdet sein könnten nun die Netzwerke und Datensysteme nicht nur der Bundesministerien, sondern auch der Regierungen auf Ebene einzelner Staaten und Gemeinden.

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CISA bescheinigte den Hackern jedenfalls „Raffinesse sowie operative Sicherheit und komplexe Handwerkskunst“. Verwendet hatten diese offenbar eine schadhafte Version einer Netzwerkmanagement-Software, die vom US-Hersteller Solarwinds angeboten wird. Diese hatte man als Einfallstor verwendet, um Nutzerdaten zu umgehen und in die Networks einzudringen.

Dass die Hacker ihre Angriffe über mehr als achte Monate unbemerkt fortsetzen konnten, begründete ein Geheimdienstmitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden wollte, mit der Geduld und Präzision der Ausführung. „Es war eben kein Überraschungsangriff wie Pearl Harbor, der alle prompt in Aufruhr versetzt und eine massive Antwort aus staatlicher Ebene auslöst“, sagte er.

Senator zieht Parallele zum Kalten Krieg

Weder sei es durch Cyberattacken gegen Versorgungsnetze zu massiven Stromausfällen gekommen, noch seien Finanzmärkte durcheinandergewirbelt oder Geld gestohlen worden. Ziehe man eine Parallele zum Kalten Krieg, „dann war das etwa so, als würden Spione, getarnt als US-Regierungsmitarbeiter, in Ministerien ein- und ausgehen und unauffällig Dokumente in den Aktenkoffer stecken.“

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Politiker in Washington zögerten nicht, die Hackerangriffe aufs Schärfste zu verurteilen. Der demokratische Senator Chris Coons, der im Justizausschuss unter anderem für Terrorismusbekämpfung zuständig ist, sprach von „einem Ausmaß an Aggression, die eigentlich nur mit einem Kriegsakt zu vergleichen ist“. Coons sagte, er habe während seines „gesamten Lebens keinen Angriff erlebt, der so zerstörerisches Potenzial für unsere militärischen und unsere Geheimdienstsysteme hat“.

“Als würde ein russischer Bomber über die USA fliegen, einschließlich der Hauptstadt Washington und was macht der Präsident? Gar nichts“: Der republikansiche Senator Mitt Romney ärgert sich über eine ausbleibende Reaktion des noch amtierenden Präsidenten Donald Trump.
“Als würde ein russischer Bomber über die USA fliegen, einschließlich der Hauptstadt Washington und was macht der Präsident? Gar nichts“: Der republikansiche Senator Mitt Romney ärgert sich über eine ausbleibende Reaktion des noch amtierenden Präsidenten Donald Trump. © AFP | Tasos Katopodis

Joe Biden will Cybersicherheit „Top-Priorität“ einräumen

US-Präsident Donald Trump hüllte sich zumindest bis Freitagabend zu dem Skandal in Schweigen und erntete deswegen selbst von republikanischen Parteifreunden teilweise harte Kritik. „Unfassbar, das ist ungefähr so, als würde ein russischer Bomber über die USA fliegen, einschließlich der Hauptstadt Washington“, staunte Senator Mitt Romney, „und was macht der Präsident? Gar nichts“.

Anders Trumps Nachfolger Joe Biden, der unverblümt zum Angriff blies. Biden bestätigte den „massiven Verstoß gegen unsere Cybersicherheit mit potenziell tausenden von Opfern,“ Als Präsident werde er auf keinen Fall tatenlos zusehen, wie die USA Opfer von gefährlichen Hackerangriffen werden, versprach er. Gleich nach seinem Amtsantritt werde daher der Umgang mit Operation Sunburst für die Regierung „auf allen Ebenen eine Top-Priorität“.