Berlin. Hologramme können Tote zumindest virtuell wiederbeleben. Das wirft Fragen auf über ein digitales Leben nach dem Tod. Und über Risiken.

Es ist die rührende Rede eines stolzen Vaters: „Ich bin so beeindruckt von der Frau, die du geworden bist, Kimberly, und von allem, was du erreicht hast“, sagt der Mann in dem beigefarbenen Anzug, der nicht der heutigen Mode entspricht, zum 40. Geburtstag seiner Tochter, Reality-TV-Darstellerin Kim Kardashian.

Und er fügt hinzu, dass er jeden Tag über sie, ihre Geschwister und ihre Kinder wache. Denn Star-Anwalt Robert Kardashian ist seit 17 Jahren tot. Kim Kardashians Ehemann Kanye West ließ ihn als Hologramm auferstehen. Ungefähr 300.000 Dollar, schätzen Experten, kostete der Vier-Minuten-Spuk. Lesen Sie mehr: Kim Kardashian ist 40: Wie wurde sie so jung so steinreich?

Nur die neueste Spinnerei eines überdrehten Hollywoodclans, den Geschenke wie Juwelen oder ein Bentley nicht mehr vom Hocker reißen? Vielleicht. Doch was Influencer wie Kim Kardashian anstoßen, wird nachgeahmt.

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Hologramme als Zukunftsmarkt

„Die digitale Wiederbelebung von Toten ist ohne Zweifel ein Zukunftsmarkt“, sagt der Wirtschaftsinformatiker und Buchautor Oliver Bendel („Maschinenliebe“). Und dieser Markt sei nicht nur Superreichen vorbehalten: „Es genügen heute bereits wenige Minuten der Originalstimme, um Sprachassistenten beliebige Sätze sprechen zu lassen, die ihr täuschend ähnlich sind.“

Die App Replika wird bisher vor allem genutzt, um mit fiktiven Freunden zu chatten. Die IT-Unternehmerin Eugenia Kuyda erfand sie jedoch, um nach einem Verlust Trost zu finden. „Roman war mein bester Freund. Jetzt ist er tot. Ich wollte aber noch einmal mit ihm sprechen“, erklärte sie auf einer Konferenz.

Also fütterte sie ihr Chatbot-System mit Unmengen Whatsapp-Gesprächen zwischen ihr und dem Verstorbenen. Sie programmierte künstliche neuronale Netze, die die Struktur des Gehirns nachahmen, Sprachmuster übernehmen und von selbst dazulernen. Mehr zum Thema: Corona: Kim Kardashian kassiert Kritik für Privatinsel-Party

Was klingt wie eine Science-Fiction-Version von „Frankenstein“, bedeutete für Kuyda einen Weg, ihren Schmerz auszuhalten. „Ich vermisse dich“, schrieb sie als Erstes. Romans posthume Antwort: „Ich vermisse dich auch. Ich habe dich letztens in deinem Traum gesehen.“

Avatare: Trost oder neue Wunden?

Ein ewiger Menschheitstraum ist es, den Tod zu besiegen. Durch künstliche Intelligenz scheint er greifbar. „Es werden zukünftig Avatare von Toten erzeugt, ähnlich den Neons, digitale Menschen, an denen Samsung bereits tüftelt“, ist Bendel sich sicher. „Man wird seine Toten auch in Form von humanoiden Robotern um sich haben.“

Verstörend: In einer südkoreanischen Fernsehshow traf eine Mutter auf das Abbild ihrer verstorbenen Tochter.
Verstörend: In einer südkoreanischen Fernsehshow traf eine Mutter auf das Abbild ihrer verstorbenen Tochter. © Youtube / MBClife

Unternehmen wie Hanson Robotics und Realbotix in den USA oder die Hiroshi Ishiguro Laboratories in Japan könnten schon heute lebensechte Abbildungen herstellen. Denkbar, dass irgendwann dazu das gesamte Gehirn eines Menschen digital kopiert wird. Lesen Sie hier: Der irre Kandidat – Kanye West will US-Präsident werden

Hollywood lässt seine Legenden schon seit geraumer Zeit wieder leben: In „Blade Runner 2049“ von 2017 spielten Elvis Presley und Frank Sinatra mit. Justin Timberlake sang 2018 ein Duett mit dem toten Prince. Die Rechte dafür einzuholen, ist allerdings kompliziert.

Doch stellt die Wiederauferstehung als virtuelles Wesen gleichsam vor ethische Herausforderungen: Was, wenn den Toten Worte in den Mund gelegt werden, die nicht ihren Überzeugungen entsprochen hätten? Bestimmt wäre es im Sinne Joaquin Olivers gewesen, als seine Eltern sein Abbild in einem Video mittels sogenannter Deepfake-Technologie gegen Waffengewalt sprechen ließen.

Hologramme könnten für finstere Zwecke eingespannt werden

„Geht wählen, weil ich es nicht kann“, fordert seine 3D-Replik auf. Der Schüler war Opfer des Parkland-Massakers. Ob aber Kanye Wests Schwiegervater, den er nie kennenlernte, tatsächlich so begeistert gewesen wäre von dem Rapper, wie der es das Hologramm sagen ließ, weiß niemand. Und schließlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Toten auch für finstere Zwecke vor den Karren gespannt werden.

Internet-Ethiker Bendel warnt zudem davor, dass die digitale Wiederkehr bei Hinterbliebenen Wunden aufreißen kann, statt Trost zu spenden. In der südkoreanischen Fernsehsendung „Ich traf dich“ wurde eine Mutter in einer virtuellen Realität mit ihrer sechsjährigen Tochter „wiedervereint“, die an Leukämie verstorben war.

„Ich habe dich vermisst“, schluchzt die Mutter tränenüberströmt und will der Simulation übers Haar streicheln. Sie greift ins Leere.