Berlin. Kretschmann ohne Maske, Lindner umarmt maskenlos Freunde: Zahlreiche Politiker ernten mit Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen Kritik.

Am Mundschutz entzünden sich zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie hitzige Debatten. Während die einen Mund und Nase gewissenhaft mit waschbaren Community-Masken bedecken, sobald sie die eigenen vier Wände verlassen, ziehen sich die anderen nur dort notdürftig den Schal ins Gesicht, wo es erforderlich ist – oder verzichten entgegen der geltenden Anti-Corona-Maßnahmen sogar überall auf die Bedeckung.

Da die Masken vor allem dem Fremdschutz dienen, wird besonders die letztgenannte Gruppe nicht gern gesehen. Nun sorgt ein Foto von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für Furore: Der Grünen-Politiker sitzt am Berliner Flughafen Tegel im Wartebereich, schaut konzentriert auf sein Tablet – und trägt, anders als alle anderen Wartenden, keine Mund-Nasen-Bedeckung.

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Gegenüber dem SWR bestätigte eine Reisende, die das Foto geschossen und auf Facebook hochgeladen hatte, dass Kretschmann weder am Terminal noch im Flugzeug eine Maske getragen habe. Gemäß den Regeln der Berliner Flughäfen ist die Bedeckung von Mund und Nase jedoch an beiden Orten Pflicht.

Auf eine Anfrage des SWR antwortete das Staatsministerium in Stuttgart, dass das Bild echt sei. Für die fehlende Maske gebe es eine Erklärung: „Eindeutig isst Herr Kretschmann etwas. Das ist mit Maske ja schlecht möglich“, zitiert der SWR einen Regierungssprecher. Im Flugzeug habe der Ministerpräsident anschließend entgegen der Aussage der Zeugin eine FFP2-Maske getragen.

Lindner sorgt mit inniger Umarmung für Kritik

Auch bei der Wahl der passenden Abschiedsgeste ist Fingerspitzengefühl gefragt: Während derzeit dank Coronavirus-Pandemie höchstens die „Ghetto-Faust“ angemessen ist, entschied sich FDP-Chef Christian Lindner nach einem Treffen mit Bekannten im Mai für die Umarmung – und bewies damit denkbar schlechtes Timing, denn mit der kontaktfreudigen Geste verstieß er zweifellos gegen die Abstandsregeln. Anschließend entschuldigte sich Lindner für den Zwischenfall.

„Die spontane Umarmung bei der Verabschiedung war ein Fehler, wie er unter Freunden nach einem Abend leider passiert“, gestand der FDP-Chef gegenüber dem „Spiegel“ ein. Es habe sich dabei nicht um „Vorsatz“, sondern um „Unkonzentriertheit“ gehandelt. In einem Tweet schrieb er: „Am Ende bleibt man Mensch. Tut mir leid!“

Freund im Arm, Mundschutz unter dem Kinn

Christian Lindner mit Mund-Nase-Schutz: Eigentlich weiß der FDP-Chef, wie man ihn trägt.
Christian Lindner mit Mund-Nase-Schutz: Eigentlich weiß der FDP-Chef, wie man ihn trägt. © dpaDeutsche Presse-Agentur! Honorarfrei für FMG-Tageszeitungen! | Kay Nietfeld

Auf Twitter kursierte das Foto, auf dem Lindner neben seiner Lebensgefährtin vor dem bekannten Berliner Restaurant „Borchardt“ in einer festen Umarmung mit einem Bekannten zu sehen ist, während sein Mundschutz unterhalb des Kinn hängt – ein mehr als deutlicher Verstoß gegen die geltenden Abstandsregelungen zur Eindämmung von Corona, die einen Mindestabstand von anderthalb Metern zwischen Personen aus unterschiedlichen Haushalten vorsehen.

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Unerwartete Rückendeckung bekam Lindner von Juso-Chef Kevin Kühnert: „Wer von Menschen und nicht von Politik-Maschinen repräsentiert werden möchte, der wird Fehler in Kauf nehmen müssen“, twitterte der stellvertretende SPD-Chef. „Unabdingbar gehört dazu, dass es dann auch einen souveränen Umgang mit Fehlern in der Politik gibt.“ Lindner zeige, wie das gehen könne. „Stark!“

Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli nimmt Lindner in Schutz

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli nahm den FDP-Chef wegen dessen Umarmung eines Bekannten inmitten der Corona-Krise in Schutz. „Wir sind Menschen, keine Maschinen“, twitterte die SPD-Politikerin.

„Auch ich habe in den letzten Wochen immer wieder reflexhaft Menschen, die ich gern habe, küssen, umarmen und drücken wollen, dies dann erst im letzten Moment gestoppt. Ich finde es sehr menschlich.“ In einem Fall habe sie gegen die Regeln verstoßen, erklärte Chebli auf die Frage einer Leserin, ob jemand in den letzten Wochen unbedacht Freunde oder Familienmitglieder umarmt habe. „Ja. Einmal. Meine Schwester, die gleichzeitig meine beste Freundin ist. Ich hatte sie seit Beginn der Krise nicht gesehen. Unbedacht.“

Anzeige gegen Sachsens Ministerpräsident Kretschmer

Lindner ist nicht der einzige Politiker, der Regelungen nicht einhielt: Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verstieß bereits gegen die Abstandsregeln. Auf einer Anti-Corona-Maßnahmen-Kundgebung in Dresden diskutierte er ohne Maske und ohne Einhaltung des Mindestabstands mit den Demonstranten. Aus diesem Grund erstattete ein Bürger Anzeige gegen den Politiker, wie der „Spiegel“ berichtet.

Gegenüber „Bild“ rechtfertigte Kretschmer seinen Auftritt: „Wenn man mit Menschen sprechen will, die die Maske grundsätzlich ablehnen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Man trägt selbst keine – oder es gibt kein Gespräch.“ Es sei legitim, dass die Demonstranten über die Maskenpflicht diskutieren wollen.

Lesen Sie hier: Corona-Knigge: Wie das Virus weltweit Umgangsformen ändert

Annegret Kramp-Karrenbauer gibt unverhülltes Statement

Ausgerechnet bei einem Statement zur Lieferung von Schutzkleidung aus China hielt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Ende April eine Rede ohne Maske. Dabei war es zu Gedränge gekommen. Später folgte eine Entschuldigung aus dem Verteidigungsministerium mit den klaren Worten: „Das geht besser.“

Auch Gesundheitsminister verstieß schon gegen Hygieneregeln

Selbst Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde schon dabei erwischt, wie er gegen die Hygieneregeln verstieß. Auf einem Foto war Spahn am 14. April zu sehen, wie er sich in der Gießener Uniklinik in einen vollen Aufzug stellte.

Spahn war nicht der einzige Politiker in der gedrängten Aufzugsrunde. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) waren auch mit dabei. Sie trugen zwar alle Mundschutz aber den Mindestabstand hielt keiner der Beteiligten ein.

Spahn-Appell an Bürger- Konsequent bleiben

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    Spahn zeigte sich im Anschluss reumütig. Auch mit Mundschutz sei die Einhaltung des Mindestabstand natürlich wichtig. Alle hätten sich vorgenommen, nicht gleichzeitig in den Aufzug zu steigen – „und dann passiert es halt manchmal doch“.

    Es seien genau die Dinge des Alltags, „wo wir eben alle miteinander die nächsten Wochen und Monate diszipliniert bleiben müssen“. Laut Informationen der „Rheinischen Post“ hagelte es gleich sieben Anzeigen gegen Spahn aufgrund des Fotos.

    Armin Laschet beweist Selbstironie

    Dass zwischen Nase und Mundschutz keinerlei Mindestabstand herrschen sollte, war anscheinend auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet auf einem Pressetermin Ende März entfallen. Denn seine Nase lugte über dem Mundschutz heraus.

    Viele User in den sozialen Netzwerken reagierten mit Hohn und Spott. Laschet reagierte mit Selbstironie. Er veröffentlichte ein Video und zeigte, wie eine Schutzmaske korrekt angelegt wird. Die Überschrift dazu: „NRW kann das. Ich kann das auch.“

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    Auch Österreichs Kanzler Kurz in der Kritik

    In der Kritik stand auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz: Er hielt ohne Mundschutz inmitten einer Menschentraube im Bundesstaat Vorarlberg eine Ansprache, um sich bei den Bürgern für ihre Disziplin während der Corona-Maßnahmen zu bedanken.

    Dabei forderte er die Umstehenden vergebens immer wieder dazu auf, Abstand zu wahren. „Kann mir irgendwer erklären, wieso diese Corona-Party erlaubt ist und die Masken als Halsketten getragen werden?“, twitterte daraufhin Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung „Der Falter“.

    In Deutschland gelten die coronabedingten Kontaktbeschränkungen bis mindestens 29. Juni. Die Regelungen sehen den Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Angehörigen unterschiedlicher Haushalte vor. In den meisten Bundesländern gilt eine Maskenpflicht an bestimmten Orten.

    Bundespräsident Steinmeier kämpft mit Falschbehauptungen

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier musste sich in den vergangenen Wochen mit falschen Unterstellungen zu Verstößen gegen die Hygieneregeln auseinander setzen. Grund dafür waren verfremdete Videoaufnahmen seines Besuchs des Corona-Reservekrankenhaus in Berlin.

    Eine manipulativ zusammengeschnittene Szene sollte den Vorwurf beweisen, Steinmeier habe seinen Mundschutz nur für Fotografen und Kameraleute getragen. Tatsächlich verhielt es sich so, dass Steinmeier seine Maske nur für ein Statement und die Journalistenfragen abgenommen hatte – bei mehr als dem nötigen Mindestabstand.

    Steinmeier hatte während seines Besuches im Hinblick auf die Corona-Verschwörungstheorien mancher Bundesbürger gesagt, „dass unter den Gesichtspunkten des Virusschutzes der vielleicht manchmal unbequeme und lästige Mundschutz empfehlenswerter ist als der Alu-Hut“.

    (raer/dpa)

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