Berlin. In der Corona-Krise erobern vielerorts Kojoten oder Rehe die leer gefegten Straßen. Tierschützer freut es, doch es gibt auch Warnungen.

Paraden von Tieren ziehen auf touristischer Mission durch die Städte und erhaschen durch Fensterscheiben Blicke auf Menschen, die in ihren Häusern eingesperrt sind: Cartoons wie dieser werden gerade im Internet geteilt, aber sie haben einen wahren Kern. Denn weltweit wagen sich Wildtiere in die seit der Corona-Krise vielerorts leer gefegten Innenstädte.

Kojoten etwa nähern sich zwar schon länger menschlichen Siedlungen, um Mülltonnen zu durchstöbern, doch Autos machten ihnen Angst. Am Osterwochenende nun posteten zahlreiche Einwohner von San Francisco, wie die sonst nachtaktiven Wildhunde bei Tageslicht entspannt durch die Straßen streifen oder sich vor der Kulisse der Golden Gate Bridge sonnen. Die Umweltbehörde veröffentlichte bereits eine Warnung: Man solle nicht vergessen, dass es sich um Wildtiere handle, und sich ihnen nicht nähern.

Corona-Krise: Pumas, Hirsche und Schwäne erobern die Städte

Derart erstaunliche Aufnahmen gibt es aus der ganzen Welt. Ein junger Puma streift durch Chiles Hauptstadt Santiago, im japanischen Nara tummeln sich Hirsche in der Einkaufsstraße. In Mailand sorgten Schwäne in den „Navigli“, einem eigentlich beliebten Ausgehviertel, für Aufsehen.

Tiere erobern die leeren Städte

In der Corona-Krise sind die Straßen in vielen Ländern seit Wochen leer – und werden von Wildtieren zurückerobert. In der indischen Stadt Kalkutta besetzen streunende Hunde eine Straße.
In der Corona-Krise sind die Straßen in vielen Ländern seit Wochen leer – und werden von Wildtieren zurückerobert. In der indischen Stadt Kalkutta besetzen streunende Hunde eine Straße. © AFP | DIBYANGSHU SARKAR
16.04.2020, Polen, Zakopane: Eine Herde von Rehen und Hirschen spaziert durch die polnische Stadt Zakopane an einer Tankstelle vorbei.
16.04.2020, Polen, Zakopane: Eine Herde von Rehen und Hirschen spaziert durch die polnische Stadt Zakopane an einer Tankstelle vorbei. © dpa | Grzegorz Momot
Eine ungewöhnliche Paarung: In der Hafenstadt Mar del Plata in Argentinien liegen Seelöwen und Hunde gemeinsam in der Sonne herum.
Eine ungewöhnliche Paarung: In der Hafenstadt Mar del Plata in Argentinien liegen Seelöwen und Hunde gemeinsam in der Sonne herum. © dpa | Diego Izquierdo
Selbst von den wenigen Menschen, die sich auf die Straße trauen, lassen sich die Seelöwen nicht stressen.
Selbst von den wenigen Menschen, die sich auf die Straße trauen, lassen sich die Seelöwen nicht stressen. © dpa | Diego Izquierdo
Ein Hirsch überquert einen Fußgängerübergang im japanischen Nara. Mehr als 1000 von ihnen laufen derzeit in der alten Hauptstadt Japans frei herum.
Ein Hirsch überquert einen Fußgängerübergang im japanischen Nara. Mehr als 1000 von ihnen laufen derzeit in der alten Hauptstadt Japans frei herum. © dpa | Jae C. Hong
Ein Schakal hat es sich im Yarkon Park in Tel Aviv (Israel) gemütlich gemacht. Der Jogger stört da nicht.
Ein Schakal hat es sich im Yarkon Park in Tel Aviv (Israel) gemütlich gemacht. Der Jogger stört da nicht. © AFP | JACK GUEZ
Ob diese Esel Geld abheben wollen?
Ob diese Esel Geld abheben wollen? © AFP | Sanjay Kanojia
In Sri Lanka ziehen Hirsche durch die verlassenen Städte.
In Sri Lanka ziehen Hirsche durch die verlassenen Städte. © AFP | Str
Kleiner Ausflug in die Stadt: In Llandudno im Norden von Wales entdecken wilde Kaschmirziegen die Umgebung.
Kleiner Ausflug in die Stadt: In Llandudno im Norden von Wales entdecken wilde Kaschmirziegen die Umgebung. © Getty Images | Christopher Furlong
Eigentlich leben die Tiere am Berg Great Orme, doch im Ort scheint es ihnen auch zu gefallen. Ihre Lieblingsspeise: die Hecken.
Eigentlich leben die Tiere am Berg Great Orme, doch im Ort scheint es ihnen auch zu gefallen. Ihre Lieblingsspeise: die Hecken. © Getty Images | Christopher Furlong
In Pristina, der Hauptstadt des Kosova, sind die Straßen verwaist – bis auf die zwei Straßenhunde.
In Pristina, der Hauptstadt des Kosova, sind die Straßen verwaist – bis auf die zwei Straßenhunde. © AFP | Armend Nimani
Ein Puma auf der Suche nach Futter schleicht durch ein Wohngebiet in Santiago de Chile.
Ein Puma auf der Suche nach Futter schleicht durch ein Wohngebiet in Santiago de Chile. © AFP | Andres Pina
Endlich in Ruhe Spazierengehen: Zwei Enten beim Stadtbummel in Paris.
Endlich in Ruhe Spazierengehen: Zwei Enten beim Stadtbummel in Paris. © AFP | THOMAS COEX
Das werden sich auch diese beiden Hirsche gedacht haben. Sie erkunden Boissy-Saint-Léger in der Nähe von Paris.
Das werden sich auch diese beiden Hirsche gedacht haben. Sie erkunden Boissy-Saint-Léger in der Nähe von Paris. © AFP | Handout
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„Normalerweise leben Wildtiere in unseren Städten im Verborgenen, an Orten, die wir nicht sehen, wie Gespenster“, erklärt Seth Magle vom Institute of Urban Wildflife in Chicago. „Jetzt wagen sie sich in sonst belebte Nachbarschaften vor – so wie bei uns ein Rudel wilder Truthühner.“ Im Tel Aviver Stadtpark Hajarkon etwa lebten nach einem Bericht der Zeitung „Haa­retz“ schon vor der Corona-Krise zehn Schakalfamilien, nun zeigten sich die Tiere vermehrt auch auf Parkwegen.

Fische kehren in Venedigs Kanäle zurück

Auf den leeren Straßen der Hauptstädte Indiens und Nepals, wo normalerweise Millionen Menschen unterwegs sind, tummeln sich unterdessen besonders viele Affen. In Venedig posteten Menschen Bilder und Videos von Kanälen, die sauberer als sonst erscheinen und in die Fische zurückkehrten. „Die Natur erobert ihren Raum zurück“, schreiben Nutzer der Gruppe Venezia Pulita (Sauberes Venedig).

Profiteure der Corona-Krise- Affen erobern Neu Delhi

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    Besonders strikt ist seit dem 15. März die Ausgangssperre in Spanien. Nun gehen Wildschweine auf den Luxus-Avenues in Barcelona spazieren, und Pfaue aus dem Park schlendern seelenruhig durch Madrids Zentrum.

    Iberischer Wolf wagt sich in Spanien in Wohngebiete vor

    Der abgenommene Verkehr habe „einen Balsameffekt für die Tierwelt“, meint Roberto Hartasánchez von der Stiftung zum Schutz von Wildtieren (Fapas), allein schon, weil nun weniger Tiere überfahren würden. Án​gel Sán​chez vom ehrenamtlichen Verband für die Zählung des Iberischen Wolfs sagte der Zeitung „El País“, es gebe mehrere Berichte, wonach sich auch dieses Raubtier zuletzt verstärkt in bewohnte Gebiete vorgewagt habe.

    Forscher wie Magle glauben, dass sich das veränderte Verhalten der Tiere auf moderate Weise nach Ende der Corona-Krise fortsetzen könnte – etwa bei Vögeln, die ihre Reviere für die Futtersuche erweiterten. „Diese Zeiten erinnern uns daran, dass Tiere immer in unserer Nähe leben“, sagt er. „Wir denken bei Städten nicht an einen Teil der Natur, aber sie sind es.“

    Hirsche laufen durch menschenleere Straßen in Paris

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      (mit dpa)