Berlin. Rund um die Ausbreitung des Coronavirus kursieren zahlreiche Statistiken. Wir helfen Ihnen, die wichtigsten Kennzahlen zu verstehen.

  • In der Coronavirus-Zeit sind Kennzahlen wie die Fallzahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) oder auch die Reproduktionszahl ein ständiger Begleiter in den Nachrichten
  • Doch was bedeuten sie eigentlich genau und wo liegen etwa Unterschiede zu Daten der Johns-Hopkins-Universität
  • Die wichtigsten Kennzahlen und Statistiken haben wir hier für Sie noch einmal erklärt

Wer die Nachrichten zu Corona verfolgt, wird mit vielen Modellrechnungen, Fachbegriffen und Statistiken konfrontiert. Diese Daten beeinflussen nicht nur Erfolg und Misserfolg aktueller Maßnahmen – sie entscheiden auch darüber, wie unser Alltag in den kommenden Monaten aussehen wird.

Wir erklären die wichtigsten Zahlen zum Coronavirus:

Was hat es mit dem exponentiellen Wachstum der Infektionszahlen auf sich, und welche Aussagen lassen sich dadurch für unser Gesundheitssystem treffen?

Wenn sich die Zahl der Infizierten in jeweils gleichen Zeitabschnitten um denselben Faktor verändert, spricht man von exponentiellem Wachstum (siehe Glossar).

Ein indisches Märchen veranschaulicht das recht eindrücklich: Darin bringt ein kluger Untergebener seinem König das Schachspielen bei, woraufhin ihm der Herrscher zum Dank einen Wunsch erfüllen möchte. Sein Untertan bittet ihn um Folgendes: Legt ein Reiskorn auf das erste Feld das Schachspiels, auf das zweite zwei, das dritte vier, das vierte acht und so weiter.

Also jeweils die doppelte Zahl Körner als auf dem vorangegangenen Feld. Der Wunsch jedoch ist unerfüllbar. Denn auf den 64 Feldern des Schachbretts würden letztlich so viele Reiskörner liegen, dass man damit die gesamte Erdoberfläche bedecken könnte.

„Exponentielles Wachstum ist typisch für die Anfangsphase einer Epidemie“, sagt Medizininformatiker Markus Scholz von der Universität Leipzig. Schlichtweg deshalb, weil noch keine Gegenmaßnahmen wie Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen ergriffen wurden. Das wiederum kann zur Überforderung der Gesundheitssysteme führen.

Aber: „Das exponentielle Wachstum hört bei jeder Epidemie sehr schnell auf“, so Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund.

Welche Aussagekraft hat die Verdopplungszeit, also die Zeit, in der sich die Zahl der Infizierten verdoppelt?

Der Erfolg der aktuellen Eindämmungsmaßnahmen, wie Kontaktsperren, wird laut Bundeskanzlerin Merkel auch an einer zentralen Kennzahl gemessen – der Verdopplungszeit. Je höher deren Wert, desto besser – da mehr Zeit vergeht, bis eine Verdopplung der Infizierten stattgefunden hat und das Virus sich somit langsamer ausbreitet.

Die Aussagekraft der Zahl nimmt ab, weil keine Verdopplung mehr in fester Zeit zu beobachten ist. Wichtiger werde stattdessen die Entwicklung der Reproduktionszahl.

Wie hoch sollte die Reproduktionszahl idealerweise sein?

Eine Produktionsrate - auch R-Wert genannt - von 1 bedeutet, dass ein Infizierter im Durchschnitt eine weitere Person ansteckt, wodurch sich das Virus allerdings weiter ausbreitet. Vor wenigen Tagen war der Wert noch auf das mehr als Doppelte hochgeschnellt. Einzelne massive Ausbrüche hatten dazu geführt, dass der sogenannte R-Wert stieg.

„Wenn der Wert unter eins sinkt, wird die Epidemie zurückgedrängt. Dabei helfen alle Maßnahmen, die Kontakte zwischen Infizierten und Nichtinfizierten reduzieren“, so Scholz. Wird die Reproduktionsrate unter eins gehalten werden, sind Lockerungen der Corona-Maßnahmen möglich.

Corona-Glossar

  • Von exponentiellem Wachstum spricht man, wenn sich eine Zahl in jeweils gleichen Zeitabschnitten immer um denselben Faktor verändert – zum Beispiel verdoppelt oder verdreifacht. In der Darstellung ergibt sich so eine ansteigende Kurve.
  • Lineares Wachstum hingegen bedeutet, dass in gleichen Zeitabständen immer die gleiche Menge hinzukommt. Beispielsweise 500 Krankenhaus-Patienten an einem Tag und am Folgetag noch einmal 500. Das ergäbe in der Darstellung wiederum eine Gerade.
  • Die Mortalität, also die Sterblichkeit, bezieht sich auf den Anteil der Toten in einer Bevölkerung, die durch eine bestimmte Krankheit gestorben sind.
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RKI-Fallzahlen und Johns-Hopkins-Daten – Warum sind sie unterschiedlich?

Die unterschiedlichen Fallzahlen von RKI und Johns-Hopkins-Universität sind darauf zurückzuführen, dass verschiedene Datensätze verwendet werden. Die von der Johns-Hopkins-Universität veröffentlichten Daten stammen sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch aus nationalen Einrichtungen und Berichten lokaler Medien. „Man kann sagen, dass sie aktueller, aber weniger genau sind“, so Scholz.

Die Daten des Robert-Koch-Instituts werden hingegen systematischer erhoben, weisen dafür allerdings einen gewissen zeitlichen Verzug auf. Sie beziehen sich auf offizielle Meldungen der Gesundheitsämter und der zuständigen Ministerien der Bundesländer.

Warum braucht es eine Immunität in der Bevölkerung, um die Epidemie dauerhaft in den Griff zu bekommen?

Wenn sehr viele Menschen immun gegen Sars-CoV-2 sind, kann sich der Erreger kaum noch in der Bevölkerung verteilen und andere nur noch schwer infizieren. In diesem Fall spricht man von Herdenimmunität. Experten gehen davon aus, dass dieser Punkt dann erreicht ist, wenn zwischen 60 und 80 Prozent der Menschen immun sind – hierzulande also mindestens rund 50 Millionen Menschen.

Grundlage dieser Berechnung ist die Beobachtung, dass jeder Infizierte durchschnittlich zwei bis drei Menschen ansteckt. Wenn in dessen Umgebung allerdings mehr als zwei bis drei Menschen immun sind, würde der Erreger nicht mehr genug Opfer finden. Immunität aufzubauen, braucht allerdings Zeit. Sonst besteht die Gefahr, das Gesundheitssystem zu überlasten.

Berit Lange vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung betont außerdem, dass es sich dabei um eine Beispielrechnung handelt. Heißt: „Auch dann wäre eine Weiterverbreitung des Virus in einzelnen Bevölkerungsgruppen, in denen diese durchschnittliche Immunität noch nicht erreicht ist, möglich. Solange kein Impfstoff vorhanden ist, haben nur diejenigen Menschen vermutlich eine Immunität, die die Erkrankung durchgemacht haben.“