Hannover. Nach der Pleite von Thomas Cook werden strengere Haftungsregeln für Pauschalreisen gefordert. Marktführer TUI ist dagegen.

Nach der Pleite des britischen Reiseveranstalters Thomas Cook ist ein Streit um die Haftung bei Pauschalreisen entbrannt. Zehntausende Urlauber bangen um große Teile ihrer Anzahlungen. Mitte Dezember kündigte die Bundesregierung an, dass der Bund für den Schaden einspringen werde, der über die Versicherungssumme von 110 Millionen Euro hinausgeht.

Experten erwarten einen Gesamtschaden von bis zu 500 Millionen Euro. In dieser Debatte spricht sich der Deutschlandchef des Marktführers TUI, Marek Andryszak, gegen eine Ausweitung der Haftungsregeln aus: Die Pauschalreise werde dadurch teurer und unattraktiv.

„Wenn ich mir die Struktur des verbleibenden Reisemarktes ohne Thomas Cook anschaue, erwarte ich in den nächsten Jahren keinen weiteren Zwischenfall in dieser Größenordnung“, sagte er unserer Redaktion. „Die TUI ist ein kerngesundes Unternehmen und die bestehende Versicherung aus unserer Sicht ausreichend.“

TUI-Chef: Höhere Preise würden Kunden abschrecken

Müssten sich die Reiseveranstalter noch besser gegen Insolvenz absichern als bisher, würden die Preise für Pauschalreisen steigen gegenüber individuell gebuchten Reisen ohne jegliche Absicherung. Andryszak: „Dann würden immer mehr Kunden sagen: Die Pauschalreise ist mir zu teuer. Es gibt wirklich kaum einen Kauf, der so gut abgesichert ist wie die Pauschalreise.“

Sicher würde es dem Ruf der Branche gut tun, wenn der komplette Umsatz von Thomas Cook abgesichert gewesen wäre, sagte Andryszak. „Jedoch war die Insolvenzversicherung für solch einen Fall scheinbar nicht ausgelegt.“

Das Geschäft der deutschen Reiseveranstalter war im vergangenen Jahr nach Angaben des Deutschen Reiseverbands rund 41,2 Milliarden Euro schwer: Marktführer TUI setzte 7,3 Milliarden Euro um, Thomas Cook folgt mit rund vier Milliarden Euro. Der Anbieter DER Touristik kam auf 3,4 Milliarden Euro, FTI auf 2,9 Milliarden.

Haftungssumme müsste auf eine Milliarde Euro steigen

Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD) hat vor Weihnachten eine Reform der Insolvenzsicherung für Pauschalurlauber angekündigt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forderte, die künftige Haftungssumme müsse sich am Branchenprimus TUI orientieren – eine Milliarde Euro statt 110 Millionen. Was Kunden von Thomas Cook jetzt tun können, lesen Sie hier.

FDP und Grüne kritisierten, mit der bisherigen Begrenzung der Haftungssumme habe die Bundesregierung den Reisekonzernen jahrelang niedrige Versicherungsprämien beschert – dafür müssten nun die Steuerzahler haften.

Die Pleite des Wettbewerbers bezeichnete Andryszak als „Spezialfall“. Während der Reiseveranstalter Thomas Cook vor allem ein Händler gewesen sei, verfüge TUI als Eigentümer von Hotels und Kreuzfahrtschiffen über eine „ganz andere Finanzkraft“. Dem Konzern mit Sitz in Hannover gehören mehr als 400 Hotels und 17 Kreuzfahrtschiffe. „Das generiert höhere Auslastungen und deutlich höhere Margen als bei einem traditionellen Reiseveranstalter“, sagt er.

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    Neue Verträge mit 150 Hotels geschlossen

    Nach der Pleite von Thomas Cook im September hat TUI mit über 150 Hotels, die vorher Partner des britischen Konzerns waren, neue Exklusivverträge geschlossen oder Kapazitäten erhöht. Dadurch erwarten sich die Hannoveraner mindestens eine halbe Million zusätzliche Kunden pro Jahr allein aus Deutschland. Auf speziellen Bewerbermessen buhlt der Reisekonzern zudem um das Personal des früheren Rivalen.

    Ob TUI auch Interesse am deutschen Ferienflieger Condor hat, der nach der Insolvenz des Mutterkonzerns Thomas Cook dringend einen neuen Eigentümer sucht? „Wir haben mit TUIfly eine sehr angesehene eigene Fluglinie in Deutschland“, sagt Andryszak. „Als Marktführer analysieren wir die Entwicklung selbstverständlich sehr genau.“ TUIfly soll im kommenden Jahr auch auf der Langstrecke abheben und dabei ganz ähnliche Ziele bedienen wie Condor.

    Preise für den Urlaub 2020 bleiben stabil

    Steigende Preise erwartet Andryszak durch den Untergang des wichtigsten Wettbewerbers nicht. Nur in den Wochen direkt nach der Pleite von Thomas Cook habe es wegen des kurzfristig verknappten Angebots Ausschläge nach oben gegeben. Auf die bevorstehende Urlaubssaison 2020 treffe das aber nicht zu. „Alle verbleibenden Anbieter wollen möglichst viele Kunden mit attraktiven Preisen auf ihre Plattform ziehen, sagte der Deutschlandchef von TUI.

    Bei den Reisetrends für das Jahr 2020 geht Andryszak davon aus, dass sich die Nachfrage nach der Türkei und Nordafrika weiter stark erholen wird. „Spanien ist und bleibt aber insgesamt das wichtigste Zielgebiet für uns und holt wieder auf“, sagt er.

    Flugverbot für Boeing 737 Max belastet den Reisekonzern stark

    Wirtschaftlich gesehen war das Jahr 2019 für den Touristikkonzern durchwachsen. Während das Geschäft mit Kreuzfahrten, Hotels und Resorts jeweils steigende Gewinne vermelden konnte, sackte der Nettogewinn insgesamt um 43 Prozent auf 416,2 Millionen Euro ab. Grund: Das nach zwei Abstürzen verhängte weltweite Flugverbot für die Boeing 737 Max.

    Die TUI-Airlines außerhalb Deutschlands haben bereits 15 Jets dieses Typs in ihren Flotten und mussten teure Ersatzmaschinen mieten. Das kostete 293 Millionen Euro. Bleibt das Flugverbot bis Ende April 2020 bestehen, kommen weitere 130 Millionen Euro dazu – darf die 737 Max erst später wieder fliegen, könnten die Kosten auf bis zu 270 Millionen Euro steigen.

    Das wirkt sich auch auf die Dividende aus: Für 2019 erhalten die Aktionäre 54 Cent je Anteilsschein. Das sind 18 Cent weniger als im Vorjahr. Generell führe eine geänderte Dividendenpolitik voraussichtlich zu geringeren Ausschüttungen, hieß es kürzlich. Allerdings werde die Ausschüttung nie unter die Untergrenze von 35 Cent fallen.